# taz.de -- Klimaprotest in Stockholm: Alle an einem Strang | |
> In Schweden demonstrieren Tausende gegen die Klimapolitik der rechten | |
> Regierung, die sich nun offiziell von den Zielen für 2030 verabschiedet | |
> hat. | |
Bild: Greta Thunberg beim Klimaprotesttag in Stockholm | |
Stockholm taz | Zur Mittagszeit formierten sich etwa 4.000 DemonstrantInnen | |
anlässlich des landesweiten Klimaprotesttags auf dem Mynttorget. Das ist | |
der Platz in Stockholm, auf dem [1][Greta Thunberg vor fünf Jahren ihren | |
Schulstreik begonnen] hat. Auch an diesem Freitag war sie da. Mit dem | |
landesweiten Protesttag endete in Schweden die „Woche für Klima und soziale | |
Gerechtigkeit“. | |
In vielen Städten gab es Demonstrationen, in Stockholm blockierte | |
Extinction Rebellion Straßen. Sie protestierten dagegen, dass mit dem | |
Kapital des staatlichen schwedischen Pensionsfonds nach wie vor klima- und | |
umweltschädliche Investitionen finanziert werden. | |
„Wir können die Klimakrise nicht lösen, ohne uns mit den sozialen | |
Ungleichheiten zu befassen, und umgekehrt“, erklärte Christofer Kebbon von | |
Fridays for Future das Motto, unter dem sich mehr als 100 Organisationen zu | |
dieser Aktionswoche zusammengeschlossen haben. Darunter Fridays for Future, | |
Extinction Rebellion, die Zukunft zurückerobern, Rebellenmütter und -väter | |
und Teachers Rebellion, aber auch Greenpeace, Amnesty, Black Lives Matter, | |
die Schwedische Kirche und Dutzende lokaler Initiativen. | |
Eine Woche lang organisierten die Gruppen verschiedensten Aktionen: | |
Seminare, Gebete, Tanzabende oder Proteste vor Banken und Firmen der | |
fossilen Industrie. Ebenso kam es zu Straßenblockaden an Häfen und am | |
Flugplatz von Stockholm-Bromma, die teils die Polizei beendete. | |
## Steuersenkungen auf fossile Brennstoffe | |
„Unsere Antwort ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen – in dieselbe | |
Richtung“, heißt es in einem am Freitag veröffentlichtem Aufruf. „Wir | |
wollen eine vereinte Kraft werden“, betont Agnes Hjortsberg von [2][der | |
Gruppe Aurora], die einen Klimaprozess gegen die schwedische Regierung | |
koordiniert: „Wir akzeptieren nicht länger Schweigen und Ausreden, Leid und | |
Ungerechtigkeit. Wir brauchen die Gesellschaft als Ganzes, um diese | |
miteinander verknüpften Krisen als Krisen zu behandeln.“ | |
Sich um vereinte Kräfte zu bemühen sei um so wichtiger angesichts der | |
blau-braunen Regierung Schwedens. Die habe nachdrücklich bewiesen, „dass | |
sie die Situation nicht ernst nimmt“, sagte die Fridays For | |
Future-Sprecherin Linna Gadde. Deutlich werde das aktuell am neuen Plan für | |
das Staatsbudget, den die Regierung am Mittwoch vorgelegt hat. Darin | |
verabschiedet sich Ministerpräsident [3][Ulf Kristersson, dessen Koalition | |
von den rechtsextremen Schwedendemokraten] abhängig ist, ganz offiziell von | |
den bisherigen schwedischen Klimazielen. | |
Durch neu beschlossene Steuersenkungen für fossile Brennstoffe ist es nun | |
günstiger, Treibhausgase auszustoßen. Entsprechend geht man in Stockholm | |
davon aus, dass die Klimaemissionen bis 2030 nicht wie vorgesehen sinken, | |
sondern um bis zu 9,8 Millionen Tonnen an CO₂-Äquivalenten ansteigen | |
könnte. Zum Vergleich: 2022 lagen Schwedens Emissionen bei insgesamt 45,22 | |
Millionen Tonnen. | |
„Die bisherigen Staatshaushalte waren schon schlecht, aber der jetzige ist | |
noch schlechter“, sagt Gadde. Für Alde Nilsson von Fridays For Future | |
Stockholm sei klar: „Die von den Faschisten unterstützte Regierung stellt | |
den kurzfristigen wirtschaftlichen Gewinn über das Gemeinwohl“. | |
Dabei galt Schweden einmal wegen seiner CO₂-Besteuerung als internationales | |
Klimavorbild. Aber die geplanten Senkungen seien „das Klimaschädlichste, | |
das eine Regierung derzeit tun könnte“, urteilt Roger Hildingsson, Forscher | |
für Umwelt- und Klimapolitik an der Universität Lund. Auch Märta Stenevi, | |
Vorsitzende der grünen Miljöpartiet, spricht von einer „Katastrophe für das | |
Klima“. | |
Was hier passiere, sei ein Novum, kritisiert Rickard Nordin, der | |
klimapolitische Sprecher der oppositionellen Zentrumspartei: Keine | |
schwedische Regierung habe in den vergangenen Jahrzehnten bewusst den | |
Treibhausgasausstoß gesteigert. Man prüfe deshalb ein Misstrauensvotum | |
gegen Klima- und Umweltministerin Romina Pourmokhtari. Schließlich sei in | |
Schweden gesetzlich verankert, dass die Klimapolitik das Ziel der | |
Emissionsminderung haben müsse. | |
Greta Thunberg muss sich am kommenden Mittwoch vor dem Amtsgericht Malmö | |
verantworten. Bereits im Juli wurde sie wegen der Teilnahme an [4][einer | |
Hafenblockade in Malmö] zu einer Geldbuße verurteilt. Wie da lautet der | |
Vorwurf: „Ungehorsam gegen die Ordnungsmacht“. Doch dieses Mal geht es um | |
ihre Teilnahme an einer Straßenblockade. | |
Die in der vergangenen Woche bekannt [5][gewordene zweite Anklage] hinderte | |
sie allerdings nicht daran, sich am Donnerstag an einer weiteren solchen | |
Blockadeaktion im Hafen von Södertälje zu beteiligen. | |
22 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /5-Jahre-Schulstreik-von-Greta-Thunberg/!5954480 | |
[2] https://auroramalet.se | |
[3] /Nobelfest-in-Stockholm/!5890996 | |
[4] /Geldbusse-wegen-Klimaprotest/!5946291 | |
[5] https://www.aklagare.se/nyheter-press/pressmeddelanden/2023/september/atal-… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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