# taz.de -- Graffitikünstler Docta über Afrika: „Das Recht, frei zu sein“ | |
> Docta ist einer der bekanntesten Graffitikünstler Afrikas. Der Kontinent | |
> müsse Verantwortung für sich übernehmen, sagt er. | |
Bild: Amadou Lamine Ngom, genannt „Docta“ | |
Afrika ist heute einem wachsenden Einfluss globaler Mächte unterworfen. Als | |
Künstler versuchen Sie, dagegen eine afrikanische Identität zu behaupten. | |
Was für eine Identität ist das? | |
Docta: Auf unserem Kontinent haben wir viele Dinge zu sagen und zu zeigen. | |
Wir leben in einem globalen Dorf mit digitaler Technologie. Dinge, die von | |
anderswo kommen, dringen in unser Universum ein. Aber wir passen uns ihnen | |
an, ohne unsere Identität aufzugeben. Es ist diese Identität, die uns in | |
der Welt einzigartig macht: eine visuelle Identität, eine akustische | |
Identität, eine Kleidungsidentität, eine Identität der Farben. Sie sind | |
leuchtend und sehr präsent. Der globale Einfluss ist da, wir passen uns ihm | |
an, und bleiben zugleich so, wie wir sind. | |
Das klingt paradox. | |
Wenn sich die Welt weiterentwickelt, muss man sich mit ihr | |
weiterentwickeln, aber gleichzeitig an dem festhalten, was man hat. Wir | |
treffen eine künstlerische Auswahl aus dem, was die Welt zu bieten hat. | |
Wie zeigt sich das in Ihrer Arbeit? | |
In meinen Wandbildern schreibe ich in Wolof, der Nationalsprache Senegals. | |
Meine Werke zeigen Szenen des Lebens, das ich jeden Tag sehe. Über 90 | |
Prozent aller in meinen Werken dargestellten Menschen sind Afrikaner:innen, | |
keine Europäer:innen. Als wir während der Covid-Pandemie Wandbilder zur | |
Förderung der Prävention schufen, stellten wir keine Europäer:innen | |
dar, die Masken trugen oder in ihre Hände husteten. Wir haben | |
Senegales:innen dargestellt, die in traditionelle Kleidung, in | |
Bogolans, gekleidet waren. | |
Ist Graffiti für sie eine Form des politischen Kommentars? | |
Ja. Meine Straßenkunst erzählt politische oder soziale Geschichten, die mit | |
den Beziehungen Afrikas zu den Weltmächten zusammenhängen. | |
Was für Beziehungen sind das? | |
Zum Beispiel das koloniale System, das Afrika arm hält. Unsere Brüder | |
setzen sich in Fischerboote, um nach Europa auszuwandern. Normalerweise | |
müssten die Fischer fischen gehen können, um Geld für Lebensmittel, Bildung | |
und Kleidung zu verdienen. Das koloniale System aber erlaubt es Politikern, | |
Genehmigungen zur Plünderung unserer Fischbestände und anderer natürlicher | |
Ressourcen an andere zu vergeben. Unsere Graffitis sprechen das an. Wir | |
weisen darauf hin, dass junge Afrikaner:innen, die nach Europa oder in die | |
USA gehen, zur Wirtschaftsleistung dieser Länder beitragen. Sie zahlen dort | |
Steuern, sie stellen ihr Wissen für die Entwicklung dieser Länder zur | |
Verfügung. Sie sollten als „Expatriates“ betrachtet werden. | |
Ihre Arbeit wird auch mit Geld der EU finanziert. | |
Die Europäische Union hat mich nicht finanziert, ich habe für sie als | |
Dienstleister im Ausland gearbeitet. Dabei ändern wir nicht unsere | |
Ausrichtung, um Finanzierung zu erhalten. Und ihr Geld wird nicht umsonst | |
gegeben. Wir tun etwas und sie finanzieren es. | |
Ihre Werke sind sehr kritisch. Hat das schon dazu geführt, dass Sie | |
