# taz.de -- Abschiebungen aus dem Libanon: Beirut deportiert, Berlin zahlt | |
> Das libanesische Militär schiebt Geflüchtete nach Syrien ab. Trotzdem | |
> fließen reichlich Hilfsgelder aus Deutschland und der EU in den Libanon. | |
Bild: Syrische Flüchtlinge in der Bekaa-Ebene im Libanon | |
FRANKFURT/M. taz | Das Militär im Libanon bekommt Millionen-Hilfen aus | |
Deutschland und der EU, um die Grenzen des Landes zu schützen. Dabei | |
verletzt es eklatant die Menschenrechte von Geflüchteten. So soll es | |
beispielsweise mit der Armee des Nachbarlands Syrien zusammenarbeiten, um | |
zwangsweise Syrer*innen aus dem Libanon zu deportieren. Das geht aus | |
einem [1][Bericht] der libanesischen NGO Access Center for Human Rights | |
(ACHR) hervor. Die Menschenrechtsorganisation hat 2023 insgesamt 1.080 | |
Fälle von willkürlicher Verhaftung und 763 Fälle von Zwangsabschiebungen | |
nach Syrien dokumentiert. | |
299 Deportierte berichteten von Razzien in ihren Häusern und Verhören, bei | |
denen sie misshandelt, eingeschüchtert und beleidigt worden seien. Das | |
Militär habe die Geflüchteten kollektiv zu Grenzübergängen transportiert | |
und rechtswidrig an syrische Behörden übergeben. In Syrien drohen dem | |
Bericht zufolge Verhaftungen oder willkürliche Gerichtsprozesse, auch vor | |
Militärgerichten. | |
Deserteure, Wehrpflichtverweigerer, Aktivist*innen oder andere | |
Personen, die als Oppositionelle eingestuft werden, würden in die Armee | |
einberufen, ins Gefängnis gesteckt, mit Eisenketten gefesselt oder | |
gefoltert. Einige Deportierte wollten dem Bericht zufolge zurück in den | |
Libanon und hätten dafür auch Schmuggler bezahlt. Zeug*innen sagten ACHR, | |
Schmuggler würden sich mit der libanesischen Armee absprechen. Sie | |
berichteten von Schmiergeldzahlungen an Soldat*innen. | |
Im Libanon erfahren die syrischen Geflüchteten Rassismus und | |
Diskriminierung durch das Militär und die Behörden. Politiker hetzen gegen | |
die rund 1,5 Millionen Syrer*innen als [2][Sündenböcke für die | |
Wirtschaftskrise] im Land. In der Bekaa-Ebene hat das libanesische Militär | |
laut Hilfsorganisationen Zelte von Geflüchteten, Internet-Router oder | |
Solarpanele zerstört. | |
Ein Syrer berichtete gegenüber der taz, Sicherheitsbehörden hätten sein | |
Motorrad auf einer Straße in Beirut willkürlich beschlagnahmt. Mit | |
großangelegten Razzien lässt Innenminister Bassam Mawlawi Syrer*innen | |
auf der Straße verhaften, wenn sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben. | |
Geld aus Deutschland | |
Trotz der Menschenrechtsverletzungen bekommt die libanesische Regierung, | |
auch das Militär direkt, weiter Hilfsgelder. „Geberländer sollten | |
sicherstellen, dass die Unterstützung der libanesischen Regierung nicht zu | |
Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die libanesische Armee beiträgt“, | |
empfiehlt ACHR. Geberländer sollten Druck auf die libanesische Regierung | |
ausüben – vor allem bei Geldern, die keine humanitären Hilfen sind, und | |
direkt an die Regierung und insbesondere das Verteidigungsministerium | |
gehen. | |
Die deutsche Bundesregierung hat dem Libanon seit 2012 insgesamt rund 1 | |
Milliarde Euro für humanitäre Hilfe gezahlt. 2023 waren es mehr als 108 | |
Millionen Euro. Hinzu kamen im vergangenen Jahr nach Angaben des | |
Verteidigungsministeriums in Berlin rund 6 Millionen Euro speziell für die | |
libanesischen Streitkräfte. Damit konnte die Marine beispielsweise Boote | |
und Radarstationen instand halten, für den Schutz der territorialen | |
Gewässer. | |
Dieses Jahr soll die libanesische Armee 15 Millionen Euro aus Deutschland | |
bekommen, um an der Grenze zu Israel für Sicherheit zu sorgen. Ob die | |
Gelder an Forderungen gegenüber dem Militär geknüpft sind, beispielsweise | |
die Menschenrechte von Syrer*innen zu wahren, beantwortet das | |
Verteidigungsministerium nicht. Eine Sprecherin verweist auf die | |
Vertraulichkeit der Vereinbarungen. | |
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es lediglich: „Die Bundesregierung hat bei | |
regelmäßigen Gesprächen mit der libanesischen Regierung vielfach ihre Sorge | |
über die im Frühling 2023 erfolgten erzwungenen Rückführungen zum Ausdruck | |
gebracht und gefordert, dass die Rückführungen gestoppt werden und der | |
Schutz der Flüchtlinge gewährleistet wird.“ Die Bundesregierung sehe die | |
Bedingungen für eine sichere Rückkehr nach Syrien „weiterhin nicht | |
gegeben.“ | |
ACHR fordert Überwachung von Gefängnispersonal | |
Auch von der EU fließt Geld ans libanesische Militär – dieses Jahr 7 | |
Millionen Euro für den Grenzschutz, den die EU „oberste Priorität“ nennt. | |
Sicherheitsbehörden, Zoll und Militär, bekommen finanzielle und technische | |
Hilfe, um illegalisierte Migration, Terroristen, Drogen und Waffenhandel zu | |
stoppen. Einzelheiten würden noch besprochen. | |
„Das Projekt hat eine starke Menschenrechtskomponente“, sagt eine | |
Sprecherin der EU im Libanon. Diese werde durch Schulungen zum Völkerrecht, | |
regelmäßige Dialoge zwischen den Sicherheitsbehörden, dem Zoll, der | |
Zivilgesellschaft und der Wirtschaft umgesetzt. Zudem sei die | |
Rechenschaftspflicht verbessert worden, durch Zugang zu Informationen und | |
Diskussionen. „Vorwürfe über Verstöße gegen internationale und nationale | |
Verpflichtungen werden im politischen Dialog mit der libanesischen | |
Regierung weiterverfolgt.“ | |
ACHR fordert weiteres Training des Militärs zur angemessenen Behandlung von | |
Gefangenen sowie moderne Technik in Haftanstalten, um das Personal zu | |
überwachen und Folter zu verhindern. Die Organisation schlägt auch vor, | |
dass Geberländer ihre eigenen Aufnahmeraten erhöhen könnten, um | |
Syrer*innen Schutz zu bieten, die im Libanon, in der Türkei oder | |
Jordanien Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. | |
13 Mar 2024 | |
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[2] /Rassismus-im-Libanon/!5932410 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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