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# taz.de -- Nach Terroranschlag auf Lehrer: Prozess im Fall Samuel Paty beginnt
> In Frankreich müssen sich sechs Minderjährige im Zusammenhang mit dem
> islamistischen Attentat verantworten. Ihnen drohen bis zu zweieinhalb
> Jahre Haft.
Bild: Erinnerung an Samuel Party: Ein Gedenk-Bild an der Schule, an der er zule…
Paris taz | Nur wenige hundert Meter von der Schule im Pariser Vorort
Conflans-Sainte-Honorine, an der er unterrichtete, entfernt, wurde Samuel
Paty am 16. Oktober 2020 von einem 18-jährigen Islamisten enthauptet.
Es war ein gezielter Angriff auf Paty, den der islamistisch motivierte
Attentäter ganz leicht ausfindig machen konnte: Fünf Schüler hatten ihm für
ein Entgelt von 300 Euro den Geschichts- und Geografielehrer genau
beschrieben und ihn so auf dessen Fährte gesetzt.
Drei Jahre nach dem Attentat, das weltweit Entsetzen auslöste, stehen die
fünf Jungen nun zusammen mit einem Mädchen, dem Verleumdung vorgeworfen
wird, wegen Bildung einer krimineller Vereinigung zur Vorbereitung einer
schweren Gewalttat vor einem Pariser Jugendgericht. Den Angeklagten, die
zum Zeitpunkt der Tat 13 bis 15 Jahre alt waren, drohen bis zu zweieinhalb
Jahre Haft.
Zentrale Figur des Prozesses ist das heute 16-jährige Mädchen, das in den
französischen Medien „Zohra“ genannt wird. Sie hatte ihrem Vater berichtet,
dass Paty im Bürgerkundeunterricht den muslimischen Propheten Mohammed
nackt gezeigt und Musliminnen und Muslime zum Verlassen des Klassenzimmers
aufgefordert habe.
## „Ihr liebt euren Propheten“, schrieb Brahim C.
Die Jugendliche war allerdings am fraglichen Tag von der Schule
ausgeschlossen, weil sie sich respektlos gegenüber dem Personal verhalten
hatte. Paty präsentierte zum Thema Meinungsfreiheit zwar zwei in der
Satirezeitung [1][Charlie Hebdo] veröffentlichte Mohammed-Karikaturen,
stellte den Schülerinnen und Schülern die Teilnahme daran aber frei.
Ohne die falschen Aussagen seiner Tochter zu prüfen, veröffentlichte ihr
Vater Brahim C. den Namen der Schule und des Lehrers. „Ihr liebt euren
Propheten. Ihr habt den Namen und die Adresse, um Stopp zu sagen“, schrieb
Brahim C. in den sozialen Netzwerken. In einem Video, das er mit der
Unterstützung des bekannten Islamisten [2][Abdelhakim Sefrioui] drehte,
beschimpfte er Paty als „Gauner“, der nicht mehr unterrichten dürfe. Brahim
C., Sefrioui und sechs andere Erwachsene, die dem Attentäter bei den
Vorbereitungen geholfen haben sollen, müssen sich in einem Jahr vor Gericht
verantworten.
Nach der Veröffentlichung des Videos wurde Paty in den sozialen Netzwerken
verunglimpft und mit dem Tod bedroht. „Es herrschte eine Stimmung der
Verteufelung seines Unterrichts“, gab einer der Angeklagten laut der
Zeitung Libération zu Protokoll. Zusammen mit den anderen vier Jungen soll
er dem Attentäter auch den Nachhauseweg Patys verraten haben. Außerdem
sollen die Schüler die Umgebung der Mittelschule Bois-d’Aulne stundenlang
überwacht und dem Angreifer die Videokameras rund um das Gebäude verraten
haben.
Der Attentäter Abdoullakh Anzorov, der 80 Kilometer von Conflans entfernt
lebte, hatte durch Brahim C.s Veröffentlichungen im Netz von Paty erfahren.
Der Sohn einer Familie aus [3][Tschetschenien] Geflüchteter ließ sich vor
die Schule fahren und bot einem Schüler Geld, damit er ihm den Lehrer
zeigte. Der Junge ließ sich nach eigenen Angaben überzeugen, denn mit dem
Geld wollte er sich Computerspiele kaufen.
## „Hätten Paty warnen und retten können“
Den Jungen zufolge wollte Anzorov den Lehrer lediglich zu einer
Entschuldigung zwingen und ihn erniedrigen. Der Attentäter habe aber auch
von seinem Hass und seinen Rachegelüsten gegen den „schmutzigen Bastard“
gesprochen.
„Die Minderjährigen hatten einen entscheidenden Anteil, denn sie hätten
Samuel Paty auch warnen und retten können“, sagte Virginie Le Roy, Anwältin
der Familie Patys.
„Die Aktion der Schüler hat die vorab geplante Tat von Abdoullakh Anzorov
ermöglicht“, heißt es in der Anklage. Schon allein die Absicht, einen
Lehrer filmen zu wollen, wie er sich entschuldige, bedeute eine Gewalttat.
13 Lehrerinnen und Lehrer von Patys Schule wollten als Zivilkläger an dem
Prozess teilnehmen.
Von Patys Familie wurde diese Entscheidung allerdings schlecht aufgenommen,
da die Kolleginnen und Kollegen des Lehrers sich teilweise sogar gegen ihn
und seine Entscheidung, die Karikaturen zu zeigen, wandten. Das ergaben
nach seinem Tod bekannt gewordene Mails.
## Weiterer wohl islamistischer Angriff auf Lehrer im Oktober
Ziemlich genau drei Jahre nach der Ermordung Patys wurde im Oktober dieses
Jahres erneut ein Lehrer auf ähnliche Art ermordet: Ein junger Mann,
ebenfalls tschetschenischer Herkunft, griff im nordfranzösischen Arras
mehrere Angestellte eines Gymnasiums mit dem Messer an und erstach den
Literaturlehrer Dominique Bernard. Nach dem Attentat herrschte in
Frankreich höchste Alarmstufe.
Eine Schweigeminute für die beiden Pädagogen wenige Tage später wurde in
mehreren Schulen des Landes gestört. Das Bildungsministerium sprach
insgesamt 85 Schulverweise aus – wegen „Verherrlichung des Terrorismus“.
28 Nov 2023
## LINKS
[1] /Prozess-um-Anschlag-auf-Charlie-Hebdo/!5739403
[2] https://www.liberation.fr/france/2020/10/17/conflans-abdelhakim-sefrioui-un…
[3] https://roadsandkingdoms.com/2018/journey-to-isis-and-back/
## AUTOREN
Christine Longin
## TAGS
Gerichtsprozess
Islamismus
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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Simone de Beauvoir
Bataclan
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