# taz.de -- „Dschihad-Museum“ der Hisbollah: Gegen „IS“ und Israel zugl… | |
> Im libanesischen Baalbek hat die Hisbollah ein Propaganda-Museum | |
> eröffnet. Darin legt sie den Fokus auf ihren Kampf gegen Israel – aber | |
> nicht nur. | |
Bild: Reger Andrang: Die Besucher erwartet eine Waffenschau und Kriegspropaganda | |
BAALBEK taz | In Baalbek im Ostlibanon huldigten die alten Römer einst | |
ihrem Götterkönig Jupiter und dem Weingott Bacchus. Vor fast zweitausend | |
Jahren errichteten sie einen Tempelkomplex, von dem heute noch Ruinen | |
erhalten sind. Trotz der schweren politischen und [1][wirtschaftlichen | |
Krise im Libanon] ist die Stadt, die knapp zwei Autostunden nordöstlich der | |
Hauptstadt Beirut liegt, deshalb immer noch ein beliebtes Ziel für | |
Reisende. | |
Fast zweitausend Jahre nach den Römern herrscht heute die schiitische | |
[2][Hisbollah-Miliz] in Baalbek. Die Hauptverkehrsstraße säumen Plakate mit | |
dem Konterfei ihres Anführers [3][Hassan Nasrallah]. Verlässt man das | |
Stadtzentrum und fährt einen Hügel am Stadtrand hinauf, gelangt man zu | |
einer Attraktion der etwas anderen Art, die die „Partei Gottes“ kürzlich | |
für Bewohner und Besucher eröffnet hat: Seit Anfang August kann man dort, | |
einige hundert Meter über der Stadt, ein sogenanntes Dschihad-Museum | |
besichtigen – eine absurde Mischung aus Geschichtspropaganda und | |
Waffenschau. | |
Ein Wachposten mit Maschinengewehr patrouilliert vor dem Museumsgebäude, | |
das in ein dekoratives Tarnnetz gehüllt ist. Bereits vor dem Haus stehend | |
kann man hinter der Treppe den Beginn der Ausstellung erspähen: Ein Bild | |
zeigt das strenge Antlitz von Ajatollah Chomeini, dem iranischen | |
Revolutionsführer. Nach seiner „Islamischen Revolution“ 1979 gründeten die | |
Schiiten im Libanon angeleitet von den iranischen Revolutionsgarden die | |
Hisbollah. Der konkrete Anlass für die Gründung war der Einmarsch der | |
israelischen Armee in den Libanon 1982. Seitdem kämpft die Miliz gegen den | |
verhassten jüdischen Staat und seinen Verbündeten, die USA. | |
Gerade wird eine Besuchergruppe durch das Museum geführt. Sie schreiten | |
einen Zeitstrahl ab, der die Daten des „Widerstandskampfs“ gegen Israel | |
markiert, ansprechend aufbereitet und versehen mit Bildern und arabischen | |
Erklärtexten. Auf einem Bildschirm flimmert ein Video aus den 1980er | |
Jahren, das Hisbollah-Kämpfer in Gefechten mit der israelischen Armee | |
zeigt. In einem anderen inszenierten Propagandaclip sieht man hochgerüstete | |
Spezialeinheiten, die durch einen Grenzzaun nach Israel eindringen und dort | |
eine Militärbasis erobern. Es herrscht reger Andrang an diesem Montag | |
wenige Tage vor dem Überfall der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. | |
Oktober. | |
## Steinberg: „Das sektiererische Element ist stark“ | |
Baalbek liegt in der Bekaa-Ebene, unweit der Grenze zu Syrien. Die | |
Hisbollah hat hier eine ihrer Hochburgen. Ihre demografische Basis liegt | |
indes vor allem im Süden des Landes, wo sie bereits 2010 in der Stadt Mlita | |
einen riesigen Komplex samt Propagandaausstellung einweihte, um das | |
zehnjährige Jubiläum des Rückzugs der israelischen Armee aus dem Libanon zu | |
feiern. | |
Wie sich die Ausstellung in Baalbek vom Museum in Mlita unterscheidet, | |