Schwierigkeiten hatten, Fördermittel oder Visa zu bekommen? | |
Ja, das passiert uns dauernd. Wenn man mit bestimmten Dingen nicht | |
einverstanden ist, blockieren die Leute einen, ohne es einem zu sagen. | |
Manchmal reicht man alle nötigen Unterlagen für eine Finanzierung oder ein | |
Visum ein, aber man erhält eine Ablehnung. Man weiß, dass man als Aktivist | |
oder Künstler wegen der Ideen, die man vertritt, blockiert wird. Dem sind | |
wir ständig ausgesetzt. | |
Wie gehen Sie damit um? | |
Wir nutzen neue Technologien. So kann man uns nicht davon abhalten, uns | |
auszudrücken. Wir schaffen dauerhafte eigene Werke, auch wenn es sich um | |
Wandbilder handelt, die zerstört werden können. Wir machen Videos und laden | |
sie auf unseren Plattformen im Netz hoch. Selbst wenn das Werk also | |
gelöscht oder zugemauert wird, existiert es im Netz weiter. Unsere | |
Botschaft kommt trotzdem an. | |
Ein wichtiger Teil ihrer Botschaft ist die Rolle, die Afrika in der Welt | |
spielen soll. Welche Rolle sollte das sein? | |
Afrika muss sich selbst finden und sich von dem kolonialen System befreien, | |
das uns 300 Jahre lang unterdrückt hat. Die jungen Menschen in Afrika | |
brauchen die Freiheit, sich zu entwickeln. Wir sind gegen alle Länder, die | |
kommen, um uns auszuplündern. Afrika kann Einfluss auf den Rest der Welt | |
ausüben. Es ist an der Zeit, dass die Afrikaner ihre Verantwortung | |
wahrnehmen. Und das hat bereits begonnen. Sehen Sie sich an, was in Mali, | |
Burkina Faso, Niger und Ruanda passiert. | |
Unterstützen Sie die Militärputsche dort? | |
Es ist keine Unterstützung für Staatsstreiche, sondern eine Unterstützung | |
für den Willen des Volkes, die Führer, die Handlanger des Kolonialsystems | |
sind, aus dem Amt zu entfernen. Das Militärregime will niemand. Aber wenn | |
es die richtige Lösung ist, dann nehmen wir sie. Wenn die Politiker dieses | |
koloniale System beibehalten wollen, ist es in Ordnung, dass wir sie | |
austauschen. Afrika hat das Recht, frei zu sein. Wir sind 54 Staaten mit je | |
eigener Intelligenz und Würde. Ihre Bevölkerungen müssen sich behaupten, | |
indem sie Verantwortung übernehmen. Es ist an der Zeit, sich von den | |
kolonialen Systemen zu befreien, die so schwer auf uns lasten. Unsere | |
Führer müssen die Wahl haben, und die europäischen Länder müssen uns als | |
Partner sehen. Sie müssen aufhören, unsere Ressourcen zu plündern. Afrika | |
muss seinen Platz auf der Weltbühne finden, indem es sich die Macht | |
verschafft, zu verhandeln. | |
Wie soll Afrika die Macht erlangen, die sie sich wünschen? | |
Die meisten Länder, die sich als entwickelt bezeichnen, verfügen über | |
Ressourcen, die von uns stammen. Afrika ist heute dabei, sich selbst | |
wiederzufinden. Seine Söhne und Töchter machen sich in vielen Bereichen der | |
Welt einen Namen. Wir müssen diese Dynamik unterstützen und vorantreiben. | |
Es ist an der Zeit, die Dinge richtigzustellen. | |
[1][Hier] erfahren Sie mehr über den Afrika-Workshop der taz Panter | |
Stiftung und das 54-seitige Magazin. | |
17 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /!vn5981173/ | |
## AUTOREN | |
Gabrielle Sokeng | |
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