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# taz.de -- Umweltbelastung durch Streaming: Das schwarze Loch
> Ein Besuch der weltgrößten TV- und Streaming-Messe Mipcomin Cannes wirft
> die Frage auf: Was kostet Streaming eigentlich die Umwelt?
Bild: Das Festival-Zentrum der Mipcom in Cannes
Das Internet ist inzwischen einer der wichtigsten Ausspielwege für
Medieninhalte. Das wird aktuell auch auf der weltgrößten TV- und
Streamingmesse [1][Mipcom in Cannes] deutlich. Innerhalb der letzten zwei
Jahre beispielsweise sind Tausende von Fast-Channels entstanden – das sind
kostenlose, werbefinanzierte Fernsehsender, die über Streaming verbreitet
werden. [2][Und gestreamt wird sowieso mehr als je zuvor.]
Zhonghuai Sun, Geschäftsführer einer der größten Videoplattformen der Welt
– [3][Tencent aus China] -, verkündete an der Côte d’Azur stolz, dass üb…
440 Millionen Nutzerinnen und Nutzer monatlich allein über mobile Endgeräte
die Bewegtbildinhalte seines Angebots abrufen. In Deutschland indessen
schauen 73 Millionen Menschen täglich über eine Stunde Filme oder Videos im
Netz, so eine Untersuchung von ARD und ZDF.
Aber welche Emissionen werden dadurch verursacht? Glaubt man den großen
Streamern oder Telkos, ist der Kohlendioxidausstoß gering. Genaue, aktuelle
Zahlen liegen aber kaum vor. Und die, die es gibt, kommen zu deutlich
unterschiedlichen Ergebnissen: Die Bandbreite liegt zwischen 36 und 440
Gramm CO₂ pro Stunde Online-Videokonsum.
Erst letzte Woche hat ein holländischer Doktorrand verkündet, dass
zukünftig nur allein die KI von Google so viel Strom verbrauchen könnte wie
ein Land in der Größe Irlands oder der Niederlande.
Eine Untersuchung der englischen Organisation Carbon Trust, die unter
anderem von Netflix finanziert wurde, kam jedenfalls vor über zwei Jahren
zu dem positiven Ergebnis, dass 60 Minuten Streaming in Europa ungefähr nur
55 Gramm Kohlenstoffdioxid verursachen – so viel wie dreimal in der Stunde
einen Wasserkocher benutzen. Das ist seitdem so eine Art Benchmark.
Aber schon die Auswahl der Parameter, mit denen solche Daten berechnet
werden, ist kompliziert und nicht einheitlich. Selbst wenn übergreifend
gilt, dass Rechenzentren, Edge-Server, der Übermittlungsweg, die Router zu
Hause, die Peripherie der Endgeräte und die Endgeräte selbst betrachtet
werden müssen, gibt es noch viele weitere Details, die eine Rolle spielen.
Bei der Carbon Trust Studie etwa seien die in Rechenzentren eingesetzten
Kältemittel in dieser Berechnung nicht berücksichtigt worden. Das bemängelt
beispielsweise die Initiatorin des Green Film Shooting Projekts, Birgit
Heidsiek. Zum Energiebedarf für die Kühlung, der in Rechenzentren zwischen
35 und 50 Prozent liegt, kämen noch klimaschädliche Kältemittel hinzu, die
durch Wartung oder Leckagen aus den Klimaanlagen austreten.
Mit rund sechs Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Emissionen hinterlassen
die 50.000 Rechenzentren in Deutschland einen doppelt so hohen Fußabdruck
wie der innerdeutsche Flugverkehr. In Frankfurt verbrauchten die dort
ansässigen Datencenter rund ein Fünftel des gesamten Stroms der Stadt und
produzierten so viel Wärme, dass sich theoretisch sämtliche Wohnungen und
Büros der Stadt Frankfurt damit beheizen ließen.
Die verschiedenen Studien, Untersuchungen sowie Berechnungen mögen für sich
genommen plausibel sein, aber eine Übersicht zu den verschiedenen
Anwendungsfällen fehlt. „Es ist beispielsweise etwas völlig anderes, wenn
ich ein Video bei Netflix streame oder ich ein Video aufnehme und es in
sozialen Netzwerken hochlade und dann teile“, so Christian Herglotz vom
Department Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik an der
Friedrich-Alexander Universität in Erlangen. Bei Ersterem werde der
Großteil der Energie bei den Endgeräten verbraucht, bei Letzterem in den
Datencentern. „Insbesondere der Bereich der sozialen Netze wurde noch gar
nicht ernsthaft untersucht“, betont der Wissenschaftler.
Welche Emissionen tatsächlich durch Medienkonsum entstehen, liegt damit
letztlich im Dunkeln: keine aktuellen Zahlen, keine einheitliche
Miteinbeziehung aller wichtigen Parameter. So kommt nicht nur Herglotz zum
Schluss, dass es „aufgrund der Datenlage“ gut wäre, „wenn es wieder eine
aktuelle Untersuchung geben würde“. Und auch diese müssten kontinuierlich
fortgeführt werden. Zwar werden eine immer effizientere Datenübertragung
sowie sparsamere Endgeräte immer weniger Energie verbrauchen, aber die Zahl
derer, die das Internet nutzen, wird sich weiterhin erhöhen. Schon jetzt
sollen es fünf Milliarden sein.
23 Oct 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Streaming
Netflix
CO2-Emissionen
Umweltverschmutzung
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Schwerpunkt Klimawandel
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Internet
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