# taz.de -- Die Wahrheit: Ein Ire in Tschechoslowenien | |
> Slowenien ist Ehrengast der kommenden Frankfurter Buchmesse und Irlands | |
> Umweltminister wird dort Slavoj Žižek was zustecken. Eine Spurensuche. | |
Letzte Woche kehrte Irlands Umweltminister zufrieden aus Slowenien zurück. | |
Eamon Ryan hatte sein Land davor bewahrt, zu hohen Strafzahlungen wegen der | |
miesen Umweltbilanz verurteilt zu werden. Er hatte den Slowenen ihre | |
CO2-Emissionsrechte abgekauft. Amazon, Google und Konsorten können also | |
weiterhin den von ihren gigantischen Datenzentren produzierten Dreck in die | |
irische Luft jagen. | |
„Slowenien ist gut“, strahlte Ryan, der für seinen lukrativen Posten seine | |
beiden Großmütter verkauft hat. „Früher war das Land an Tschechien | |
angebunden und nannte sich Tschechoslowenien. Aber seit sie den Slowexit | |
vollzogen haben, können sie Emissionsrechte in Eigenregie verhökern.“ | |
Das Geld will der Sechzigjährige am Mittwoch bei der Frankfurter Buchmesse | |
an Slavoj Žižek übergeben, der dort auf der Literaturbühne der | |
Öffentlich-Rechtlichen über die Paradoxien der Mehrlust referieren wird. | |
Der slowenische Faselosoph schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Y (vormals | |
X): „Ich werde das Geld persönlich …“ | |
An dieser Stelle brach die Nachricht ab. Was wollte Žižek sagen? Persönlich | |
an sein Heimatland überbringen? Persönlich für den Unterhalt seiner vier | |
Ehefrauen verwenden? Persönlich in eine signierte Erstausgabe von Samuel | |
Beckett investieren? Den findet er nämlich besser als James Joyce, wie er | |
gerne betont. | |
Eamon Ryan hingegen findet U2 besser als George Bernard Shaw. Deshalb | |
brachte er eine Sonnenbrille von Bono als Gastgeschenk mit für die | |
slowenische Staatspräsidentin Nataša Pirc Musar und sang dabei lauthals den | |
Gassenhauer „Seven Drunken Nights“. Die Präsidentin rächte sich per | |
Einladung zum Alpenoberkrainer-Konzert, einer volkstümlichen Musikgruppe, | |
die auf Slowenisch Alpski kvintet heißt. | |
## Mehr gemein als Volksmusik | |
Ryan erzählte jetzt in Irland, dass beide Länder noch mehr als die | |
Volksmusik gemein hätten. „Die Leibspeise der Slowenen ist zwischendurch | |
auch mal ein Eintopf oder ein paar Würstchen“, sagte er gerührt. „Und sie | |
hassen ihre Nachbarn, wie auch wir unseren Nachbarn hassen.“ | |
Ein slowenisches Sprichwort lautet: „Naj sosedu crkne krava, če je že sami | |
nimamo.“ Es bedeutet: „Wenn ich keine Kuh besitze, möge die Kuh des | |
Nachbarn sterben.“ In Irland gibt es viele Hammel, in Slowenien hingegen | |
viele Neidhammel. | |
„Das ist ja alles wie bei uns“, staunte Ryan bei seinem Besuch in | |
Ljubljana. „Slowenien ist das Irland des Balkans.“ Das kam bei den | |
Gastgebern allerdings nicht gut an, und beinahe hätten sie Ryan ohne die | |
Emissionsrechte nach Hause geschickt. | |
Schließlich denkt man bei „balkanischen Zuständen“ an Konflikt, | |
Zersplitterung, Rückständigkeit und Korruption. Man bevorzuge deshalb den | |
geografischen Begriff „Südosteuropa“, erklärte man dem irischen | |
Umweltminister geduldig und wünschte ihm eine „gute Heimreise nach | |
Großbritannien“. Da war man wieder quitt. | |
16 Oct 2023 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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