merkt man erst am Ende des Rundgangs. Hat sich die Hisbollah bislang mit | |
ihrer Feindschaft gegen Israel legitimiert, legt sie hier einen weiteren | |
Fokus: auf ihre Teilnahme am Syrienkrieg. Die Hisbollah griff ab 2012 in | |
den Krieg ein, um das Regime von Baschar al-Assad mit Truppen zu | |
unterstützen. Der Diktator hatte im Vorjahr auf Demonstranten schießen | |
lassen und damit einen Bürgerkrieg provoziert. Etwa eine halbe Million | |
Menschen verloren in der Folge ihr Leben. | |
Nach Einschätzung des Nahostforschers Guido Steinberg von der Stiftung | |
Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin ist die Intervention der Hisbollah | |
in Syrien für die Miliz selbst von großer Bedeutung. Hatte sie davor | |
zuletzt im Jahr 2000 im größeren Stil gegen die israelische Armee im | |
Südlibanon gekämpft, konnte sie ab 2012 in Syrien wieder wichtige | |
Kampferfahrung sammeln. „Sie hat dort gelernt, mit Drohnen umzugehen, und | |
hat mit anderen Einheiten im Verband operiert“, sagt Steinberg. So kämpfte | |
die Hisbollah aufseiten der regimetreuen Truppen, anderer schiitischer | |
Milizen und später auch der russischen Luftwaffe gegen die Aufständischen. | |
Auf dem Zeitstrahl im Museum hebt die Hisbollah auch wichtige Kämpfe hervor | |
– etwa [4][die Schlacht um die westsyrische Stadt al-Kusair], an deren | |
Rückeroberung aus Oppositionshand sie im Frühjahr 2013 großen Anteil hatte. | |
Steinberg zufolge war die Bodenunterstützung der Hisbollah und anderer | |
schiitischer Milizen für Assad entscheidend. Es sei unklar, ob es dem | |
Regime sonst gelungen wäre, große Teile des Landes zurückzuerobern. | |
Gerade am Anfang des Syrienkriegs war der Widerstand gegen Assad noch | |
durchmischt: neben eher säkularen Gruppen tummelten sich auch Islamisten | |
unterschiedlicher Couleur. Unabhängig vom Grad der Religiosität hatte der | |
Aufstand gegen Assad seine Basis im sunnitischen Teil der Bevölkerung – ein | |
wichtiger Faktor für die schiitische Hisbollah. „Das sektiererische Element | |
ist ungeheuer stark“, sagt Steinberg. „Die Hisbollah hat immer damit | |
argumentiert, dass sie in Syrien die heiligen Stätten verteidigt.“ Ein | |
sakraler Ort, den die Partei vor Angriffen schützen wollte, ist etwa der | |
Schrein Zainab bint Alis in den südlichen Vororten von Damaskus, wo laut | |
schiitischer Tradition eine Enkelin des islamischen Propheten Mohammed | |
begraben liegt. | |
Die Hisbollah brüstet sich deshalb auch mit ihrem vermeintlichen Sieg über | |
die sunnitischen Dschihadisten des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS). | |
Sie spricht auch von einer „zweiten Befreiung“. Die erste war nach der | |
Lesart der israelische Rückzug aus dem Libanon im Jahr 2000. Ein Plakat | |
außerhalb des Museumsgebäudes zeigt einen Hisbollah-Kämpfer, der mit | |
faschistischem Gruß vor der Hisbollah-Flagge salutiert – vor ihm auf dem | |
Boden liegt eine schwarze IS-Flagge. | |
In Wahrheit aber kämpfte die Hisbollah in Syrien zunächst vor allem in | |
Westsyrien, nahe der libanesischen Grenze, wo der „IS“ weniger präsent war. | |
Erst im späteren Verlauf des Krieges kam es weiter östlich zu Kämpfen mit | |
Dschihadisten des IS. Die Hauptarbeit im Kampf gegen die Terrormiliz | |
