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# taz.de -- Nicht-binäre Person über Diskriminierung: „Den Leidensdruck neh…
> Robin Nobicht ist nicht-binär und musste für eine geschlechtsangleichende
> OP zahlen. Bei binären trans Personen zahlen dagegen die Kassen. Jetzt
> klagt Nobicht.
Bild: Das Trans-Symbol kann nicht-binäre Geschlechtsidentität einschließen. …
taz: Robin Nobicht, Sie [1][klagen vor dem Bundessozialgericht] für die
Übernahme Ihrer Mastektomie, also die Abnahme der Brust, als nicht-binäre
Person. Warum?
Robin Nobicht: Das war für mich keine richtig aktive Entscheidung. Es fing
damit an, dass ich bei meiner Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme
gestellt hatte, der dann abgelehnt wurde. Es war ein Gefühl, dass das nicht
richtig war, was die Kasse gemacht hat. Ich wollte mich wehren, aber ich
hatte auch das Gefühl, ich musste mich wehren. Die Gespräche, die ich mit
der Gutachterin vom medizinischen Dienst hatte, waren sehr verletzend – sie
war nicht empathisch oder informiert. Ich hätte sonst nicht weitermachen
können.
Bislang ging das Verfahren schon durch mehrere Instanzen – das
Sozialgericht Mannheim gab Ihnen recht, das Landessozialgericht Stuttgart
nicht.
Ich dachte eigentlich, das ist eine recht simple Sache, dass nach der
[2][S3-Leitlinie] der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen
Medizinischen Fachgesellschaften gehandelt werden muss. Also, dass trans
Personen durch geschlechtsangleichende Maßnahmen der Leidensdruck genommen
werden soll, ganz unabhängig von der Geschlechtsidentität. Das gilt für
nicht-binäre Personen genauso wie für binäre Personen, wie auch das
Sozialgericht Mannheim geurteilt hat.
Mit welcher Begründung wurde Ihre Klage in Stuttgart abgelehnt?
Es wurde argumentiert, dass OPs zur Veruneindeutigkeit verboten sind. Das
ist aber eine sehr binäre Sichtweise aus 2010, die vor allem seit der
[3][Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht zur dritten Option] völlig
überholt ist. Leider hat sich das Landesgericht von der panikmachenden
Stimmung der Krankenkasse leiten lassen, dass mit meiner Klage
nicht-binären Personen Anspruch auf alle möglichen OPs geöffnet werden
könnte. Dabei geht es hier schlicht um eine OP, die bei anderen trans
Personen selbstverständlich bezahlt wird.
Sie sind nicht die einzige nicht-binäre Person, die vor Gericht klagt. Sind
Sie mit anderen Klagenden in Kontakt?
Jetzt vor der Klage beim Bundessozialgericht schon. Es ist wichtig, zu
wissen, dass ich nicht allein dastehe. Dieses Urteil wird richtungsweisend
sein für alle anderen nicht-binären Personen, deren Krankenkassen ihnen
diese OP zur Zeit verwehren. Im Moment sind Sammelklagen bei
Diskriminierung leider nicht möglich.
Warum nicht?
Es wird als individuelles Problem betrachtet, aber dadurch fällt die
emotionale und finanzielle Last auf einzelne Personen, die ohnehin schon
direkt durch die Diskriminierung zusätzlicher Belastung ausgesetzt sind.
Wir tun uns über die TIN-Rechtshilfe (TIN steht für trans, inter,
nicht-binär, Anm. d. Red.) zusammen, es läuft über ein kleines Netzwerk von
Anwält_innen, die gut vernetzt sind. Dazu gehören meine Anwält_innen
Friederike Boll und Katrin Niedenthal. Wenn Verbände Klagen führen könnten,
dann wäre es für die Betroffenen eine deutlich geringe Belastung.
Was erhoffen Sie sich von dem Urteil?
Das Mindeste, was ich mir erhoffe, ist, dass nicht-binäre Personen einen
Anspruch auf Mastektomie haben. Richtig wäre, dass andere Maßnahmen wie
Hormonbehandlungen ebenfalls berücksichtigt werden. Was wir uns absolut
erhoffen, ist ein richtungsweisendes Urteil, sodass medizinische Gutachten
bei den Krankenkassen sich an den Wissensstandard halten müssen. Als ich
den Antrag gestellt hatte, hat die Person nach einer Richtlinie von 2009
entschieden. Da gab es den dritten Geschlechtseintrag noch nicht mal.
Um wie viel Geld geht es vor Gericht?
Meine Mastektomie kostete circa 5.000 Euro. Allerdings bin ich schneller
nach der OP nach Hause, um die Kosten möglichst gering zu halten. Ich war
nur zwei Nächte in der Klinik. Die meisten Menschen bleiben nach einer
Mastektomie drei bis fünf Tage. Der Heilungsweg zu Hause war sehr
belastend. So eine OP ist anstrengend, bauchmuskeltechnisch war alles
durch. Mein Partner war da und ist mehrmals in der Nacht mit mir
aufgestanden. Sonst hätte ich Krankenpfleger_innen bezahlen müssen. Selbst
wenn ich das Geld wiederkriege, ändert das nichts an der Sache, dass ich
nicht die richtige Verpflegung hatte. Das lässt sich nicht ändern, nicht
berichtigen.
Was tun Sie, wenn die Krankenkasse vor Gericht Recht bekommt?
Im Moment versuche ich, mich damit nicht auseinanderzusetzen. Für meine
eigene Gesundheit kann ich das nicht. Ich hatte die OP schon, direkte
körperliche Auswirkung hat das nicht, aber ich finde es schrecklich, mir
das ausmalen zu müssen. Es ist eine mangelnde Wertschätzung. Aber
notgedrungen werden wir uns in dem Fall wohl an das
Bundesverfassungsgericht wenden müssen.
18 Oct 2023
## LINKS
[1] https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Terminvorschauen/2023/2023_…
[2] https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/138-001
[3] /Gerichtsbeschluss-zum-dritten-Geschlecht/!5458878
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
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