Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leitlinie zu Bildschirmzeit von Kindern: Lasst den Eltern doch die …
> „Gestresste Eltern“ sollen schuld sein an der zu hohen Bildschirmzeit von
> Kindern. Doch Druck auf die Eltern hilft nicht – sie brauchen
> Unterstützung.
Bild: „Nur noch eine Folge!“
Gerade ist eine neue Leitlinie der üblichen Fachverbände zu
Bildschirmzeiten von Kindern [1][erschienen]. In der medialen Debatte, die
dazu nun wieder geführt wird, schauen Kinder aber nicht einfach nur fern,
sondern sie werden [2][von „gestressten Eltern“ vor Bildschirmen
„geparkt“]. Da schwingt schon alles mit: lieblos abgestellt wie ein Ding,
dessen man überdrüssig ist. Man hätte einfach gar keine Kinder bekommen
sollen, wenn man dann keine Zeit mit ihnen verbringen will, heißt es jetzt
wieder in den Kommentarspalten.
Als müsste man, um [3][ein gutes Elternteil] zu sein, die Kinder von
morgens bis abends mit ungeteilter Aufmerksamkeit erdrücken. Gerne wird in
der Diskussion dann auch Steve Jobs zitiert, der mal in einem Interview
gesagt hat, dass seine Kinder iPads nicht nutzen dürfen. Nur sind
Milliardäre, die oft Nannys, Köch*innen und Assistent*innen
beschäftigen, kein Maßstab für einen Großteil der Durchschnittseltern. Und
genau das ist mein Hauptproblem mit der Debatte: Sie hat in großen Teilen
wenig mit der Realität der meisten Familien zu tun.
Im [4][Interview zur Leitlinie selbst fasst Gesine Hansen], die
Kongresspräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und
Jugendmedizin, die Empfehlungen so zusammen: „Kinder unter drei sollten gar
keine Zeit vor Bildschirmen verbringen. Drei- bis Sechsjährige maximal 30
Minuten und Sechs- bis Neunjährige höchstens 45 Minuten, jeweils pro Tag.“
## Keine politischen Konsequenzen
Kinder unter drei Jahren ganz von Bildschirmen fernzuhalten, ist vielleicht
möglich, wenn es keine älteren Geschwister gibt. Es ist auch sicher
wichtig, die Bildschirmzeit insgesamt zu begrenzen, auf altersgerechte
Inhalte und Abwechslung im Alltag zu achten. Kinder sollten Freunde
treffen, Bewegung und Hobbys haben. In unserem Interview legte der
Medienpsychologen Malte Elson 2021 aber auch den Schluss nahe, dass ein
vierjähriges Kind nicht ab Minute 31 vor einem Bildschirm Schaden
davonträgt. So würde das Gehirn nicht funktionieren.
Was mich an diesen Richtlinien vor allem ärgert, ist, dass sie ohne
politische Konsequenzen daherkommen. Denn was bringt es Alleinerziehenden,
Eltern, die mehrere Jobs haben oder Eltern, die anders allein gelassen
werden, wenn sie zu ihren Problemen noch ein schlechtes Gewissen bekommen?
Gar nichts.
Wieso fragt man nicht die Eltern, wieso die Bildschirme länger laufen?
Haushalte, in denen Sucht, Gewalt, Krankheit oder Vernachlässigung eine
Rolle spielen, kann man ausnehmen, die brauchen andere Hilfe als eine
Leitlinie der Fachverbände. Aus den übrigen Haushalten würden die Antworten
vermutlich lauten: Weil ich das Essen zubereite. Weil ich den Haushalt
mache. Weil ich schlafen muss. Weil ich krank bin. Weil ich eine Pause
brauche.
Eltern unter Druck zu setzen, um etwas zu ändern, das sie aus eigener Kraft
nicht ändern können, ist sinnlos. Es ist auch recht offensichtlich, dass
Ratschläge, wie, diese Kinder sollten besser Geige spielen oder ins Museum
gehen, hier ins Leere laufen.
Anstatt also nur realitätsferne Empfehlungen auszusprechen, könnte man die
revolutionäre Frage stellen, was diese Eltern bräuchten, um die
Bildschirmzeit der Kinder auf die empfohlene Zeit zu reduzieren? Ein paar
Gutscheine für Essenslieferungen für Alleinerziehende könnten da unter
Umständen schon Wunder wirken. Sofern es einem wirklich ernst ist damit.
25 Sep 2023
## LINKS
[1] https://register.awmf.org/assets/guidelines/027-075l_S2k_Praevention-dysreg…
[2] /Mediensucht-von-Jugendlichen/!5920634
[3] /Freude-am-Huepfen/!5956266
[4] /Medienpsychologe-Elson-zu-Kinder-und-TV/!5743064
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Tablet
Computer
Fernsehen
Eltern
Kolumne Kinderspiel
IG
IG
Kolumne Kinderspiel
Eltern
Kolumne Kinderspiel
Kolumne Kinderspiel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Festtage mit Kindern: Der Advent hat 24 Viren
Mit kleinen Kinder ist die Weihnachtszeit stressig. Alle werden krank,
nichts läuft jemals wie es laufen soll – aber im Grunde ist das auch egal.
Kaum Stipendien für schreibende Mütter: Kein Platz im Turmzimmer
Es gibt unzählige Stipendien für Autor*innen. An schreibende Mütter wird
nicht gedacht, an Alleinerziehende schon gar nicht. Das muss sich ändern.
Verreisen mit Kindern: Der Endgegner für Eltern
Urlaub mit Kindern ist selten Erholung, es ist im besten Fall ein
Tapetenwechsel. Aber das muss doch auch anders gehen, meint unsere
Kolumnistin.
Nach der Geburt: Der angebrachte Kontrollverlust
Nach Schwangerschaft und Kaiserschnitt fühlt sich der Körper an wie der
einer fremden Person. Doch die Außenwelt reagiert oft verständnislos.
Erinnerungen an die Kindheit: Marmeladengläser und kleine Krokodile
Woran sich Kinder später erinnern werden, hat man nicht in der Hand. Sie
entwickeln eine eigene Perspektive auf ihre Kindheit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.