Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Lebloser Laib für Trübsinn
> Irisches Brot macht depressiv, heißt es. Selbst Brot backen, wäre da ein
> Weg aus der Trübsal. Wenn man denn das Kneten und alles andere
> beherrschte.
Ich hatte schon lange geahnt, dass irisches Weißbrot trübsinnig macht. Nun
habe ich den Beweis: Eine neue Studie hat ergeben, dass im Brot laut
Verpackung zwar jede Menge „Verbesserer“ stecken, die das Brot aber
keineswegs verbessern, sondern Depressionen auslösen. Der beigemischte
Cocktail soll in Wahrheit dafür sorgen, dass das Gummibrot sehr lange
elastisch bleibt. Man darf es übrigens nicht fallen lassen, weil es sonst
davonhüpft.
„Der moderne Laib ist so leblos, weil er nach der sogenannten
Chorleywood-Methode von 1961 gebacken wird, mit der man computergesteuert
in Windeseile massenweise Brot produzieren kann“, sagt John McKenna, der
irische Autor zahlreicher Gourmet-Führer. Die australische Supermarktkette
Coles sollte vor einigen Jahren umgerechnet 2,2 Millionen Euro Strafe
zahlen, weil sie behauptet hatte, ihr Brot sei „heute ganz frisch gebacken“
worden. Tatsächlich hatten irische Großbäckereien das Brot Monate zuvor
fabriziert und es tiefgekühlt nach Australien exportiert.
Geschnittenes Weißbrot heißt in Irland „Sliced Pan“. In anderen
englischsprachigen Ländern löst dieser Begriff Ratlosigkeit aus. Manche
behaupten, er stamme von „pain“, dem französischen Wort für Brot. Aber ka…
man den Franzosen wirklich die Schuld an der weichen Ware in die Schuhe
schieben? Das englische Wort „pain“, also „Schmerz“, passt in Anbetracht
des betrüblichen Nahrungsmittels eigentlich besser. Aber vermutlich ist der
Begriff auf das Wort „pan“ (Topf) zurückzuführen. Im frühen 19. Jahrhund…
hatten die meisten irischen Familien nämlich keinen Backofen, sondern
stellten ein Sodabrot aus Mehl, Buttermilch, Natriumbikarbonat, Zucker,
Salz und Butter in einem gusseisernen Topf her, den sie ins Torffeuer
hängten.
Ich hingegen besitze einen gasbetriebenen Backofen. Nachdem ich einen
Artikel des Brotpapstes Lutz Geißler gelesen hatte, in dem er behauptete,
dass jeder Mensch Brot backen könne, wollte ich es selbst probieren. Eine
Knetmaschine hatte ich geerbt, das von Geißler empfohlene Gärkörbchen
besorgte ich mir und legte los.
Es gab einen Kurzschluss, als ich die Knetmaschine einschaltete, so dass
ich mit der Hand kneten musste. Teig ist klebrig, das hätte man mir sagen
müssen. Ich kam mir vor wie Wilhelm Buschs Max und Moritz bei ihrem
sechsten Streich: „Ganz von Kuchenteig umhüllt, stehn sie da als
Jammerbild.“
Ich verfluchte den deutschen Hobby-Elektriker, dessen Pfusch zum
Kurzschluss geführt hatte – siehe Kolumne vom vorigen Montag. Ich
verfluchte Lutz Geißler, fügr den Brot backen ein Kinderspiel ist. Ich
verfluchte die Studie, die mir irisches Brot verleidet hatte.
Schließlich schob ich die handgeknetete Masse in den Ofen. Nach 20 Minuten
sollte das Brot fertig sein. Es war hart wie Stein. Ich bekam
Depressionen. Da kann ich genauso gut das irische Sliced Pan essen.
9 Oct 2023
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Depression
Brot
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Schlaf
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Olympische Schlafanzüge
Das seltsame Kricket-Spiel der Engländer wird nach über 100 Jahren wieder
olympisch. Muss das wirklich sein?
Die Wahrheit: Ein Ire in Tschechoslowenien
Slowenien ist Ehrengast der kommenden Frankfurter Buchmesse und Irlands
Umweltminister wird dort Slavoj Žižek was zustecken. Eine Spurensuche.
Die Wahrheit: Gold für den scheuen Elektriker
Auch in Irland fliest das Handwerk den goldenen Boden. Wenn man mal wen
erreicht und der dann auch kommt.
Die Wahrheit: Schlafen wie ein Maskentier
Wenn das eigene Schlafverhalten jeden Morgen an die persönliche Betreuerin
in der Firma gemeldet wird, dann ist der Ruf schnell ruiniert.
Die Wahrheit: Beamte mit Reichweitenangst
Die neu angeschafften Doppeldecker sind viel zu schade für Dublins Straßen.
Deswegen beiben die Elektro-Busse meist im Depot.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.