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# taz.de -- US-Klage gegen Google: Von Google lernen
> Google steht unter dem Verdacht, seine Marktmacht zu missbrauchen, vor
> Gericht. Der Ausgang des Verfahrens könnte auch für andere Konzerne
> interessant werden.
Bild: Entscheidende Wochen stehen Google und der gesamten Tech-Branche bevor
Es ist ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren, das derzeit in den USA
läuft. Angeklagt ist kein Geringerer als Google. Als „Prozess des
Jahrzehnts“ wird das Verfahren von Beobachter:innen bezeichnet, als
eines mit weitreichenden Folgen für die Technologiebranche. Die Aufregung
hat vor allem damit zu tun, dass Google am Ende eine Zerschlagung drohen
könnte. Doch für die Tech-Branche und auch die Politik geht es um mehr.
Denn was in den kommenden Wochen in Washington verhandelt wird, das weist
nicht nur einen wichtigen Blick in die Vergangenheit, sondern auch einen in
die Zukunft. Auf Klagen des US-Justizministeriums und der
Generalanwält:innen mehrerer Bundesstaaten [1][muss das Gericht
entscheiden, ob Google seine Marktmacht auf dem Suchmaschinenmarkt
missbraucht hat], um potenzielle Konkurrenten an den Rand zu drängen.
Etwa mittels milliardenschwerer Verträge, aufgrund deren die
Smartphone-Hersteller Apple und Samsung die Google-Suche auf ihren Geräten
vorinstallierten. Das ist von Bedeutung, weil die Hersteller das Nadelöhr
sind: Auch wenn auf Samsung-Geräten wie auf dem größten Teil der auf dem
Markt befindlichen Smartphones Googles Betriebssystem Android installiert
ist – die Hersteller passen das System an ihre Geräte an und haben so den
maßgeblichen letzten Zugriff.
Da der Großteil der Nutzer:innen mit dem vorliebnimmt, was die
Hersteller ihnen vorsetzen, sind die Standardeinstellungen oder -Apps ein
mächtiger Hebel. Wer hier eine gute Position hat, wird an Marktmacht
gewinnen. „In diesem Verfahren geht es um die Zukunft des Internets und
darum, ob Googles Suchmaschine jemals eine ernsthafte Konkurrenz bekommen
wird“, so brachte es Staatsanwalt [2][Kenneth Dintzer] zum Prozessauftakt
auf den Punkt. Google bestreitet die Vorwürfe des Machtmissbrauchs.
## Signal an die gesamte Tech-Branche
Wenn Google verliert, muss das Gericht über die Konsequenzen entscheiden.
Kommt es zur Zerschlagung wie in den 1980er Jahren beim
Telekommunikationskonzern AT&T? Der wurde damals in sieben regionale
Unternehmen aufgespalten und die Marktmacht damit reduziert. Oder wird es
so laufen wie bei Microsoft um die Jahrtausendwende? Microsoft war aus dem
Prozess um Marktmachtmissbrauch zugunsten seines Browsers Internet Explorer
mit ein paar technischen Anpassungen äußerst billig davongekommen – und
hatte unterdessen auch noch den Konkurrenten Netscape erfolgreich
verdrängt.
Der Prozess ist, jenseits der konkreten Frage, ob Googles Geschäftspolitik
nun legal war oder nicht, auch ein Signal an die Tech-Branche. Die hat sich
in den vergangenen Jahrzehnten in den USA eine ziemlich komfortable
Position erarbeitet. Eine Position, in der sie vor allzu unbequemer
Regulierung durch die Politik sicher schien. In den kommenden Monaten
könnte nun weiteren Unternehmen Unangenehmeres drohen.
In der letzten Septemberwoche hat die US-Behörde FTC eine lang erwartete
Kartellklage gegen Amazon eingereicht. Darin beschuldigt sie den
Onlinehändler unter anderem, Verkäufer zu bestrafen, die ihre Waren unter
den Preisen von Amazon anbieten. Und Apple bekommt zunehmend Gegenwind,
weil es auf seinen iOS-Geräten keine alternativen App-Stores zulässt,
gleichzeitig aber von App-Anbietern dicke Provisionen kassiert.
