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# taz.de -- Nürnberg digitalisiert Wohngeldanträge: Wo der Woggybot schuftet
> Ein Roboter übernimmt Behördenaufgaben, die selbst den feurigsten
> Sachbearbeiter*innen keinen Spaß machen. Das spart nicht nur ein
> paar Minuten.
Bild: Ein Preis für digitales Wohngeldverfahren: Nürnberg
Zuerst denkste: Das darf ja wohl nicht wahr sein. Ausgerechnet Nürnberg hat
einen Preis für sein innovatives [1][Wohngeldantragsbearbeitungsverfahren
bekommen]. Dabei gehört die Stadt in Franken landauf, landab zu den
Beispielen, wenn es darum geht, zu zeigen: [2][Das dauert zu lang]. Sechs
Monate bis zum Bescheid scheinen dort eher die Regel als die Ausnahme zu
sein.
Das bestätigt auch Alissia Müller, die fürs lokale Obdachlosenmagazin
Straßenkreuzer [3][zum Thema recherchiert]. Im Frühjahr hatte sie eine Frau
beim Wiederbewilligungsantrag unter den neuen Wohngeld-Plus-Bedingungen
begleitet. Sprich: bei einem Antrag, bei dem im Grunde schon alles klar und
die erneute Zustimmung kaum mehr als eine Formsache ist. Jetzt, nach einem
halben Jahr, liege immerhin der Positivbescheid ihrer Informantin vor, so
Müller zur taz. „Aber da steht noch nicht drin, wann das Geld endlich
überwiesen wird.“ Und von Rückfragen werde gebeten abzusehen.
Weia. Und dafür bekommt diese Stadtverwaltung jetzt auch noch eine
Auszeichnung?! Es klingt fast zynisch, und lokale Medien von Nürnberger
Nachrichten bis Franken TV. scheinen die Erfolgsmeldung vorsichtshalber gar
nicht aufgegriffen zu haben. Dabei war der Digital-Award ja im Rahmen der
„Kommunale 2023“ verliehen worden, also der Fachmesse für die
Selbstverwaltung von Städten und Gemeinden, die, Sie ahnen es, in Nürnberg
stattfand.
Und Nürnberg hat den ersten Preis in der Kategorie „Städte ab 20.000
Einwohner*innen“ auch wirklich verdient. Statt freie
Digitalisierungsgelder in prestigeträchtige Spielereien zu stecken, hat man
Woggybot entwickelt, also einen Roboter fürs Wohngeldverfahren. Den hat vor
exakt einem Jahr ein Team aus Sozialamt, IT-Abteilung und dem Amt für
Digitalisierung programmiert und trainiert. Seit Jahresbeginn ist er
regulär in Betrieb.
## Sachbearbeiter ohne Gesicht
Man dürfe beim Wort Roboter nicht an einen Humanoiden denken, [4][warnt ein
Sprecher des Amts vor SciFi-Vorstellungen]. Auch könne das Programm weder
dringliche Wohngeldfälle priorisieren noch den gesamten Antrag erledigen.
„Ich würde das nicht mal als KI bezeichnen“, so der Sprecher. Genau
genommen geht es darum, dass der Bot den Antrag mit dem Melderegister
abgleicht und die Daten von Formular und Register in einer Stammakte
zusammenführt.
Das sind zeitfressende Routineaufgaben, die auch den feurigsten
Sachbearbeiter*innen keinen Spaß machen. Auf „zwischen sechs und acht
Minuten“ könne die Zeitersparnis durch diesen Automatisierungsschritt
beziffert werden. Was für andere Verwaltungen, die mit demselben Problem zu
kämpfen haben, eine wichtige Info ist. Denn sechs Minuten, das klingt
wenig. Ist es aber nicht: Den sechs Monaten durchschnittlicher
Bearbeitungsdauer entsprechen ja auch nur rund 90 Minuten reiner
Bearbeitungszeit. Aufs Jahr hochgerechnet bedeutet das mindestens 2.500
Stunden Entlastung für die Leute vom Amt.
Den Mehraufwand, den die Einführung von „Wohngeld Plus“ zum 1. Januar
bedeutet, kompensiert das freilich nicht. Mit 50.000 Anträgen kalkuliert
Nürnberg 2023. Das entspricht rund 17,4 Prozent der Haushalte. Bewilligt
werden dürfte davon fast die Hälfte. Das Aufkommen hat sich also mehr als
verdreifacht, ohne dass dreimal so viel Personal da wäre. Den Wartenden
bleibt als schwacher Trost, dass der kleine Minsky Woggybot ihr Freund ist:
Er kann helfen.
8 Nov 2023
## LINKS
[1] https://kommunale.de/de/digital-events/digital-award
[2] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/wohngeld-probleme-antraege-behoerd…
[3] https://www.strassenkreuzer.info/
[4] https://www.youtube.com/watch?v=pW0vJLI4DhM
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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