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# taz.de -- Chinas Taiwan-Strategie: Zwischen Zuckerbrot und Peitsche
> Peking lockt Taiwan in einem neuen Strategiepapier mit wirtschaftlichen
> Anreizen. Zugleich droht es mit militärischer Einschüchterung.
Bild: Übung in Taiwan mit F-16 Kampfjet am 17. August, um Flugzeuge aus China …
Peking taz | Wenn Parteikader aus der Volksrepublik über Taiwan reden, dann
tun sie das wie ein autoritärer Vater zum rebellischen Sohn. Man ist ganz
offensichtlich der Auffassung, die 23 Millionen Taiwaner müssten bloß zu
ihrem „Glück“ gezwungen werden. Denn obwohl seit Jahrzehnten nur ein
verschwindend geringer Bruchteil der demokratisch regierten
Inselbevölkerung einen Anschluss zum autoritären China möchte, hat man in
Peking die Vision einer „friedlichen Vereinigung“ niemals aufgegeben.
Am Donnerstag stellten die chinesischen Behörden nun ihre bisher
umfassendste Charme-Offensive seit langem vor. In einem Strategiepapier des
Staatsrats wird die Vision einer „integrierten Entwicklung“ zwischen der
südchinesischen Provinz Fujian und Taiwan skizziert. Man wolle den
„taiwanischen Landsleuten“ ein vertrautes und sicheres Umfeld zum Arbeiten,
Studieren und Investieren bieten, heißt es.
Die Anreize sind umfassend – und vor allem wirtschaftlicher Natur: So soll
es etwa Firmen aus Taiwan leichter gemacht werden, in China an die Börsen
zu gehen. Bei einem Umzug aufs Festland sollen zudem die Kinder Zugang zu
öffentlichen Schulen und die Angestellten zu örtlichen Sozialleistungen
erhalten.
Ebenso habe man bereits die technologischen Möglichkeiten entwickelt, einen
Eisenbahntunnel in der Taiwan-Straße zu bauen, was der Insel neben dem
Personenverkehr auch die Anbindung an Chinas Zugnetz bieten würde. Damit
könnten Waren über China bis zum europäischen Festland transportiert
werden.
## Peking lockt mit „grüner Elektrizität“
Nicht zuletzt sei man bereit, der Insel „grüne Elektrizität“ im großen S…
zu liefern. Die Energiesicherheit ist in Taiwan ein ganz besonders heikler
Punkt, quasi das Siegfried'sche Lindenblatt für die nationale Sicherheit:
denn die Insel ist massiv von Importen aus dem Ausland abhängig und könnte
bei einer Blockade sofort von der notwendigen Versorgung abgeschnitten
werden.
Die Vision der chinesischen Staatsführung hat jedoch einen Haken: Sie wird
von der Regierung in Taiwan einhellig abgelehnt. Es handele sich um einen
„einseitigen“ Plan, der Gleichbehandlung und wirtschaftliche Anreize nur
als Vorwand anbiete, um „die Führung der [1][kommunistischen Partei] zu
akzeptieren“, heißt es von Taiwans Rat für Festlandangelegenheiten: „Das
ist völliges Wunschdenken“.
„China sollte lieber darüber nachdenken, sich um seine Schulden zu kümmern,
anstatt eine Einheitsfrontpolitik gegen Taiwan zu betreiben“, sagte Wang
Ting-yu, Abgeordneter der regierenden Demokratie-Partei, in einer
Videobotschaft.
Tatsächlich ist Pekings Charme-Offensive leicht als abgekartetes Spiel zu
durchschauen. Denn bei der Parteiführung gehen stets Zuckerbrot und
Peitsche Hand in Hand: Zeitgleich zur Veröffentlichung des neuen
Taiwan-Papiers hat die Volksbefreiungsarmee ihre Präsenz in der
Taiwan-Straße massiv erhöht. Allein am Donnerstagmorgen hat das
Verteidigungsministerium in Taipeh 68 Kampfflugzeuge und 10 Schiffe
registriert. Derzeit soll Peking in der Region eine groß angelegte
Militärübung abhalten, an der auch ein Flugzeugträger beteiligt ist.
## Peking droht regelmäßig mit Krieg
Regelmäßig droht Staats- und Parteichef Xi Jinping, die Insel Taiwan
notfalls unter Zwang einnehmen zu wollen. Man strebe zwar eine „friedliche
Vereinigung“ an, behalte sich aber das Recht vor, militärische Mittel
einzusetzen.
Derzeit ist zudem ein besonders kritischer Zeitpunkt, da die Taiwaner
[2][im Januar einen neuen Präsidenten wählen] werden. Peking erhöht seine
Propaganda und „Fake News“-Kampagnen, um Einfluss auf den Urnengang zu
nehmen.
Doch während sich früher das Peking-kritische und Peking-freundliche Lager
gegenüberstanden, unterscheiden sich Taiwans zwei große Parteien derzeit
nur mehr im Ausmaß ihrer Kritik an China.
## Kandidat in Taiwan: „Status Quo als einzige Option“
Einer der Kandidaten, der bei den Präsidentschaftswahlen antreten wird, ist
der ehemalige Taipeh-Bürgermeister Ko Wen-je. Am Mittwoch brachte er seine
China-Politik in einem Interview mit Bloomberg auf den Punkt: „Im Moment
ist die Beibehaltung des Status quo die einzige Wahl, die wir haben“. Man
wolle weder eine Vereinigung mit China noch eine formelle Unabhängigkeit,
die einen Krieg provozieren könne.
Die von Peking angestrebte Integration ins Festland scheint derzeit ohnehin
ferner denn je. Denn der Austausch zwischen den zwei Nachbarländern ist
seit der Pandemie noch niedriger als zuvor: Zwischen Peking und Taipeh gibt
es derzeit lediglich drei bis maximal vier Direktflüge pro Tag. Zum
Vergleich: Wer von der taiwanischen Hauptstadt nach Tokio fliegen möchte,
dem stehen an vielen Wochentagen über 20 Verbindungen zur Auswahl.
15 Sep 2023
## LINKS
[1] /Chinas-Aussenminister-verliert-Amt/!5946379
[2] /Kandidatur-fuer-Praesidentschaftswahl/!5953085
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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China
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