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# taz.de -- Gang-Kriminalität in Haiti: Eingriff in die Gewaltspirale
> Unter Führung kenianischer Polizisten soll eine Eingreiftruppe die Gangs
> in Haiti unter Kontrolle bringen. Die Opposition kritisiert das Vorgehen.
Bild: Ariel Henry spricht bei den UN am 22. September
Berlintaz | Mit der Resolution 2699 hat der UN-Sicherheitsrat am Montag den
Einsatz einer multinationalen Eingreiftruppe unter Führung Kenias für ein
Jahr in Haiti beschlossen. Damit geht ein fast einjähriges Ringen
innerhalb des Rates zu Ende, in dem unter Führung der USA ein bewaffneter
Einsatz in Haiti gefordert wurde. China und Russland lehnten das ab, mit
der Begründung, dass zur Befriedung Haitis mehr nötig sei als der Einsatz
internationaler bewaffneter Kräfte. Schlussendlich enthielten sich die
beiden Staaten bei der Abstimmung.
Die internationale Intervention scheiterte bislang auch daran, dass sich
kein Land fand, das die wackelige Unternehmung leiten sollte. Die
US-Regierung hatte versucht, Kanada zu überzeugen, das dankend ablehnte.
[1][Die kenianischen Polizeikräfte], die nun die Mission mit 1.000 Mann
anführen sollen, waren vor wenigen Wochen in Haiti, um die Voraussetzungen
einer möglichen Mission zu klären. Ihre Gespräche konzentrierten sich auf
Regierungsmitglieder und die Polizei. Aus Kreisen der Zivilgesellschaft und
der politischen Opposition rief das große Kritik hervor.
Premierminister Ariel Henry verfügt nämlich nur über eine fragwürdige
Legitimation. Er wurde nach der bis heute nicht aufgeklärten Ermordung des
Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 in Absprache mit der internationalen
Core-Group, der unter anderem die USA, Deutschland und die EU angehören,
eingesetzt – aber nie parlamentarisch oder durch Wahlen legitimiert.
## Dem Premier werden Verbindungen zu Gangs nachgesagt
In den zwei Jahren der Präsidentschaft von Henry hat sich die Situation in
Haiti dramatisch entwickelt. [2][Gangs], die mit schweren Waffen
ausgestattet sind, kontrollieren große Teile der Hauptstadt Port au Prince
und strategische Zugänge zu den wichtigsten Häfen und Versorgungswegen.
Etwa 200 bis 300 verschiedene Gruppierungen agieren mit äußerster
Brutalität gegen die Zivilbevölkerung. Im August dieses Jahres vertrieben
sie über 20.000 Menschen aus den armen Stadtteilen Carrefour-Feuilles und
Savane Pistache. Seit Januar dieses Jahres wurden bereits 2.400 Menschen
getötet, auch Kidnapping und Vergewaltigungen sind Alltag geworden.
Genauso wie beim Erdbeben 2010 verlassen Tausende die Hauptstadt und kehren
an ihre Heimatorte zurück – in der Hoffnung, dort sicher zu sein. Sie
stellen sich aber die Frage, wie lange es dauert, bis die Gangs auch in der
Provinz zum entscheidenden Faktor werden. Die Intervention unter Führung
Kenias wird man in Haiti also durchaus mit der Hoffnung verbinden, den
Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen.
Pierre Espérance, Direktor des Menschenrechtsnetzwerkes RNDDH, ist
allerdings skeptisch. Er fürchtet, die Ergebnisse der Intervention könnten
noch schlechter sein als die der bewaffneten UN-Mission Minustah von 2004
bis 2017. Deren Bilanz wird vor allen Dingen wegen des von [3][ihr
verursachten Cholera-Ausbruchs mit 10.000 Toten] sehr kritisch gesehen.
Minustah kostete mehrere Milliarden Dollar und konnte die Gang-Gewalt nie
ganz unter Kontrolle bringen. Zudem hat die kenianische Polizei wegen ihrer
Menschenrechtsverletzungen keinen guten Ruf.
Dass der nun mit der Intervention gestützte Premierminister Henry wie viele
andere haitianische Politiker in Verbindung zu einzelnen Gangs steht, ist
nachgewiesen. In der Nacht der Ermordung des Präsidenten stand er zudem in
ausführlichem telefonischen Kontakt mit den wahrscheinlichen Drahtziehern.
Die Intervention unter Führung der Kenianer könnte – so fürchten viele –
den Bock zum Gärtner machen.
3 Oct 2023
## LINKS
[1] /Gewaltsame-Proteste-in-Kenia/!5945108
[2] /Gewalt-in-Haiti/!5931889
[3] https://www.nytimes.com/2016/08/18/world/americas/united-nations-haiti-chol…
## AUTOREN
Katja Maurer
## TAGS
Uno
Haiti
Sicherheitsrat
Eingreiftruppe
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Haiti
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Schwerpunkt Flucht
Haiti
Lesestück Recherche und Reportage
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