| # taz.de -- Todesstrafe in Iran: Getötet, um abzuschrecken | |
| > Irans Regime hat erstmals seit 2016 mehr als 600 Menschen hingerichtet. | |
| > Die Tötungen sollen die Bevölkerung in Angst versetzen. | |
| Bild: Proteste gegen die Todesstrafe in Iran, hier im vergangenen November in I… | |
| Berlin taz | Nach etwa 14 Jahren Haft wurde am 5. November in Iran der | |
| politische Gefangene Ghassem Abesteh hingerichtet. Die Gerichtsverhandlung | |
| zuvor soll nur zwei Minuten gedauert haben. Dies berichtet Abestehs | |
| Mitinsasse Hamidreza Haeri in einem Brief aus dem Ghezel-Hesar-Gefängnis | |
| nahe Teheran. Der Richter sagte demnach zu Abesteh: „Erstens bist du Kurde, | |
| das ist einmal die Todesstrafe. Zweitens bist du Sunnit, also nochmal | |
| Todesstrafe, und drittens bist du Salafist, also eine weitere Todesstrafe.“ | |
| Der 44-jährige Kurde aus Mahabad hinterlässt zwei Kinder. Unter | |
| Terrorismusvorwürfen, die bis heute nicht belegt worden sind, waren sechs | |
| seiner Freunde im Jahr 2009 festgenommen worden. Als sich Abesteh daraufhin | |
| bei den iranischen Behörden über ihren Zustand informieren wollte, wurde er | |
| ebenfalls festgenommen. Seine Freunde erhielten später ebenfalls die | |
| Todesstrafe, derzeit droht akut die Vollstreckung. | |
| Abestehs Schicksal reiht sich ein in eine Hinrichtungswelle, die das | |
| gesamte Land betrifft. In den ersten neun Novembertagen wurden mindestens | |
| 45 Personen hingerichtet, berichtet die in Norwegen ansässige | |
| Menschenrechtsorganisation Hengaw. Während es im gesamten Jahr 2022 | |
| insgesamt 582 registrierte Hinrichtungen gab, sind es in diesem Jahr schon | |
| jetzt mehr: Allein in den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 wurden laut | |
| der Organisation Iran Human Rights mindestens 604 Personen hingerichtet. | |
| Damit überschreitet die Islamische Republik zum ersten Mal seit 2016 wieder | |
| die Marke von 600 Hinrichtungen in einem Jahr. | |
| Betroffen sind vor allem Gefangene aus der kurdischen und der | |
| belutschischen Minderheit, die aufgrund ihrer Ethnie seit Jahrzehnten von | |
| [1][repressiven Maßnahmen und Diskriminierung] betroffen sind. Laut Amnesty | |
| International machen den Großteil der vollstreckten Todesurteile zwar | |
| Hinrichtungen wegen angeblicher Drogendelikte aus. Doch | |
| Beobachter*innen und Menschenrechtsaktivist*innen betonen, dass | |
| auch diese Hinrichtungen ein Instrument der Einschüchterung sind und als | |
| politisch betrachtet werden müssen. | |
| ## Ein Brief aus dem Gefängnis | |
| Nachdem Abesteh zur Ausführung der Exekution in Einzelhaft verlegt worden | |
| war, wandten sich einige politische Gefangene aus seinem Gefängnis mit | |
| einem Brief an die Weltöffentlichkeit. Darin schildern sie das Schicksal | |
| des Familienvaters und rufen dazu auf, Verbrechen nicht im Dunkeln | |
| geschehen zu lassen: „Lasst es bitte nicht zu, dass die momentane Lage und | |
| das Feuer des Krieges den Weg für die Hinrichtung und den staatlichen Mord | |
| an einem Mitmenschen in diesem Land ebnet.“ | |
| Die Verfasser beziehen sich hierbei offenbar auf den [2][Krieg in Israel | |
| und Palästina], der andere internationale Ereignisse derzeit zu | |
| überschatten scheint. Doch der Hilferuf wurde nicht gehört. Am nächsten | |
| Morgen wurde Abesteh hingerichtet. | |
| Unter den Hingerichteten sind mindestens sieben Protestierende der | |
| [3][„Frau-Leben-Freiheit“-Bewegung, die ab vergangenem Herbst für | |
| Schlagzeilen sorgte]. National und international hatte es nach deren Tötung | |
| Empörung gegeben. Die EU verhängte weitere Sanktionen. Die Machthaber in | |
| Teheran änderten daraufhin die Strategie: Vor allem in der Öffentlichkeit | |
| unbekannte Gefangene wurden in einem rasanten Tempo hingerichtet. | |
| Gleichzeitig verhängt die Justiz weitere Todesurteile. Aktuellen Berichten | |
| zufolge wurde kürzlich eine Frau namens Mitra wegen angeblicher | |
| außerehelicher Beziehungen zum Tode verurteilt. Dies berichtete unter | |
| anderem die staatliche Zeitung Iran. | |
| ## Pogrome an Sexarbeiter*innen in der Vergangenheit | |
| Schon in der Vergangenheit reagierte das Regime nach Aufständen mit | |
| massiven Repressionen. Seit der Gründung der Islamischen Republik im Jahr | |
| 1979 wird das Instrument der Hinrichtung gegen die eigene Bevölkerung und | |
| vor allem gegen die Opposition eingesetzt. | |
| Wenige Monate nach der [4][Revolution von 1979] wurden Pogrome an den | |
| Sexarbeiter*innen des Teheraner Stadtteils Shahr-e No verübt, bei | |
| denen unter anderem eine Frau namens Sakine Ghasemi, die als Pari Bolandeh | |
| bekannt war, inhaftiert wurde. Sie wurde der „Korruption auf Erden“ | |
| bezichtigt und hingerichtet – ein Anklagepunkt, der in den letzten 44 | |
| Jahren gegen viele Menschen vorgebracht wurde. | |
| Dabei scheint das Regime keine Unterschiede zu machen zwischen | |
| Aktivist*innen, Sexarbeiter*innen oder auch Dieb*innen. 2013 empörte | |
| die öffentliche Hinrichtung von Alireza Mafiha und Mohammdali Sarvari in | |
| einem Teheraner Park die Welt. Sie sollten eine Handtasche gewaltsam | |
| gestohlen haben. Beide waren keine 25 Jahre alt. | |
| 13 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mina Khani | |
| Daniela Sepehri | |
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