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# taz.de -- Fernwanderweg Venntrilogie in Belgien: Oh wie schön ist der Osten
> Wer sich nach Kanada träumt, aber nie dort war, könnte es mit Ostbelgien
> probieren. Flüsse, Wälder, Moore, alles da. Und als Bonus: Burgen und
> Bier.
Bild: So schön ist das Hohe Venn
Fast alles dreht sich um die Zahl 3. Der im August eröffnete Wanderweg,
[1][der Venntrilogie heißt] und durch den Osten Belgiens führt, startet am
deutsch-belgisch-niederländischen Dreiländereck bei Aachen.
Bald werden wir dem fleißig mäandernden Flüsschen Göhl begegnen, das drei
andere Namen hat: Geul (niederländisch), La Gueule (französisch) und Jöhl
(auf Platt). 109 Kilometer lang ist die Venntrilogie und ihren Namen trägt
sie, weil sie drei sehr verschiedene Landschaften verzahnt.
Auf der ersten Etappe queren wir im Hohnbachtal liebliche Wiesen mit
grasenden Kühen und dösenden Rindern und schlängeln uns durch Ensembles
massiver Hainbuchen, die älter sind als der Staat Belgien (gegründet 1830).
Wir blicken auf die Silhouette von Kelmis, wo einst die größte Zinkmine
Europas stand, verlassene Stollenzugänge sind Zeugen. Von 1816 bis 1919 war
das Gebiet sogar [2][ein eigener Ministaat: Neutral-Moresnet].
Es geht vorbei an Ruinen, Wasserschlösschen und Heckenwällen, durch lichte
oder dichte Wälder. Die Wege sind verlässlich ausgeschildert.
Ein zertifizierter Fernwanderweg wie die Venntrilogie verlange alle etwa
250 Meter ein Hinweisschild, das hatte uns der Projektentwickler Jef
Schuwer erklärt. „Manche Menschen aber hätten am liebsten alle 40 Meter
eines, aus Angst vor dem Verlaufen.“ Unterwegs sind deshalb ein paar
zusätzliche Venntrilogie-Symbole auf Zaunpfosten aufgesprüht.
## Komplexes Königreich
Einmal verlieren auch wir kurz die Orientierung, weil wir ins Gespräch
vertieft waren über die Begriffe „Osten Belgiens“ und den 2016
eingeführten Namen „Ostbelgien“. Beide Gebiete sind nicht deckungsgleich,
wohl aber gehören die größeren französischsprachigen Teile als auch das
deutschsprachige Ostbelgien zur Region Wallonie. [3][Komplexes Königreich.]
Und, Achtung, es gibt zwei Eifels: die deutsche und die belgische. Oder
sagt man Eifeln?
Picknickpause machen wir im Dorf Eynatten im Schatten der Dorflinden. Am
Rande von Eynatten wird das „Eupener Butterländchen“, wie man hier sagt,
auf dem Hof der Familie Boffenrath zum Käseländchen. „Tobi Fromage“ nennt
sich der 40-jährige Inhaber. Sein „Göhltaler Käse“ mit Naturlab ist ein
regionaler Hit mit 4.000 Kilo Output pro Jahr.
Privatleute holen sich halbe Laibe, Sternerestaurants der Umgebung ordern
ausdauernd. Für eine Distillerie nebenan in Raeren, bekannt für ihren
Bio-Gin, entwickelte Tobi Fromage eigens einen Wacholderkäse. „Die
natürlichen Bakterien in der Luft geben unserem Käse eine eigene Note.
Würde ich ihn mit identischem Rezept etwa in Bayern machen, hätte er eine
etwas andere Farbe und würde anders schmecken.“
In Teil zwei der Trilogie landen wir in einer sehr reduzierten Ur-Welt,
feucht, oft sumpfig, nicht bewirtschaftet. Im Hohen Venn herrscht eine
Bewuchsanarchie aus hüfthohen Gras- und Farnwäldern, Blau- und
Rauschbeeren, Krüppelkiefern und Baumstümpfen, aus rottendem Totholz und
kleinwüchsigen Birkengruppen. Holzstege führen über die matschigsten
Abschnitte.
Wenn grade mal kein Bächlein plätschert, herrscht Stille. Kaum wahrnehmbare
Tiere, selbst Mücken ist das Milieu im Hochmoorland zu sauer. In vielen
Ecken der Bachläufe mit dem typisch vennbraunen Wasser finden sich runde
weiße Schaumteppiche. Umweltfrevel? Nein. Verschiedene Eiweiße strudeln
sich hier zusammen. Die Teppiche heißen Vennkuchen.
