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# taz.de -- Luc Tuymans und Edith Clever stellen aus: Möglicherweise vergangen
> Der Maler Luc Tuymans und die Schauspielerin Edith Clever stellen in der
> Berliner Akademie der Künste aus: Eine gelungene Kombination ihrer Werke.
Bild: Edith Clever in „Die Nacht“ (1985), ein Film von Hans-Jürgen Syberbe…
Luc Tuymans hat eine Bühne gemalt, „The Stage“, im Coronajahr 2020, als die
Bühnen nicht besuchbar waren. Vor einem Prospekt mit Torbögen steht ein
angedeuteter Tempel, zwei Scheinwerferkreise davor. Es ist eine
archetypische Bühne, Erinnerungsbild einer Kunst, die vom Hehren spricht
und möglicherweise längst vergangen ist.
Mit Bildern, die einmal etwas bedeutet haben, arbeitet der Maler aus
Antwerpen oft. Seit 2018 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin
und in deren Sälen am Pariser Platz stellt er jetzt aus. Aber nicht allein:
Er hat sich, Auftakt einer Reihe genreübergreifender Projekte der Akademie,
die [1][Schauspielerin Edith Clever dazu eingeladen], in der Akademie seit
1993. Es ist ihre erste Ausstellung.
Sein Bild „The Stage“ bildet so einen Raum der großen Erwartung an den
Auftritt der berühmten Schauspielerin, die an der Schaubühne in Berlin in
den 1970/80er Jahren die großen und ungeheuerlichen Frauen der antiken
Mythen und Tragödien (Klytämnestra, Medea, Penthesilea) spielte, aber auch
schwer verbitterte Figuren wie Lotte aus „Groß und Klein“ von Botho Strau�…
## Wie ein Wetterwechsel im Gebirge
Allein das Gesicht der heute über achtzigjährigen Schauspielerin zu
studieren, ist ein Erlebnis, als sähe man dem Wetterwechsel im Gebirge zu.
Alex Salinas, der als Fotograf [2][mit Luc Tuymans] zusammenarbeitet, hat
sie in einer langanhaltenden Großaufnahme gefilmt, für die Ausstellung. In
ihrer Mimik zeigen sich wechselnde Emotionen, ganz langsam sind die
Verschiebungen. Das ist eine gelungene Inszenierung der Schauspielerin als
Naturereignis.
Edith Clever und Luc Tuymans, die sich bei diesem Projekt erst
kennenlernten, wissen beide mit Reduktionen zu arbeiten, das Monumentale im
Schlichten aufzuspüren, Geschichte unter der Oberfläche vibrieren zu
lassen.
Tuymans nutzt in seinen Bildern das Weglassen, Wegmalen von Details wie
etwa Gesichtern, das Verbergen von Bildern unter gemalten Verhüllungen. Er
ist groß in der Kunst des Andeutens und Verweisens. Das kann man in der
Ausstellung in Beziehung setzen zu dem Minimalismus der Gesten und dem
Zelebrieren der sparsamen Bewegungen in Clevers Spiel.
## Mann mit Skieren im Schnee
Geschichte ist beiden wichtig. Luc Tuymans’ Bilder, wie zum Beispiel das
eines Mannes mit Skiern im Schnee, wirken oft durch ihre ästhetische
Reduktion, sind aber mit historischen Motiven verbunden. Der Mann im
Schnee, „Der Architekt“, 1998 gemalt, geht auf ein Foto vom Architekten
Albert Speer zurück, der die Räume der Akademie am Pariser Platz mit seiner
Planungsstelle besetzt hatte, als er die Reichshauptstadt Berlin zu Hitlers
Germania umbauen wollte.
Ein größenwahnsinniges Projekt. Ein unterirdischer Gang verband den
Reichstag mit den Akademieräumen, Hitler konnte so die Modelle betrachten.
Sehen kann man das nicht in Tuymans’ Bild „Der Architekt“, aber im
Begleitheft nachlesen. Und für den Maler ist die Geschichte Stimulanz
seiner Motivwahl.
Deutsche Geschichte ist auch der tiefe Grund des 367 Minuten langen Films
„Die Nacht“, Monologe gesprochen von Edith Clever, collagiert und
inszeniert von Hans-Jürgen Syberberg. Von 1981 bis 1994 hat sie viel mit
diesem Regisseur gearbeitet, in monumentalen Monologen. Fragmente der
„Nacht“ laufen im Saal 3 in Dauerschleife.
## Bilder, die nur aus Sprache kommen
Einerseits ist das wunderbar, sie Kleist, Nietzsche oder Hölderlin
rezitieren zu hören, sich ganz den Bildern, die nur aus der Sprache kommen,
hingeben zu können. Andererseits aber ist diese Collage auch [3][von der
Syberbergschen Perspektive der Trauerarbeit] durchzogen.
Er sah mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Orientierung an den USA
den Untergang des Abendlandes und der europäischen Kultur heraufziehen.
Edith Clever wird dann zu so etwas wie einem letzten Wächter der wahren
Kunst. So hingerissen man von ihrem Spiel ist, will man deshalb nicht alles
andere, was sich im Theater etwa mit Popkultur oder Postdramatik vermählt
hat, verdammen.
Dennoch bieten die Möglichkeiten, Edith Clever in den verschiedenen Bild-
und Klanginstallation in dieser Ausstellung zu begegnen, eine ungewöhnliche
Gelegenheit, Theatergeschichte zu erfahren. Oder ihr auch live zu begegnen,
bei „performativen Interventionen“ mit Texten von Botho Strauß – noch
einer, der sich wie Syberberg auf einen Gutshof zurückgezogen hat, um die
Gegenwart zu betrauern. Die Geschichte wird so zu einem etwas obskuren
Referenzpunkt, einem Tändeln mit dem Rückwärtsgewandten.
Einen Bogen durch die eigene Geschichte als Maler schlägt auch Luc Tuymans
in der Ausstellung. Von 1975 stammt sein Bild „Hands“, ein Selbstporträt,
in dem er aber sein Gesicht in eine fast konturlose Fläche verwandelt hat.
Seine Konzentration liegt dagegen auf der Körperhaltung, den
Farbabstufungen und den wenigen Akzenten des Lichts.
16 Oct 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
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Berlin Ausstellung
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