# taz.de -- Klimakrise an der Grenze Iran/Irak: Das Sterben der Walnussbäume | |
> Die Grenzregion Hawraman hat immer von ihren Nussplantagen gelebt. Doch | |
> die alten Bäume kommen mit der Erderhitzung nicht mehr klar. | |
Bild: Die Farben des Herbstes verwischen die Folgen der Klimakrise: Blick auf d… | |
HAWRAMAN taz | Einst waren es fruchtbare Täler. Aber dieses Jahr hat die | |
Region von Hawraman unter „der schlimmsten Dürre gelitten“, sagt Omid | |
Ahmad. Der Leiter des Landwirtschaftsamts in Byara in der ostirakischen | |
Provinz Halabja ist tief besorgt. Vor drei Jahren h[1][abe die Trockenheit | |
begonnen und sei dann immer zerstörerischer geworden,] so Ahmad. Vor allem | |
im Hochland werde das Wasser immer knapper. | |
Hawraman ist eine einsame und im Winter schneebedeckte Region mit 24 an die | |
Berge geschmiegten Dörfern und einst etwa 92.000 Walnussbäumen. Die | |
Bewohner:innen haben ihre Lebensweise mit den Jahrhunderten an die raue | |
Bergwelt angepasst. Obst und Nüsse werden hier vielfach auf Steinterrassen | |
angebaut, Viehzucht und die [2][jahreszeitlich bedingte sogenannte | |
vertikale Migration] gehören für die kurdischen Hawrami dazu – sie leben im | |
Winter im Tiefland, im Sommer zieht es sie höher in die Berge. | |
Wegen ihrer Einzigartigkeit hat die Unesco die im Iran und Irak gelegenen | |
Hawramat- und die nahe Uramanat-Region vor zwei Jahren [3][zum | |
Weltkulturerbe ernannt]. Auf bis zu 3.000 Metern Höhe leben viele mehr oder | |
weniger seltene Pflanzen- und Tierarten, auch persische Leoparden, | |
Braunbären, Mufflons und Wölfe. | |
Nun ist der Grundwasserspiegel gesunken, viele Bäche und Gewässer sind | |
ausgetrocknet. Das vertragen die hier typischen Walnussbäume nicht: 2021 | |
und 2022 verdorrten rund 30.000 Exemplare, in diesem Jahr sind es | |
wahrscheinlich noch mehr, sagt Ahmad. Vor allem die ältesten Walnussbäume, | |
die zwischen 100 und 300 Jahre alt sind, litten unter dem ausbleibenden | |
Regen. Inzwischen seien auch nahezu 150 der etwa 250 Quellen in der Region | |
versiegt, sagt Ahmad. | |
## Aus 150 mach 10 | |
„Ich habe diesen Garten von meinem Vater und meinem Großvater geerbt“, | |
erzählt Yunus Abdul Khaliq. Die Walnussplantage des 70-Jährigen ist etwa | |
zwei Hektar groß. Früher hat er mit seinen 150 Bäumen jedes Jahr etwa eine | |
Tonne Nüsse verkauft. Die Ware ging zunächst in den Irak, dann in die | |
Vereinigten Arabischen Emirate und bis nach Dubai. Jetzt sind nur noch 10 | |
Bäume übrig. „Ich habe neun Mitglieder in meiner Familie, deren | |
Lebensunterhalt von den Walnüssen abhängt“, sagt Khaliq. Er sei | |
verzweifelt. Die Behörden täten nichts: „Die Generaldirektion für | |
Landwirtschaft und die Regierung haben uns überhaupt nicht geholfen.“ | |
Es sei fast unmöglich, die Walnussbauern zu unterstützen, sagt Omid Ahmed | |
vom Landwirtschaftsamt in Byara: [4][„Wir können nicht mit Brunnenwasser | |
oder Wasser aus Zisternen helfen] – das ist viel zu teuer.“ Auch an Hilfe | |
aus der Hauptstadt Bagdad sei überhaupt nicht zu denken, so Ahmed: „Das | |
Landwirtschaftsministerium ist das unfähigste Ministerium mit dem | |
geringsten Budget.“ | |
Auch Fakhraddin Mustafa aus Horaman hat eine 2,5 Hektar große | |
Walnussplantage mit 110 Bäumen – und mittlerweile aufgrund der Dürre | |
zweieinhalb Millionen irakische Dinar verloren, etwa 1.800 Euro. Anstatt | |
200 Kilogramm wie in normalen Jahren hat er in diesem Jahr gerade einmal 10 | |
Kilo Walnüsse ernten können. Überhaupt sind nur noch 10 Walnussbäume übrig, | |
und auch die sind schon geschwächt. „Denn gleichzeitig haben sich Keime und | |
Würmer wie Krebsgeschwüre in unseren Bäumen ausgebreitet“, erzählt Mustaf… | |
Die Pflanzen seien wegen der Trockenheit besonders leicht angreifbar | |
gewesen. | |
## Neue Arten gesucht | |
Mustafa, der auch Universitätsprofessor und Agraringenieur ist, arbeitet | |
seit langem im Walnussanbau. Jeden Tag reist er von weitem an, um seinen | |
Garten zu pflegen. „Die Früchte der Hawraman-Bäume haben einen guten | |
Geschmack und einen hohen Fettgehalt – deshalb sind sie auch sehr gefragt | |
und teuer. Während ein Kilo normale Walnüsse am Markt 6.000 Dinar (4,30 | |
Euro) kostet, bringt ein Kilo Hawraman-Nüsse etwa 9.000 Dinar (6,50 Euro). | |
Mustafa meint, der Klimawandel mache das Wachstum von Nussbäumen in der | |
Region unmöglich: „Ich werde sie durch Granatapfel- und Feigenbäume | |
ersetzen.“ | |
Die Produktion in Kurdistan sei stark rückläufig, erklärt Agraramtsleiter | |
Ahmad: „Anstatt jährlich 35 Millionen produzieren wir derzeit nur etwa 5 | |
Millionen Nüsse.“ Es gebe keine Pläne, wie die Nussbäume erhalten bleiben | |
könnten. „Die Bauern“, so Ahmad, „haben ja aus Angst vor dem Austrocknen | |
ihrer Gärten auch noch Wasserbrunnen neben den Bächen gebaut. Das hat dazu | |
geführt, dass die meisten Quellen versiegt sind.“ | |
Auch Saman Abdulrahman, Präsident des Pflanzeninstituts an der | |
Amerikanischen Universität im kurdischen Sulaimani, hält die Zukunft der | |
Walnuss in der Region für stark gefährdet. Die Trockenheit setze „den | |
Bäumen schwer zu, sie hören auf zu wachsen, verlieren Produktivität, dann | |
werden sie von Krankheiten, Würmern und Keimen befallen“, so Abdulrahman. | |
Für ihn gibt es nur eine Lösung: „Die Landwirte müssen geschult werden, | |
[5][Bäume anzupflanzen, die gegen den Klimawandel resistent sind].“ | |
Transparenzhinweis: Der Artikel ist mit Unterstützung der taz Panter | |
Stiftung entstanden. | |
22 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Duerre-im-Irak/!5890092 | |
[2] /Essayband-ueber-Natur-und-Mensch/!5767260 | |
[3] https://whc.unesco.org/en/list/1647/ | |
[4] /Der-tuerkische-Ilisu-Staudamm/!5859730 | |
[5] /Waldumbau-in-Deutschland/!5962709 | |
## AUTOREN | |
Laila Ahmed | |
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anrichtet. |