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# taz.de -- Migrationspolitik in Chile: Gabriel Boric spielt den Hardliner
> Chiles linker Präsident Gabriel Boric steht in Migrationsfragen von
> rechts unter Druck. Jetzt droht er tausenden Migrant:innen mit
> Abschiebung.
Bild: Unterkunft von Migranten in Iquique, Chile
Santiago taz | Eine von der politischen Rechten entfachte Debatte über
Migration und Kriminalität setzt Chiles Präsidenten Gabriel Boric unter
Druck. Die Anzahl der Migrant:innen, die nach Chile einreisen, hat sich in
den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht. Zahlen der Vereinten
Nationen zufolge leben in Chile 1.645.015 Migrant:innen, das macht etwa
8,45 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Chile ist damit das Land mit dem
höchsten Anteil ausländischer Bevölkerung in Südamerika. Die meisten von
ihnen kommen aus Venezuela, Peru und Haiti und Kolumbien.
Auch stark angestiegen ist die Zahl der Menschen, die über nicht genehmigte
Grenzübergänge einreisen, meistens nach tagelangen Fußmärschen durch die
Atacamawüste im Norden des Landes. Tagsüber ist es dort extrem heiß und
nachts extrem kalt.
Gleichzeitig ist in Chile die Anzahl krimineller Banden, ungeklärter
Mordfälle und der Drogenhandel angestiegen. Obwohl diese Entwicklung in
keinem nachweisbaren kausalen Zusammenhang zur Migration steht, nutzen
rechte Politiker:innen die Situation aus, um die Migrant:innen zu
stigmatisieren und ein Feindbild zu schaffen – ein Diskurs, der von vielen
Medien übernommen wird.
Und die populistische Strategie ist erfolgreich: Einer Umfrage des Centro
de Estudios Públicos (CEP) zufolge glauben sieben von zehn Chilen:innen,
dass die Migrant:innen für den Anstieg der Kriminalität verantwortlich
sind.
## Abschiebeflug ohne Erfolg
Die rechte Opposition, [1][die im Parlament die Mehrheit hat, setzt die
Regierung von Gabriel Boric] unter Druck – und der Präsident gibt nach.
„Die Regierung muss kriminelle Migranten abschieben“, sagte Felipe Kast,
Senator der Partei Evópoli vergangene Woche in einem Interview mit dem
Kanal T13. Die Parlamentsabgeordneten der rechten Partei Renovación
Nacional, der auch der rechte Ex-Präsident Sebastián Piñera angehört,
stellten Mitte November ein Ultimatum: Wenn die Regierung bis zum
Jahresende nicht 12.000 Migrant:innen abschiebt, will die Opposition
eine Verfassungsklage gegen die Innenministerin Carolina Tohá einreichen.
Boric teilte zwar in einer Ansprache mit, dass „Migration nicht mit
Kriminalität verwechselt werden“ dürfe. Aber er ordnete einen Flug zur
Abschiebung von 60 Migrant:innen nach Venezuela an. Nur durfte das
Flugzeug nicht in Venezuela landen, weil es offenbar nicht über die
notwendige Autorisierung verfügte.
Mehrere der Menschen, die abgeschoben werden sollten, hatten keine Einträge
im Strafregister, sondern waren lediglich über unerlaubte Grenzübergänge
eingereist. Der gescheiterte Flug verschärfte die Debatte über die
Migrationspolitik der Regierung zusätzlich.
Am 31. Dezember läuft jetzt eine Frist ab, die Boric gesetzt hat. Alle
volljährigen Migrant:innen, die vor dem 30. Mai über nicht genehmigte
Grenzübergänge nach Chile eingereist sind, sollen sich mittels eines
biometrischen Registrierungsverfahrens anmelden. Der Staat registriert ihre
Fingerabdrücke, eine biometrische Aufnahme ihres Gesichts und persönliche
Daten. Wer dem nicht nachkommt, soll als „verdächtig“ eingestuft, gesucht
und abgeschoben werden.
Bislang allerdings haben nur etwa die Hälfte der 230.000 Personen, die sich
anfangs für den Prozess angemeldet hatten, ihre Daten registrieren lassen.
Das geht aus Daten der Nationalen Migrationsbehörde hervor. Der [2][Druck
auf Boric steigt], dem von ihm selbst gesetzten Ultimatum dann auch Taten
folgen zu lassen.
30 Nov 2023
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Chile/!5822998
[2] /Amtsantritt-von-Gabriel-Boric/!5838576
## AUTOREN
Sophia Boddenberg
## TAGS
Chile
Migration
Gabriel Boric
Kriminalität
Chile
50 Jahre Putsch in Chile
Chile
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