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# taz.de -- Geldbuße wegen Klimaprotest: Thunberg zu 130 Euro verurteilt
> Die Klimaaktivistin muss für eine Aktion im Hafen von Malmö büßen. Sie
> hatte sich dabei auf den Klimanotstand berufen – vergeblich.
Bild: Greta Thunberg bei einer Blockade in Malmö im Juni 2023
Stockholm taz | 1.500 Kronen, also etwa 130 Euro. Zu dieser Geldbuße wurde
Greta Thunberg am Montag vom Amtsgericht im südschwedischen Malmö
verurteilt, weil sie sich am 19. Juni an einem [1][Klimaprotest am Ölhafen
von Malmö] beteiligt hatte. Dabei war zeitweise die Zufahrt für
Tanklastwagen blockiert worden. Nachdem die Klimaaktivistin der
Aufforderung der Polizei, die Fahrbahn zu räumen, nicht gefolgt war, musste
sie von zwei Polizeibeamten weggetragen werden, was als „Ungehorsam gegen
die Ordnungsmacht“ gewertet wurde. Ein Tatvorwurf, für den in der Regel
Bußgeld verhängt wird, laut Gesetz aber auch eine Haftstrafe von maximal 6
Monaten möglich ist.
„Wir haben uns entschieden, nicht Zuschauer sein zu wollen, sondern
stattdessen die Infrastruktur für fossile Brennstoffe physisch zu stoppen“,
hatte Thunberg die Blockadeaktion auf ihrem Instagram-Konto begründet.
Nachdem sie bei der polizeilichen Voruntersuchung alle Fragen mit „Kein
Kommentar“ beantwortet hatte, erklärte sie nun vor Gericht: „Es stimmt,
dass ich an jenem Tag an diesem Ort war. Es stimmt, dass ich einen Befehl
erhalten habe, den ich nicht befolgt habe.“
Die 20-Jährige, die ohne einen Verteidiger auftrat, wies aber den Vorwurf
zurück, sich damit strafbar gemacht zu haben. Sie berief sich auf eine
Rechtsvorschrift, nach der eine Straftat, die in bestimmten Notfällen
begangen wird, dann zulässig ist, wenn sie „nicht unvertretbar“ ist: „Wir
befinden uns in einer [2][Notsituation], einer Klimanotlage, die Leben,
Gesundheit und Eigentum bedroht. Unzählige Menschen und Gesellschaften sind
sowohl kurz- als auch langfristig gefährdet.“ Aus einer solchen Notlage
heraus habe sie gehandelt.
Das sei ein Einwand, der „durchaus verständlich“ sei, antwortete
Staatsanwältin Emma Olsson. Sie teile auch Thunbergs Sicht der Klimakrise.
Aber rechtlich könne ihre Verteidigung kein Gehör finden: Zahlreiche
Gerichtsurteile zeigten, dass sich DemonstrantInnen nicht auf ein solches
Notrecht berufen könnten. Das sah auch Amtsrichter Johan Kvart so: Die
Klimakrise falle nicht unter den Notstandsbegriff des Strafgesetzbuchs. Er
verurteilte Thunberg deshalb zu einer Geldbuße von 30 Tagessätzen à 50
Kronen. Eine Rechtsfolge, die sie selbst als „erwartet“ kommentierte.
Außerdem muss sie 1.000 Kronen (etwa 86 Euro) an einen Fonds für Opfer von
Straftaten zahlen.
## „Die Regeln müssen geändert werden“
Nach dem Gerichtstermin sagte Thunberg, es sei „absurd, dass diejenigen,
die im Einklang mit der Wissenschaft handeln“, dafür angeklagt und
verurteilt würden, „während die fossile Brennstoffindustrie unsere
Gegenwart und Zukunft verheizen kann“. Gegen das Urteil werde sie keine
Berufung einlegen, denn derzeit gebe es „keine Gesetze, die uns vor der
selbstzerstörerischen Gier schützen, die wir auf die Welt loslassen“. Die
einzige Wahl, die man habe, sei, sich „weiterhin nicht an die Regeln zu
halten“: „Es sind die Regeln, die geändert werden müssen.“
Thunberg hatte in Malmö an einem Protest der neugegründeten Umweltgruppe
[3][„Ta tillbaka framtiden“] (Die Zukunft zurückerobern) teilgenommen.
