# taz.de -- Pinault-Museum in Venedig eröffnet: Dürre am Wasser | |
> François Pinault eröffnet sein Museum mit "Mapping the Studio". Der | |
> neueste Schatz in der Sammlung des Milliardärs nimmt sich ein bisschen | |
> absurd aus in Venedig. Ein Ortstermin | |
Bild: Und verschwand in der Wand: Kunst von Maurizio Cattelan | |
VENEDIG taz | Große Gesten passen zu Venedig. Aber wenn ein französischer | |
Milliardär an einem der berühmtesten Punkte der Stadt mit prominenten | |
Gästen und viel Champagner ein neues Kunstmuseum eröffnet, gehört das nun | |
in die Gesellschaftsnachrichten, in den Kulturteil oder zu den Reisetipps? | |
Zahlreiche von der Polizei in Reihe gebrachte Reporter umschwärmten am | |
Mittwoch den 72-jährigen François Pinault, den Bürgermeister von Venedig | |
und den Architekten, bekannte Musumsleute und Kuratoren, darunter der | |
Berliner Museumschef Kittelmann und der frühere Documenta-Leiter Envezor. | |
François Pinault zieht die Prominenz an. Er ist der vielleicht mächtigste | |
lebende Kunstsammler. Ihm gehören neben den Kaufhausketten Printemps und | |
Fnac so berühmte Luxusfirmen wie Gucci und das Spitzenweingut Chateau | |
Latour, der bretonische Erstliga-Fußballclub Stade Rennes und die Firma | |
Puma, auch eine Zeitung, ein Magazin und ein Theater, dazu praktischerweise | |
das Auktionshaus Christies und eben weit über 2.000 Kunstwerke. Schon 2005 | |
kaufte er der Firma Fiat den bereits zum Ausstellungshaus umgebauten | |
spätbarocken Palazzo Grassi am Canal Grande ab, 2007 bekam der Bretone | |
gegen die Konkurrenz der Guggenheim-Stiftung das alte, stadtbildprägende, | |
aber marode Zolllager zwischen Santa Maria Salute und der Mündung des Canal | |
Grande zugesprochen. Nur 14 Monate dauerte der vom japanischen | |
Stararchitekten Tadao Ando geleitete Umbau in ein 5.000 Quadratmeter großes | |
Museum, das nun aus der Sammlung Pinault bespielt wird. | |
Innen herrscht mit Ziegelmauern und neuen polierten Betonelementen die | |
Atmosphäre industrieller Zweckarchitektur. Das Ausstellungskonzept ist | |
nicht leicht erkennbar, die im Titel "Mapping the Studio" gegebene Referenz | |
an die Kunstproduktion wird nur mit Fotos im Katalog wirklich ausgeführt. | |
Oft sind Paarungen zu entdecken, Zusammenstellungen berühmter und weniger | |
bekannter Künstler. Ironische Brechungen sind eher selten, selbst Pornopop | |
oder Comic-Zitate kommen als große und sehr ernste Arbeiten daher, sei es | |
bei Richard Prince oder bei Mike Kelleys Städtebau-Labor für die Stadt | |
Kandor des fernen Planeten Krypton. Doch auch diese magisch im Dunkeln | |
leuchtende Installation ist allzu ausgedehnt. Der Kultkünstler Takashi | |
Murakami hat für seinen größten Sammler Pinault sogar sein bisher größtes | |
Bild in gold-bunt strahlendem Japanpop erstellt: 16-teilig und 24 Meter | |
breit. | |
Erstaunlich viele Arbeiten sind direkt oder indirekt mit dem Tod befasst: | |
So einige der großen Zeichnungen von Marlene Dumas, die neun | |
Leichentücherskulpturen aus Carrara-Marmor von Maurizio Cattelan oder die | |
geradezu irre ausufernde Nazimord-Modellwelt "Fucking Hell" der Brüder Jake | |
und Dinos Chapman. Die in neun Vitrinen mit breughelscher Fantasie mit | |
massenmordenden Schergen und tausenden von Skelettfigurinen ausgestaltete | |
Endzeitvision ist ein Remake der Arbeit, die im Jahr 2000 verbrannte. | |
Beide Ausstellungsorte in Venedig liegen am Wasser. Und doch ist die so | |
ausdrücklich großartige Kunst etwas trocken. So ist für den Chef einer | |
Markenartikel-Holding eine Arbeit über Werbung sicher passend. Doch die 38 | |
Tische mit insgesamt 797 vom Schweizer Künstlerduo Fischli & Weiss | |
reproduzierten Anzeigen sind trotzdem ein schrecklich langweiliger | |
Raumfüller. Erfreulich sind die vielen ruhigen Bilder der belgischen Maler | |
Luc Tuymans und Michael Borremans, überflüssig die des alten | |
Skandalkünstlers Otto Mühl. Und wenn bei dem quer in den Saal gehängten | |
Polke-Bild sich alle fragen, soll das knapp fünf mal neun Meter große Ding | |
ein Bild sein oder ist es nur ein vom Sonnenlicht interessant bestrahlter | |
Raumteiler, dann ist beim Streben nach demonstrativ dominanten Dimensionen | |
ganz sicher etwas schiefgelaufen. | |
Aktuelle Kunst außerhalb der Biennalen ist in dieser Stadt ohnedies ein | |
großes Problem: Venedig ist schon selbst ein nicht zu übertreffendes | |
Museum, und die großartigen Kunstaufträge einstiger Dogen sind heute selbst | |
von Milliardären mäzenatisch kaum zu übertreffen. Doch der zum dritten Mal | |
wiedergewählte linke Bürgermeister und Philosoph Massimo Caccari hat all | |
das am Eröffnungstag sehr gelobt. Ein teures Privatmuseum ist allemal | |
besser als jahrzehntelanger Verfall an einer so prominenten Stelle. Und | |
mittwochs haben Venezianer sogar freien Eintritt. | |
5 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Hajo Schiff | |
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