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# taz.de -- Die Wahrheit: Olympische Schlafanzüge
> Das seltsame Kricket-Spiel der Engländer wird nach über 100 Jahren wieder
> olympisch. Muss das wirklich sein?
Das englische Schlagballspiel Kricket wird 2028 wieder olympische
Disziplin. Bis dahin muss man den Menschen, die nicht in England oder einer
ehemaligen britischen Kolonie leben, die Regeln erklärt haben. Ich mache
einen Versuch: 20 Männer in weißen Schlafanzügen stehen tagelang auf einer
18.000 Quadratmeter großen ovalen Wiese herum, während einer den Ball auf
drei Stäbchen schleudert, die von einem anderen mit einem Schläger bewacht
werden.
Wenn der Schlagmann es schafft, den Ball wegzuhauen, rennt er wie von der
Tarantel gestochen hin und her und sammelt Punkte. Fängt jedoch ein Gegner
den Ball aus der Luft, hat der Schlagmann Feierabend und kann nach Hause
gehen.
So weit, so vereinfachend. In einem Kricket-Forum heißt es, dass es bei dem
Spiel respektvoll zugehe, Schiedsrichterbeleidigungen seien selten und
würden hart bestraft. Möglich. Für die Mitspieler gilt das aber nicht, wenn
sie nicht englisch-blass sind.
Eine „Unabhängige Kommission für Gleichstellung beim Kricket“ hat nun
festgestellt, dass der englische Kricket-Sport durch und durch rassistisch,
sexistisch und elitär sei. Sie hat 4.000 Spieler, Funktionäre und Fans
befragt und kam zu dem vernichtenden Urteil, dass es keineswegs um ein paar
Einzelfälle gehe. Es sei ein fundamentales Problem.
Mit wenigen Ausnahmen sind sämtliche Spieler aus Pakistan, Bangladesch oder
Indien im Laufe ihrer Karriere Opfer von Rassismus geworden. Frauen, die
Kricket spielen, werden verhöhnt und diskriminiert. Kindern, die staatliche
Schulen besuchen, geht es nicht besser: Privatschulkinder beschimpfen sie
beim Kricket als Proleten. Imran Khan, ehemaliger Kricket-Star und
Premierminister Pakistans, spricht von „Kricket-Apartheid“: Nur wer in
Yorkshire geboren ist, sei ein echter Cricketeer.
Die Kommission hat 44 Vorschläge zur Behebung des Problems gemacht. Die
Abschaffung des Spiels gehört nicht dazu. Stattdessen soll das elitäre
Match zwischen Oxford und Cambridge durch ein Spiel zwischen Kindern aus
staatlichen Schulen ersetzt werden. Traditionalisten schütteln sich
angewidert, als ob man den Fünf-Uhr-Tee verbieten wolle. Rassismus hat im
Kricket eine lange Tradition: Norman Tebbit, Margret Thatchers Rottweiler,
hatte sich 1990 eine Schikane für Menschen aus den ehemaligen Kolonien
ausgedacht. Wenn man sie schon nach Großbritannien hereinlassen müsse,
dürften sie solange nicht als Briten anerkannt werden, bis sie das
englische Kricket-Team gegen die Mannschaft ihres Herkunftslands
unterstützten.
Kricket war bereits bei den Spielen 1900 in Paris Olympiadisziplin. Dabei
kam es zum einzigen Kricket-Spiel der olympischen Geschichte. England
gewann gegen Frankreich. Danach nahm man Kricket wieder aus dem Programm.
Genügend Gründe, es dabei zu belassen, hat die Kommission vorgelegt.
23 Oct 2023
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
England
Sport
Kolonialismus
Schwerpunkt Korruption
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