# taz.de -- Grüne vor der Europawahl: Gerangel um die besten Plätze | |
> Die aktuellen Umfragen der Grünen versprechen der Partei nichts Gutes für | |
> die Europawahl. Daher ist die Konkurrenz um die sicheren Listenplätze | |
> groß. | |
Bild: Ist als Einzige gesetzt: Terry Reintke wird auf Platz eins der grünen Eu… | |
BERLIN taz | [1][Anna Peters] will es versuchen – und sie ist ziemlich | |
zuversichtlich. Die ehemalige Bundessprecherin der Grünen Jugend will im | |
kommenden Jahr für die Grünen ins Europaparlament einziehen. Aber weil sie | |
wahrlich nicht die Einzige ist, gibt es derzeit ein ziemliches Gerangel um | |
die Listenplätze, die beim Parteitag in drei Wochen in Karlsruhe vergeben | |
werden. | |
2019 holten die Grünen bei der Europawahl [2][ein Traumergebnis]: 20,5 | |
Prozent, der höchste Wert, den sie bei einer bundesweiten Wahl bekommen | |
haben. 21 grüne Abgeordnete aus Deutschland zogen ins Europaparlament ein. | |
Von diesen wollen nun 19 wieder antreten. Nur Ex-Spitzenkandidatin Ska | |
Keller hat angekündigt, [3][sich verändern zu wollen], das Amt als | |
Fraktionschefin hat sie schon im vergangenen Jahr abgegeben. Und Reinhard | |
Bütikofer, ehemaliger Parteichef und das, was man gerne grünes Urgestein | |
nennt, wird aus Altersgründen nicht noch einmal kandidieren. Das macht zwar | |
Spitzenplätze frei, doch allen ist klar: Die Lage ist nicht so rosig wie | |
2019. | |
Die Grünen haben bei den Landtagswahlen [4][in Bayern und Hessen deutlich | |
verloren], in der Bundesregierung stehen sie unter Druck, in bundesweiten | |
Umfragen liegen sie bei um die 15 Prozent. Bei der Europawahl im Mai 2024 | |
würde das 15 Abgeordnete bedeuten – also sechs weniger als derzeit. | |
## Ab Platz 2 beginnt das Gedränge | |
Anna Peters ist eine der wenigen, von denen es parteiintern heißt, sie | |
könnte es als Newcomerin schaffen. Peters ist 27, Ökonomin mit Schwerpunkt | |
geschlechtergerechte Finanzpolitik. „Als ehemalige Bundessprecherin der | |
Grünen Jugend weiß ich sie hinter mir und mit einer Nominierung vom | |
Landesverband Baden-Württemberg sind die Chancen auf einen aussichtsreichen | |
Listenplatz gut“, sagt Peters. Ansonsten wird das Rennen vor allem unter | |
denen ausgemacht, die bereits im Europaparlament sitzen. | |
Als sicher gilt nur: [5][Terry Reintke], 36, Parteilinke aus Gelsenkirchen, | |
kandidiert konkurrenzlos auf Platz eins und soll Spitzenkandidatin werden. | |
Reintke hat bereits im vergangenen Jahr den Fraktionsvorsitz von Ska Keller | |
übernommen. Sie steht für feministische Sozialpolitik und proeuropäisches | |
Engagement. Die größte mediale Aufmerksamkeit aber hat ihr das Engagement | |
in der #MeToo-Debatte beschert: [6][Das Time Magazine hat sie als „Person | |
of the Year“ ausgezeichnet], weil sie das Thema nach Brüssel gebracht hat. | |
Reintke könnte auch Spitzenkandidatin der europäischen Grünen werden, das | |
aber wird erst 2024 entschieden. | |
Ab Platz zwei geht das Gedränge los. [7][Sergey Lagodinsky] macht keinen | |
Hehl daraus, dass er diesen Listenplatz will. „Mein Angebot für die | |
Kandidatur auf Platz zwei steht“, sagt der Außenpolitiker der taz. „Ich | |
freue mich auf eine demokratische Entscheidung des Parteitags.“ Eine | |
Gegenkandidatur wird von Energie- und Klimapolitiker Michael Bloss | |
erwartet, der auf Nachfrage nur sagt: „Es ist ja nichts Schlimmes, wenn es | |
zwei Kandidaten mit unterschiedlichen Profilen gibt.“ | |
Die haben Lagodinsky und Bloss auf jeden Fall: Bloss, Parteilinker aus | |
Baden-Württemberg, steht für das grüne Kernthema, Lagodinsky, dem Berliner | |
Realo mit russisch-jüdischer Herkunft, könnte die augenblickliche Weltlage | |
in die Hände spielen. | |
## „Niemand kratzt sich die Augen aus“ | |
Auf Platz drei, wieder ein Frauenplatz, wird es wohl einen Zweikampf geben | |
zwischen der Berliner Realo-Außenpolitikerin Hannah Neumann und der | |
Parteilinken Anna Cavazzini aus Sachsen, die Vorsitzende des Ausschusses | |
für Binnenmarkt und Verbraucherschutz ist. Parteiintern werden den jeweils | |
Unterlegenen auf Platz zwei und drei sehr gute Chancen auf vier und fünf | |
eingeräumt. | |
Ab dann wird es eng. So sehen das auch die, die gern einen der folgenden | |
Listenplätze hätten. „Ich gehe davon aus, dass es auch schon unter den | |
ersten zehn, zwölf Plätzen einen regen Wettbewerb gibt“, sagt etwa Daniel | |
Freund, Realo aus Aachen. Er setzt auf die Bedeutung seiner Themen, | |
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa – und auf die Nominierung vom | |
Landesverband NRW. Einer seiner Konkurrenten könnte Rasmus Andresen werden, | |
Parteilinker aus Schleswig-Holstein und bisher Sprecher der deutschen | |
grünen Gruppe. „Wir haben viele starke Kandidierende und die Konkurrenz ist | |
groß“, sagt Andresen. | |
Für die sicheren Plätze werden auch unter anderem die Klimaexpertin Jutta | |
Paulus und die Sozial- und Inklusionspolitikerin Katrin Langensiepen | |
gehandelt sowie Landwirtschaftspolitiker Martin Häusling und | |
Flüchtlingsexperte Erik Marquardt. | |
„Hier kratzt sich aber niemand die Augen aus“, sagt Andresen. Es werde | |
gerade „auf vielen Ebenen miteinander Kaffee getrunken“. Soll heißen: Man | |
versucht, sich irgendwie zu einigen. Mit der Bundesspitze, unter den | |
Landesvorsitzenden, zwischen den Flügeln. Und natürlich auch zwischen den | |
Abgeordneten selbst. Trotzdem gehen alle davon aus, dass es ab Listenplatz | |
zwei fast immer mindestens zwei Kandidaturen geben wird. 40 Listenplätze | |
sollen besetzt werden. Das kann also dauern, beim grünen Parteitag in | |
Karlsruhe. | |
6 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Parteijugend-ueber-Koalitionen/!5802613 | |
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[3] /Ruecktritt-von-Ska-Keller/!5881891 | |
[4] /Landtagswahlen-in-Hessen-und-Bayern/!5964426 | |
[5] /Terry-Reintke/!a42165/ | |
[6] https://time.com/time-person-of-the-year-2017-silence-breakers/ | |
[7] /Sergey-Lagodinsky-ueber-Russland/!5779578 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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