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# taz.de -- Neue Studien zu Plastik: Mehr Müll durch Freihandel
> Das Mercosur-Abkommen öffnet Märkte für schmutzigen Kunststoff, zeigt
> eine Greenpeace-Studie. Laut WWF ist klar, auf wen die Kosten abgewälzt
> werden.
Bild: Diese Tüte hat ihren Weg in den indonesischen Ozean gefunden
Buenos Aires taz | Die Kosten der Plastikverschmutzung sind in den ärmeren
Ländern weit höher als in reichen Regionen. Das ist das Ergebnis eines
Berichts der Naturschutzorganisation WWF. [1][„Wer zahlt für die
Plastikverschmutzung?“ fragt der World Wide Fund for Nature] und kommt zu
der Antwort: „Das derzeitige Plastiksystem wälzt den Großteil der Kosten
auf diejenigen ab, die am wenigsten in der Lage sind, die Last zu
bewältigen, ohne diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die die Produkte
überhaupt erst herstellen und verwenden“, sagt Alice Ruhweza vom WWF.
Vorgerechnet wird, dass die Kosten der Plastikverschmutzung in ärmeren
Ländern weit höher sind als in reichen. „In Ländern mit niedrigem und
mittlerem Einkommen liegen die ‚wahren Kosten‘ von Plastik acht bis zehnmal
höher, obwohl dort pro Kopf fast dreimal weniger Plastik verbraucht wird
als in Ländern mit hohem Einkommen“, heißt es in dem Bericht.
Analysiert werden die strukturellen Ungleichheiten in der
Plastik-Wertschöpfungskette, von der Gewinnung der Rohstoffe über die
Produktion, die Verwendung, die Entsorgung bis hin zur Umweltverschmutzung
durch Plastikmüll. Aufgeschlüsselt werden die ‚wahren Kosten‘ dieser
Wertschöpfungskette und wer sie hauptsächlich zu tragen hat. Die
Länderfallbeispiele Brasilien, Kenia und Indonesien geben einen konkreten
Einblick in die Situation vor Ort.
Während der WWF-Report die globale Situation analysiert, [2][befasst sich
eine Greenpeace-Studie mit dem Thema „Das schmutzige Plastikgeheimnis der
Europäischen Union – Wie das EU-Mercosur-Abkommen den Handel mit
Einwegkunststoffen steigern wird.“] Das Abkommen mit dem Mercosur „steht in
krassem Gegensatz zu den laufenden Verhandlungen über ein globales
Plastikabkommen, das die Plastikproduktion deutlich reduzieren und die
Plastikmüllverschmutzung beenden soll, sowie zur EU-Gesetzgebung, die
darauf abzielt, den Plastikverbrauch zu reduzieren und Plastikmüll zu
vermeiden“, kritisiert Greenpeace.
## In der EU verboten, nach Südamerika verkauft
In der kommenden Woche findet in Nairobi die dritte UN-Verhandlungsrunde
über ein globales Plastikabkommen statt. Wunsch der UN ist es, die
Umweltverschmutzung durch Plastik bis 2040 massiv einzudämmen.
Die Greenpeace-Untersuchung zeigt, [3][wie ein Inkrafttreten des
Freihandelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten] Brasilien,
Argentinien, Paraguay und Uruguay die Zölle auf Kunststoffexporte aus der
EU nach Südamerika abschaffen wird. Abgeschafft würden auch Zölle auf
Kunststoffartikel, deren Handel und Verwendung innerhalb der EU verboten
sind, etwa auf Plastik-Einwegbesteck, das seit 2021 EU-weit verboten ist,
aber mit einem Zollaufschlag von bis zu 18 Prozent weiter in die
Mercosur-Länder verkauft wird. Diese würden im Rahmen des
Freihandelsabkommens schrittweise wegfallen. Plastikbesteck, das vorwiegend
zum einmaligen Gebrauch bestimmt ist, gehöre zu den am häufigsten in der
Umwelt vorkommenden Plastikverschmutzungen.
Lebensmittel- und Getränkebehälter aus Polystyrol sind seit 2021 auch in
der EU verboten. Allerdings kann Polystyrol mit einem Einfuhrzoll in die
Mercosur-Länder weiterhin verkauft werden. Ähnlich verhält es sich mit PVC,
dessen Verbot die EU derzeit erwägt. In beiden Fällen würde der Einfuhrzoll
von bis zu 14 Prozent in den Mercosur mit dem Abkommen abgeschafft werden.
Laut einer Greenpeace-Analyse der [4][UN-Datenbank Comtrade] stammten im
Jahr 2022 knapp über 20 Prozent aller Plastikimporte der Mercosur-Staaten
aus der EU. Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Kunststoffen in
den Mercosur, nach den USA und China. Es sei deshalb geradezu heuchlerisch,
wenn die Europäer auf internationalen Konferenzen wie den anstehenden
Verhandlungen in Nairobi große Reden über die EU-Umweltpolitik hielten, so
Greenpeace. Gleichzeitig treibe Brüssel einen Handelsvertrag voran, der die
negativen Folgen der europäischen Wirtschaft auf die Umwelt und die
Gesundheit in andere Länder verlagere, betont die Umweltorganisation.
Es sei zwar schwierig abzuschätzen, wie stark sich die Abschaffung der
Zölle auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit genau auswirken würde.
Allerdings würde sie „neue Anreize für die Kunststoff- und petrochemische
Industrie in Europa schaffen, weiterhin umweltschädliche Kunststoffe für
den Export in Drittländer zu produzieren“, so die Studie.
## Die Lösung: Mehrwegsysteme
Unterdessen verweist ein dritter Bericht einer Umweltorganisation auf die
naheliegendste Lösung der Plastik-Krise: Mehrwegsysteme. Laut der
US-amerikanischen Meeresschutzorganisation [5][Oceana] würden bis zum Jahr
2030 mehr als eine Billion Einwegplastikflaschen überflüssig, wenn weltweit
nur 10 Prozentpunkte mehr Mehrwegflaschen benutzt würden. Dabei werde etwa
ein Drittel der weltweit verkauften „Ready-to-drink“-Softdrinks in den USA
und China verkauft, die sich beide durch sehr niedrige Mehrwegquoten
auszeichneten: In den USA gibt es überhaupt keine Mehrwegsysteme, in China
liegt die Mehrwegquote bei einem Prozent.
In Ländern wie Äthiopien oder den Philippinen hingegen werden mehr als 40
Prozent der auf dem Markt befindlichen Getränke in Mehrwegsystemen
verkauft. „Es ist an der Zeit, dass die Abfüllunternehmen in den
Industrieländern einen Schritt nach vorne machen und dass Unternehmen wie
The Coca-Cola Company und PepsiCo Mehrwegverpackungssysteme in der ganzen
Welt ausbauen“, sagt Dana Miller von Oceana.
9 Nov 2023
## LINKS
[1] /Verhandlungen-ueber-Kunststoffentsorgung/!5934921
[2] https://www.greenpeace.de/publikationen/Report_Das-schmutzige-Plastik-Gehei…
[3] /EU-Abkommen-mit-Mercosur-Laendern/!5959841
[4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Datenque…
[5] https://oceana.org/
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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