# taz.de -- Geologe über Amazonas-Dürre: „Tod der Delfine macht uns Angst“ | |
> 120 Delfine verendeten am Ufer des unter Dürre leidenden Amazonas. Der | |
> Geologe Pedro Luis Cortes fürchtet, dass der Klimawandel noch mehr | |
> Schaden anrichtet. | |
Bild: Tod am Amazonas: Forscher untersuchen einen verendeten Delfin | |
taz: Rund 120 [1][Flussdelfine sind im Amazonas verendet]. Hat ihr Tod mit | |
der aktuellen Hitze und Trockenheit in der Region zu tun? | |
Pedro Luiz Côrtes: Das gesamte Ökosystem ist durch die Dürre aus dem | |
Gleichgewicht geraten. Der Tod der Flussdelfine macht uns große Angst, denn | |
Amazonien hat die trockenste Phase des Jahres noch nicht erreicht. Im | |
schlimmsten Fall könnte das Absinken und Aufheizen der Flüsse dazu führen, | |
dass einige Tierarten ausgerottet werden, nicht nur die Delfine, sondern | |
auch Fischarten. | |
Derzeit erlebt Amazonien eine massive Dürre. Es regnet kaum, die | |
Temperaturen sind überdurchschnittlich hoch, Flüsse trocken aus. Wie ist | |
das zu erklären? | |
Mit dem Wetterphänomen El Niño kam es zu starken Regenfällen im Süden | |
Brasiliens, gleichzeitig regnete es viel weniger im Norden und Nordosten | |
des Landes. Das ist nicht ungewöhnlich für einen El Niño. Was wir aber auch | |
noch beobachten: Die Folgen solcher Wetterphänomene werden immer extremer. | |
Wenn es regnet, dann sehr stark. Wenn es trocken ist, ist es sehr trocken. | |
Warum? | |
[2][Das hängt mit dem Klimawandel zusammen]. El Niño oder La Niña sind | |
natürliche Phänomene. Durch deutlich mehr Wärme und Energie in der | |
Erdatmosphäre, werden Extremwetterereignisse verstärkt. Deshalb erleben wir | |
derzeit so starke Regenfälle und Trockenphasen. | |
Können Sie das genauer erklären? | |
Bei normalen Temperaturen verdunstet Wasser stückweise, die Wolken haben | |
längere Zeit, um sich auszubreiten. Der Treibhauseffekt führt zu mehr | |
Energie, höheren Temperaturen. Dadurch geschieht die Verdunstung viel | |
schneller, es bilden sich schneller Wolken. So kommt es zu einem | |
Ungleichgewicht. Deshalb regnet es in einigen Regionen so stark und in | |
anderen, wie derzeit in Amazonien, überhaupt nicht. | |
Wenn wir über Amazonien sprechen, wird häufig vergessen, dass dort 30 | |
Millionen Menschen leben. Was bedeutet die aktuelle Trockenphase für sie? | |
Sie hat dramatische Auswirkungen, denn die Flüsse sind von zentraler | |
Bedeutung für diese Menschen. Dort transportieren sie Lebensmittel, Wasser, | |
Benzin und vieles Andere. Etliche Dörfer können derzeit nicht versorgt | |
werden, da sie auf dem Flussweg nicht mehr zu erreichen sind. Viele Flüsse | |
sind wegen der Trockenheit einfach nicht tief genug, damit Schiffe darauf | |
fahren können. Das beeinflusst auch die Produktion im Industriegebiet von | |
Manaus (Millionenstadt im Bundesstaat Amazonas, Anm. d. Red.). Dort werden | |
Elektronikprodukte und Motorräder hergestellt. Viele Rohstoffe können nicht | |
angeliefert werden, ähnlich wie im vergangenen Jahr in Deutschland, als die | |
Schifffahrt unter dem Niedrigwasser im Rhein litt. | |
Und welche Auswirkungen hat die Dürre für den Regenwald? | |
Der Amazonas-Regenwald ist ein tropischer Feuchtwald, das heißt, er ist von | |
Wasser abhängig. Wenn dieses Wasser nicht in der nötigen Menge zur | |
Verfügung steht, hat das verheerende Auswirkungen. Zum Beispiel trocknen | |
Bäume aus und werden anfälliger für Brände. | |
Im Januar trat die Regierung unter dem Sozialdemokraten Lula da Silva ihr | |
Amt an. Sie versprach eine radikale Wende in der Umweltpolitik. Zeigt sich | |
das in der derzeitigen Krise? | |
Leider reagiert die Politik meist nur auf solche Extremwetterereignisse, | |
anstatt sich darauf vorzubereiten. Die Information, dass ein [3][El Niño] | |
auf uns zukommt, gibt es schon seit langem. Die letzten Phänomene dieser | |
Art zeigten, dass die Auswirkungen immer extremer ausfallen. Leider haben | |
es Politiker, auf Kommunal- Landes- und Bundesebene, versäumt, präventive | |
Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch muss man festhalten: Die | |
[4][Lula-Regierung] arbeitet deutlich koordinierter als Ex-Präsident | |
Bolsonaro. Verschiedene Ministerien versuchen, den Bewohner:innen der | |
betroffenen Regionen zu helfen. Aber nochmal: Es wäre sinnvoll, in die | |
Prävention für solche Umweltkatastrophen zu investieren. Noch in diesem | |
Jahr könnte es zu einem Super-El Niño kommen. | |
Es ist also mit weiteren Katastrophen zu rechnen? | |
Ja, leider. Die aktuelle Trockenphase in Amazonien ist alles andere als | |
eine Überraschung. Kürzlich gab es eine historische Dürre in | |
Zentralbrasilien und im Pantanal (Sumpfgebiet im Südwesten Brasiliens, Anm. | |
d. Red.), gefolgt von heftigen Regenfällen. In der Stadt Petrópolis im | |
Bundesstaat Rio de Janeiro regnete es an einem Tag so viel wie normalweise | |
in einem Monat. Im Norden São Paulos kam sogar eine Regenmenge von | |
durchschnittlich zwei Monaten herunter. Wenn wir es nicht schaffen, die | |
Treibhausgas effektiv zu verringern, wird es keinen Wandel geben. | |
5 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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