## Belgiens Gipfel
„Ich frag mich grad“, sagt einer der Mitwanderer, „warum ich neulich in
Kanada war, hier ist es doch genauso schön und wild.“ Elche und Rentiere
fehlen allerdings, dafür gibt es Biber und seit 2018 vereinzelt Wölfe. Der
leichte Aufstieg entlang des Bergbachs Hill führt schließlich über die
weiten Hochmoorflächen. Er endet neben dem Naturparkzentrum am Signal de
Botrange.
Das ist Belgiens Gipfel, 694 Meter hoch. Frühe Marketingcleverles haben
hier vor hundert Jahren eine Steintreppe hingesetzt, ähnlich einer Gangway.
Auf exakt 700 Meter geht es hoch für einen besonders ergiebigen Weitblick.
Belgiens Osten lag immer zwischen allen Kulturen, Sprachen und
Einflusssphären, hier haben die Könige, Generäle und deutsche Verbrecher
wie Hitler immer wieder ihre Pflöcke neu eingeschlagen. Grenzen haben sich
ständig verschoben, Schmuggel und Fluchtrouten folgten.
Das Gebiet „Eupen-Malmedy“ etwa gehörte lange zu Preußen, heute ist das
eine das Zentrum der deutschsprachigen Belgier, das andere frankofon. Das
Hohe Venn zwischen Eupen und dem kaum 30 Kilometer weiter südlich gelegenen
Malmedy wirkt wie eine kulturelle Mauer. Es gibt keine Busverbindung, was
auch der Touristiker Jef Schuwer massiv bedauert: „Wir arbeiten daran. Aber
es ist schwierig.“
Autos dagegen werden hofiert, eine im Vorjahr protzig ausgebaute Straße
zerschneidet die Moorlandschaft. Die Strafe folgte umgehend, denn die
überdimensionierte Piste trug ausdrücklich dazu bei, dass im Frühjahr nicht
das Hohe Venn den begehrten Status Nationalpark der Wallonie erhielt,
sondern das zauberhafte Tal der Semois weiter südlich in den
Zentral-Ardennen.
## Ferraris auf Sonntagsausflug
Apropos Autos: In Malmedy ist es schon am frühen Morgen mit der Ruhe
vorbei. Von der Rennstrecke im nahen Francorchamps röhren die Motoren,
mehrheitlich Ferraris auf Sonntagsausflug, die sich am Abend allein vor
unserem Hotel im halben Dutzend aus vier Ländern zusammengerottet hatten.
Wir verlassen den ansonsten schmucken Ort zum dritten Trilogieteil gen
Osten Richtung Lac de Robertville. Bald haben Plätscherbäche wieder die
akustische Oberhand, es geht über enge Pfade oberhalb steiler Schluchten,
entlang senkrechter und waagerechter Mooslandschaften durch ein
Pilzparadies.
Die Wege durch die dichten Wälder sind auch bei strahlendem Sonnenschein
düster, wie es sich für die geheimnisvoll dunklen Ardennen gehört.
Von der wild sprudelnden Warche führt der Weg schließlich steil hoch zur
Burg Reinhardstein. Wir kommen ins Schnaufen. Da ist das blonde
Sieben-Prozent-Bier im lauschigen Burghof schiere Labsal. Es trägt das
Label Reinhardstein, gebraut wird es als Auftragsrezept woanders, wie so
viele Biere in Belgien.
Dieses hier stammt aus den Sudkesseln eines Klosters weiter im Norden. Seit
dem 13. Jahrhundert lebten dort mit Unterbrechungen Zisterziensermönche.
Als 2002 wegen Nachwuchsmangels die letzten von ihnen ausgezogen waren,
übernahm mit Virginie Harzé Belgiens erste Brauerin die Produktionsleitung
in dieser Männerdomäne.
Die letzte Teiletappe geht wieder Richtung deutschsprachiges Gebiet zum
Trilogie-Finale in Bütgenbach. Das Wanderbegleitbuch verspricht für die
Wälderwelt unterwegs „einen Hauch von Skandinavien und Kanada“. Na, passt
doch.
8 Oct 2023
## LINKS
[1] http://www.ostbelgien.eu/de/wandern/venntrilogie
[2] /Geschichtsreportage-Zink/!5391429
[3] /Belgische-Besonderheiten/!5111831
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
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