So weit die USA. Wenn bereits im Heimatland von Big Tech das
Problembewusstsein zuzunehmen scheint – wie sieht es dann diesseits des
Atlantiks aus? Die EU-Kommission hat jüngst eines der maßgeblichen Elemente
der Plattformregulierung Digital Markets Act (DMA) aktiviert. Sechs
Konzerne – Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Alphabet, zu dem Google gehört,
und Bytedance mit der Videoplattform Tiktok – stehen nun unter besonderer
Beobachtung und [3][müssen beispielsweise Unternehmenskäufe an die
EU-Kommission melden].
## Politische Versäumnisse
Im Vergleich zu vorherigen Regulierungsvorhaben wie der
Datenschutz-Grundverordnung sind die Sanktionen im DMA deutlich schärfer –
etwa was die Höhe der Geldbußen bei Verstößen angeht. Und bei
„systematischen Zuwiderhandlungen“ gegen die neuen Regeln steht als letztes
Mittel auch eine Zerschlagung im Raum. Es gibt also durchaus Lerneffekte,
wenn sich auch erst zeigen muss, ob sie ausreichend sind.
Denn diese Verfahren sind auch eine unbequeme Botschaft in Richtung
Politik: Ganz offensichtlich wurde hier in der Vergangenheit einiges in
Sachen Regulierung versäumt. Etwas, das die marktbeherrschende Stellung und
ihren mutmaßlichen Missbrauch verhindert hätte. So lässt sich aus der
Vergangenheit etwa lernen, dass Zeit Fakten schafft. Ist ein Markt erst
einmal abgesteckt, haben es kleine Anbieter ungleich schwerer, noch Fuß zu
fassen.
Und: Es ist leichter – oder zumindest weniger schwierig –, früh strengere
Regeln zu machen, als hinterher aufzuräumen. Das ist besonders wichtig,
weil es für diese Entscheidungen in der Regel Zeitfenster gibt, in denen
ein Durchgreifen besonders wirkungsvoll ist. Oder umgekehrt, dass durch
eine fehlende rechtzeitige Regulierung ein Markt undurchlässig werden kann.
Das Zeitfenster öffnet sich, wenn sich eine neue Technologie in der
Anfangsphase der Marktdurchsetzung befindet.
Diese Anfangsphase ist aktuell bei Diensten mit [4][künstlicher Intelligenz
(KI)] zu beobachten. Das Abstecken der Märkte hat schon begonnen: Microsoft
ist bei OpenAI eingestiegen, dem Anbieter des populären Textgenerators
ChatGPT. Google versucht mit Bard nachzulegen, was etwas verzweifelt wirkt,
aber angesichts der Marktmacht von Google und dem Mutterkonzern Alphabet
unbedingt ernst zu nehmen ist. Und Meta baut gerade ein ganzes Arsenal von
[5][KI-Chatbots] in seine Dienste ein.
Neue Technologie, alte Namen, was wenig verwunderlich ist angesichts der
Summen, die die Konzerne in Entwicklung und Marketing investieren können.
Hier wird sich zeigen, ob die Gesetzgeber mutig genug sind, den
marktmächtigen Unternehmen etwas entgegenzusetzen.
2 Oct 2023
## LINKS
[1] https://www.independent.co.uk/tech/google-goes-to-court-in-what-could-be-th…
[2] https://www.reuters.com/breakingviews/doj-fights-uphill-battle-google-losin…
[3] /Ausgaben-fuer-EU-Lobbyismus-steigen/!5958975
[4] /Kuenstliche-Intelligenz/!5939918
[5] /Chatbots-und-Google/!5912238
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Google
Großkonzerne
Medienpolitik
Zukunft
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Datenschutz
Schwer mehrfach normal
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