# taz.de -- Parlamentswahlen in Luxemburg: „Gambia“-Koalition abgewählt | |
> Nach zwei linksliberalen Koalitionen schwenken die Luxemburger Wähler | |
> nach rechts. Die Grünen verlieren stark, die populistische ADR legt zu. | |
Bild: Koaliert die Partei des bisherigen Premierministers Xavier Bettel (DP) mi… | |
AMSTERDAM taz | Luxemburg steht vor einem Regierungswechsel. Nach den | |
[1][Parlamentswahlen vom Sonntag] verfügt die bisherige | |
Mitte-links-Koalition aus Liberalen, Sozialdemokrat*innen und Grünen | |
über keine Mehrheit in der 60-köpfigen chamber mehr. Zwar konnten die | |
liberale Demokratesch Partei (DP) von Premier Xavier Bettel und die | |
Lëtzebuerger Sozialistesch Aarbechterpartei (LSAP) ihre Stimmenanteile | |
leicht steigern und liegen nun bei je knapp 18 Prozent. Entscheidend | |
eingebüßt aber hat die Koalition durch die Verluste der Grünen, die vor | |
fünf Jahren noch Wahlgewinner waren. | |
Déi gréng (Die Grünen) verloren über 6 Prozentpunkte und holten mit gut 8,5 | |
Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1989. Der Absturz ist umso | |
auffallender, als es bei den übrigen Parteien kaum große Schwankungen gab. | |
Große Wahlsiegerin ist die Chrëschtlech-Sozial Vollekspartei (CSV), die | |
knapp einen Prozentpunkt zulegte und gut 29 Prozent der Stimmen bekam. | |
Spitzenkandidat Luc Frieden, der zwischen 1998 und 2013 mehrere | |
Ministerämter innehatte, sagte am Wahlabend: „Der Wähler hat der CSV einen | |
klaren Auftrag gegeben, die Regierung zu bilden.“ Man wolle nun | |
respektvolle Gespräche führen, um eine starke Mehrheit zu erreichen. Vor | |
euphorischen Anhänger*innen verkündete Frieden: „Blau-Rot-Grün gibt es | |
nicht mehr.“ | |
Das Ende der wegen der Farbkonstellation genannte „Gambia“-Koalition ist | |
nach zehn Jahren und zwei Legislaturperioden besiegelt. Sie hinterlässt | |
große linksliberale Reformprojekte wie ein öffentliches Verkehrssystem, | |
[2][das seit 2019 kostenlos ist], und die weitgehende [3][Legalisierung von | |
Cannabis]. Nicht lösen konnte sie den drastischen Wohnraummangel | |
Luxemburgs, der zum dringlichsten Wahlkampfthema erklärt worden war. | |
Daneben stehen im Land mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen auch | |
soziale Probleme wie Jugendarbeitslosigkeit und ein Armutsrisiko unter | |
jungen Erwachsenen, das über dem EU-Schnitt liegt. | |
## „Katastrophales“ Ergebnis für die Progressiven im Land | |
Nicht profitieren konnte von dieser Situation die Linkspartei. Déi Lénk | |
verlor anderthalb Prozentpunkte und erreichte nur 3,9 Prozent der Stimmen, | |
konnte aber mit Mühe ihre zwei Parlamentssitze halten. Mit 21 belegt die | |
CSV künftig mehr als ein Drittel davon. Wahrscheinlichster | |
Koalitionspartner ist die DP mit 14 Sitzen, die LASP bekommt 11. | |
„Für den progressiven Teil dieses Landes bleiben die Ergebnisse eine | |
Katastrophe“, bilanzierte das luxemburgische Tageblatt am späten | |
Sonntagabend. Entscheidend zu dieser Analyse trug auch der Anstieg der | |
Rechtspopulisten bei: Die Alternativ Demokratesch Reformpartei (ADR) konnte | |
wie 2018 rund ein Prozentpunkt hinzugewinnen, liegt nun bei knapp 9,3 | |
Prozent und stellt mit fünf Sitzen mehr Abgeordnete als die Grünen (vier). | |
Im Wahlkampf hatte die ADR sich mit einem Fokus auf soziale Themen gezeigt. | |
Laut ihrem Programm will sie „nicht zugucken, wie immer mehr Luxemburger | |
durch die hohen Preise ins Ausland ziehen müssen“. Ansonsten setzt sie auf | |
„Familie, Sprache, Kultur und Naturschutz“. Die bisherige Umweltministerin | |
Joëlle Welfring (Grüne) kommentierte: „Dieser Rechtsruck zeigt, dass wir | |
keine Insel sind.“ Für den Absturz ihrer Partei hatte Welfring am Abend | |
nach der Wahl keine Erklärung. | |
## Klima stand nicht im Mittelpunkt des Wahlkampfs | |
Auffällig ist tatsächlich, dass nach einem Sommer mit ständigen | |
Wetterextremen, während in den Nachbarländern Deutschland und Frankreich | |
die Letzte Generation und Les Soulèvements de la terre für Diskussionen | |
sorgen und in den nahen Niederlanden Extinction Rebellion täglich die | |
Autobahn blockiert, gerade Déi gréng derartig abgestraft wurden. Eine | |
Erklärung ist womöglich, dass Klima und Nachhaltigkeit schon im Wahlkampf | |
eine auffällig untergeordnete Rolle spielten. Das Ergebnis lässt sich aber | |
auch als Anzeichen eines europäischen Trends sehen, bei der Klimapolitik | |
eine „Pause“ einzulegen, wie es auch in den Nachbarländern Frankreich und | |
Belgien gefordert wird. | |
Entsprechend konsterniert war nach dem Auszählen aller Stimmen der | |
bisherige Mobilitätsminister und Vizepremier François Bausch. | |
Selbstkritisch bemerkte er, die Grünen müssten „besser vermitteln, dass | |
Klimaschutz wirklich nötig ist“. Zugleich warnte Bausch vor einer kommenden | |
konservativ-liberalen Koalition. „Das ist nicht gut für das Land – ich bin | |
überzeugt, dass das ein Programm wird, das antiökologisch und antisozial | |
wird.“ | |
9 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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