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# taz.de -- Glyphosat-Debatte in Frankreich: Entschädigung für Missbildungen
> Ein Entschädigungsfonds führt Missbildungen eines 17-jährigen Franzosen
> auf das Pestizid zurück. Trägt Paris trotzdem eine weitere EU-Zulassung
> mit?
Bild: Protest gegen die Zulassung von Glyphosat in der EU in Angers, Frankreich…
Paris taz | Der heute fast 17-jährige Théo Grataloup ist mit Missbildungen
der Luft- und der Speiseröhre sowie des Rachens auf die Welt gekommen.
Diese sind nach Ansicht der Expertenkommission des französischen Fonds zur
Entschädigung von Pestizidopfern auf den [1][Einsatz von Glyphosat als
Unkrautvernichtungsmittel] zurückzuführen. Erstmals wurde damit in
Frankreich ein kausaler Zusammenhang zwischen Glyphosat und schweren
gesundheitlichen Folgen sowie ein Opfer offiziell anerkannt.
Der Fall beeinflusst die [2][Diskussion der EU über eine neue Zulassung
dieses umstrittenen Herbizids] – und möglicherweise das Verhalten
Frankreichs bei der für Donnerstag geplanten Abstimmung der Mitgliedstaaten
über den Wirkstoff.
Grataloup jedenfalls hofft, dass sein persönlicher Erfolg im Kampf um
Entschädigung Schule macht. Dem Fernsehsender BFM in Lyon sagte er: „Es
gibt enorm viele Personen in derselben Lage wie ich. Ich hoffe, dass dies
(die Anerkennung als Glyphosat-Opfer – die Red.) ihnen helfen kann.“ Gesund
macht ihn das nicht. Trotz insgesamt 54 chirurgischen Eingriffen kann der
junge Mann nur dank eines Luftröhrenschnitts und einer Kanüle in der
Luftröhre atmen und hat Mühe beim Reden. Ihm sind als Entschädigung 1.000
Euro pro Monat zugesprochen worden. Diese werden ihm von der
Sozialversicherung der Landwirte, der Mutualité sociale agricole,
ausbezahlt.
Vor allem aber möchte Théo, dass niemals mehr ein anderes Kind wegen
solcher im Garten oder in der Landwirtschaft eingesetzten Herbizide mit
Missbildungen geboren oder später krank wird. Er hat deswegen dem
französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron geschrieben und ihn
aufgefordert, in der EU gegen jegliche Verlängerung der Glyphosat-Zulassung
zu stimmen. Zuletzt hatte sich Frankreich der Stimme enthalten, dann aber
unter dem Druck der Landwirtschaftslobby in Erwägung gezogen, eine
Erlaubnis für 7 statt wie von der EU-Kommission geplant 10 Jahre
mitzutragen.
## Klage gegen Monsanto
Erleichtert ist dennoch auch Théos Mutter Sabine Grataloup. Sie hatte vor
17 Jahren neben ihrem Reitstall ein Grundstück mit dem Produkt Glypher
besprüht, einem Herbizid, das heute vom Bayer-Monsanto-Konzern produziert
wird. Sie wusste nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt schwanger war, und
führte später die bei der Geburt konstatierten Missbildungen „in utero“
ihres Sohns schnell auf diese Verwendung des Unkrautvernichtungsmittels
zurück.
2017 hat sie gegen Monsanto geklagt, als sie erfuhr, dass [3][in den USA
mehrere Personen und Familien wegen Krebsleiden und wegen pränataler
Missbildungen, für die sie Glyphosat verantwortlich machen, Klage
eingereicht hatten]. Entscheidend war für sie auch die Publikation der
„Monsanto-Papers“ im selben Jahr im Kontext der gerichtlichen Verfahren in
den USA, erklärt ihr Anwalt William Bourdon in Le Monde. Darin sei nämlich
enthüllt geworden, dass man sich bei Monsanto (heute Teil des
Bayer-Konzerns) schon lange vor dem Fall Théo Sorgen wegen möglicher
Probleme durch Glyphosatkontakt während Schwangerschaften gemacht hatte.
Bayer wies die Vorwürfe zurück. „Der Wirkstoff kann sicher verwendet werden
und ist nicht krebserregend. Das bestätigen sämtliche Regulierungsbehörden,
ganz aktuell auch die der EU“, schrieb ein Konzernsprecher der taz. „Was
die Entschädigung der Familie durch den Fonds in Frankreich betrifft: Auch
da wird kein Kausalzusammenhang bestätigt, Glyphosat noch nicht einmal
erwähnt. Wir werden die Sicherheit von Glyphosat auch vor Gericht
verteidigen.“
14 Nov 2023
## LINKS
[1] /Pestizide-in-der-Landwirtschaft/!5962471
[2] /EU-Abstimmung-ueber-das-Pestizid-Glyphosat/!5963397
[3] /Glyphosat-Streit-in-den-USA/!5862818
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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