Diese war Anfang März mit Protestaktionen vor Tankstellen in Stockholm,
Göteborg und Malmö erstmals aktiv geworden und will nach Eigendarstellung
eine „hoffnungsvolle radikale Gemeinschaft von und für junge Menschen
zwischen 12 und 30 Jahren“ sein, die „in einer Gesellschaft leben wollen,
die entschiedene Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise und zur
Bekämpfung von Ungerechtigkeit ergreift“.
Dabei wolle man „gewaltfreie Methoden anwenden und friedlichen Widerstand
gegen ein tödliches System leisten, eine Gesellschaft, die unsere Chancen
auf ein würdiges Leben verbrennt“. In der vergangenen Woche blockierte die
Gruppe zeitweise ein Öldepot in Stockholm-Nacka. Vor der Aktion in Malmö
hatte sie bereits im April mehrere Tage lang den Tanklastwagenverkehr am
Ölhafen von Göteborg behindert.
Statt gegen den allgemeinen Straßen- oder Luftverkehr haben sich
Klimaproteste in Schweden zuletzt gezielt gegen die Infrastruktur der
Fossilbranche gerichtet. Mehrere Aktionen gab es in Göteborg, dem größten
schwedischen Ölimporthafen. Im Mai protestierte hier auch mehrere Tage lang
Extinction Rebellion unter dem Motto „Älska livet – Stoppa fossilet“ (Das
Leben lieben – die Fossilen stoppen).
Die Justiz hatte auch nach diesen Protestaktionen Verfahren wegen
„Ungehorsam gegen die Ordnungsmacht“ gestartet. „Es macht mich traurig,
dass die Polizei Menschen verhaftet, die friedlich auf die gesundheitlichen
Folgen des Klimawandels aufmerksam machen“, hatte seinerzeit der
Allgemeinmediziner Klas Ytterbrink-Nordenskiöld, Initiator der
Aktivistengruppe „Ärzte für Extinction Rebellion“, kommentiert: „Aber d…
Geschichte hat gezeigt, dass ziviler Ungehorsam wirksam ist, um soziale
Veränderungen voranzutreiben, und aus meiner privilegierten Rolle heraus
ist er angesichts der Dringlichkeit der Klimasituation notwendig.“
Update: Zweieinhalb Stunden nach dem Urteil nahm Greta Thunberg zusammen
mit mehreren Mitgliedern von „Ta tillbaka framtiden“ an einer neuen
Protestaktion im Ölhafen Malmö teil und blockierte die Zufahrt für
Tanklastwagen. Der Aufforderung der Polizeibeamten, die Straße
freizumachen, folgte sie nicht und ließ sich davontragen.
Die Organisation „Ta tillbaka framtiden“ [4][begründet auf Twitter] ihre
neue Aktion mit Thunberg: „Ja, wir sind zum Ölhafen von Malmö
zurückgekehrt, um die Blockade fossiler Brennstoffe fortzusetzen. Menschen
sterben heute, unsere Zukunft ist bedroht. Natürlich geht der Widerstand
weiter. Gretas Prozess hat zu einem Urteil geführt, aber wir haben ein
Recht zu leben, und die Fossilindustrie stellt sich diesem Recht in den
Weg. Wir geben nicht klein bei, sondern agieren und tun das, was sein muss
– blockieren diesen Scheiß erneut!“
24 Jul 2023
## LINKS
[1] /Greta-Thunberg-vor-Gericht/!5945714
[2] /Klimaschutzstrategie-fuer-Bremen/!5833959
[3] https://tatillbakaframtiden.se/
[4] https://twitter.com/TTFramtiden/status/1683467392431554560
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
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