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# taz.de -- Neues Feature von Microsoft Teams: Arbeitnehmer ohne Eigenschaften
> Künstliche Intelligenz kann in Videokonferenzen jetzt die Wohnung schön
> machen – damit bloß nichts auf die eigene Persönlichkeit hinweist. Gut
> so?
Bild: Ein Bücherregal ohne Eigenschaften – auf die Menge kommt es an
Wer im Umgang mit Videotelefonie-Software halbwegs auf Zack war, hatte im
Frühjahr 2020 eine richtig gute Zeit. Von heute auf morgen bekamen damals
nämlich auch diejenigen eine Chance, zum Büroclown aufzusteigen, die sich
mit Humor am Arbeitsplatz bisher eher schwertaten. Vorausgesetzt, sie
hatten als Allererste begriffen, wie man in der Online-Konferenz den
eigenen Hintergrund verändert, um sich so an den Karibikstrand, auf eine
Eisscholle oder die Umlaufbahn des Uranus zu befördern.
Als der Kollege aus der Personalbuchhaltung ausnahmsweise im Oval Office
saß und die Vorstandschefin in einem Lama-Gehege, da hatten wir trotz
Lockdown-Trübsal alle kurz mal was zu lachen. Die Zeiten waren düster, die
Gag-Hürden niedrig. Man nahm, was man kriegen konnte.
Aber wie das immer so ist: Erst kommt der Spaß, dann kommen die
[1][Studien]. Nach der Pandemie, als die Wissenschaft sich wieder den
wirklich wichtigen Dingen zuwenden konnte, fanden Forschende heraus, dass
Menschen mit künstlichem Videocall-Hintergrund als eher inkompetent
wahrgenommen würden. Sehr kompetent hingegen erschienen Personen, die vor
einem Bücherregal oder Topfpflanzen saßen. Wichtig dabei: Das Bücherregal
hatte geordnet zu sein, die Pflanzen gut genährt. Spiegelte der Hintergrund
auch nur ansatzweise eine Art Alltagsrealität wider – war also der
Brockhaus umgekippt oder die Monstera bräunlich – hatte das einen ähnlichen
Effekt wie beispielsweise eine Lavalandschaft.
Je mehr Hinweise auf den individuellen Einrichtungsstil oder das Leben
abseits der Arbeit, desto ungünstiger also für das Ansehen. Eine
Gesellschaftsspielesammlung? Da wagt es offenbar jemand, sich zu vergnügen!
Ein Klimt-Kunstdruck? Interessanter Geschmack. Auch die Funktion, die den
Hintergrund verschwimmen lässt, schnitt in den Studien nicht besonders gut
ab. Ein bisschen was sollte man offenbar schon preisgeben, ansonsten fragt
sich das Gegenüber, was man zu verbergen hat. Rotweinflecken an der Tapete?
Wellenförmige Ikea-Spiegel von 2005? Oder Raubkunst?
Für Menschen, die vor lauter unterbezahlter Lohnarbeit weder Zeit noch Geld
haben, ihre Wohnung fürs Meeting gefälliger zu gestalten und so die
Karrierechancen zu erhöhen, hat [2][Microsoft Teams] jetzt die optimale
Lösung gefunden. Ab Anfang 2024 soll es möglich sein, den Hintergrund
mithilfe einer KI aufzuräumen und mit an die Jahreszeit angepassten
Dekoelementen zu verschönern. Zwar wird so aus der schäbigen Kommode noch
kein USM-Haller-Ensemble – aus Vorher-Nachher-Bildern lässt sich aber
erkennen, dass Kinderzeichnungen, eine unsortierte Plattensammlung und
gerahmte Urlaubsfotos künftig dem Minimalismus weichen könnten. Wer will
schon dran erinnert werden, dass da außerhalb des Jobs noch ein Leben ist.
Es beginnt die Wandlung zum Arbeitnehmer ohne Eigenschaften.
## Gesichter und Wohnung im Dienst der Akquise
Auch toll: Zur Weihnachtszeit lässt sich die Aloe vera im Hintergrund in
eine hübsche kleine Tanne verwandeln und die Backsteinwand in eine
stimmungsvolle Holzvertäfelung. Da fängt man an zu träumen, wie virtuelle
Akquise künftig aussehen könnte.
Die potenzielle Großkundin jagt gern? Schnell noch eine Schrotflinte an die
Wand projizieren. Ein anderer ist passionierter Schnorchler? Teams zaubert
Ihnen ein Aquarium hinter den Schreibtisch. Das hilft beim
Gesprächseinstieg, das garantiert Sympathien, da braucht man niemanden
zu nerven mit seinen wahren Leidenschaften. Und füttern muss man die Fische
auch nicht.
26 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-12565531/What-Zoom-backgrou…
[2] https://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-12761405/No-time-tidy-Micro…
## AUTOREN
Leonie Gubela
## TAGS
Zoom
Microsoft
Videokonferenz
Job
Einrichtung
Skype
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Netzüberwachung
Bot
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