verrichteten kurdische Kämpfer, die Unterstützung der US-Luftwaffe bekamen. | |
Geld und Waffen erhält die Hisbollah vor allem aus Iran. Für die Ajatollahs | |
in Teheran war eine Intervention aufseiten des Assad-Regimes von | |
strategischer Bedeutung, konnten sie doch so über den Irak eine Landbrücke | |
bis in den Libanon schlagen. Die Hisbollah deshalb nur als williges | |
Instrument iranischer Außenpolitik zu sehen, sei jedoch verkürzt, meint der | |
Nahostforscher Steinberg. So sei etwa nicht klar, ob die iranischen | |
Revolutionsgarden der Hisbollah die Anweisung gaben, in Syrien zu | |
intervenieren, oder ob es eine gemeinsame Entscheidung war. „Auf jeden Fall | |
hat die Hisbollah durch den Krieg in dem Verhältnis mit den | |
Revolutionsgarden an Bedeutung gewonnen.“ | |
## Eine Seilbahn ist geplant | |
Um das Museum in Baalbek werkeln noch immer Bauarbeiter. Von dem Gebäude | |
führt ein Weg einen steinigen Hügel hinauf. An der Seite stehen oliv-graue | |
Artilleriegeschütze, weiter oben folgen erbeutete israelische Panzer. | |
Um Israel auch aus Syrien unter Druck zu setzen und potentiell eine weitere | |
Front eröffnen zu können, hat die Hisbollah in den vergangenen Jahren immer | |
wieder versucht, Stellungen am syrischen Teil der großteils von Israel | |
besetzten Golanhöhen aufzubauen. Das israelische Militär antwortete mit | |
Luftschlägen gegen Basen der Hisbollah. | |
Erst im Oktober bombardierte Israel zudem die Flughäfen in Damaskus und | |
Aleppo, wohl um iranische Waffenlieferungen in den Libanon zu stoppen. Nach | |
der Hamas-Attacke vom 7. Oktober auf Israel ist auch die Gefahr eines | |
Krieges zwischen der Hisbollah und Israel so groß wie seit Jahren nicht | |
mehr. Viel hängt davon ab, ob die Hisbollah sich weiter zurückhält oder in | |
den kommenden Wochen doch noch voll in den Krieg einsteigt. | |
Der Weg durch den Museumskomplex endet an einem Plateau. Am Geländer wehen | |
gelbe Hisbollah-Fahnen. Die versprenkelten libanesischen Nationalflaggen | |
wirken fehl am Platz, denn der libanesische Staat hat in den von der | |
Hisbollah beherrschten Gebieten nicht viel zu melden. | |
Auf dem Plateau hat die Miliz ihr militärisches Equipment aufgefahren: | |
Militärfahrzeuge und Raketen reihen sich an Boote und Panzer. Es soll ein | |
Zeichen der Stärke sein. Und tatsächlich sagen Analysten, dass das | |
iranische Regime die Hisbollah in den vergangenen Jahren stark hochgerüstet | |
hat. Weit über hunderttausend Raketen dürfte die Hisbollah mittlerweile | |
haben – Waffen, mit denen sie Israel am liebsten von der Landkarte tilgen | |
würde. | |
Von dem Plateau aus schweift der Blick über die Felder der Bekaa-Ebene. | |
Direkt unten am Hügel beginnt Baalbek, in dessen Zentrum gut sichtbar die | |
sechs beigen Säulen des Jupitertempels emporragen. Unten an den | |
Touristenständen vor dem Tempel verkaufen Händler neben den üblichen | |
Souvenirs auch Hisbollah-T-Shirts. Um noch mehr Besucher anzulocken, hat | |
die Partei weitere Pläne: Künftig soll es Besuchern möglich sein, vor der | |
Tempelanlage eine Seilbahn zu besteigen, die sie von den römischen Ruinen | |
direkt hoch zum Dschihad-Museum bringt. | |
21 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Leon Holly | |
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