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# taz.de -- Die Ärzte mit Sozialticket: Mehr als nur guter Musikgeschmack
> Dass die Eintrittspreise immer nur nach oben gehen, muss nicht sein. Die
> Ärzte bieten für ihre Berliner Konzerte nächstes Jahr verbilligte
> Sozialtickets an.
Bild: Ärzte-Sänger Farin Urlaub auf der Bühne
Berlin taz | Es ist die vielleicht beste Idee der Welt aus Berlin von der
bekanntermaßen besten Band der Welt aus Berlin: Die Ärzte verkaufen
sogenannte [1][Sozialtickets für Auftritte in ihrer Heimatstadt]. Am 23.
und 24. August kommenden Jahres gibt die Band zwei Konzerte auf dem
Tempelhofer Feld, für beide Termine bieten sie für nicht so betuchte
Popfans ermäßigte Tickets für 19,90 Euro an. Berechtigt für die
Ärzte-Sozialtickets sind jene Menschen, die auch den Berechtigungsnachweis
Berlin-Ticket S besitzen, also die preisreduzierte Monatskarte für den
Nahverkehr.
„Die Kosten, um ein Konzert veranstalten zu können, sind in den vergangenen
Jahren aus vielerlei Gründen massiv gestiegen – und die Ticketpreise
entsprechend in die Höhe geschossen“, erklärt das Trio auf seiner Website.
Damit nicht nur Privilegierte sich ihre Shows leisten könnten, haben sie
ein – derzeit noch erhältliches – Kontingent ermäßigter Karten zur
Verfügung gestellt. Regulär kosten die Ärzte-Tickets 82 Euro, Tickets zum
Regeltarif gibt es nur noch für den ersten Termin.
Keinem Pop-Fan wird entgangen sein, dass die Ticketpreise stark angezogen
haben – mehr als die Verbraucherpreise im Schnitt in Zeiten der Inflation.
Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft geht von einer
Preissteigerung von etwa 10 bis 15 Prozent aus. Für große Rock-Acts wie
Queens Of the Stone Age oder The National muss man mehr als 50 Euro zahlen
– das scheint fast schon gängig zu sein. Bei Weltstars wie Taylor Swift,
Madonna, Beyoncé oder Metallica geht es bei den meisten Konzerten erst ab
100 Euro los – nach oben gibt es dann kaum ein Limit. Weil Ökonom*innen
ausgerechnet haben, dass [2][Ticketpreise in manchen Ländern ein
bedeutender Faktor der Inflation] sind, machten auch schon die Begriffe
„Beyflation“ oder „Swiftflation“ die Runde.
Damit es bei der Ärzteflation sozial ausgewogener zugeht, starten Bela B.,
Farin Urlaub und Rod González nun zunächst ausschließlich für
Berliner*innen diese Aktion. Bei den Bewohner*innen der Hauptstadt
ist es – mit dem Sozialticket – relativ gut überprüfbar, wer zum
Personenkreis mit geringem Einkommen zählt. Bundesweit, so die Band,
gestalte sich dies weitaus schwieriger – und dass Fans Einkommensnachweise
erbringen müssen, um eines ihrer Konzerte besuchen zu können, wollen sie
nicht. „Wir möchten das Angebot mit dem in Berlin gültigen
Berechtigungsnachweis der hiesigen Senatsverwaltung starten“, schreiben
sie, „hoffen aber, das alles bei zukünftigen Events deutlich ausweiten zu
können.“
## Alles immer teurer
Zumindest den Mittelklasse-Bands und -Veranstaltern kann man es dabei kaum
zum Vorwurf machen, dass die Preise so durch die Decke gehen – die
Produktionskosten für Events liegen viel höher als noch vor der Pandemie
und der Inflation. Techniker*innen sind teurer, Künstlergagen wurden
angepasst, Energiekosten sind gestiegen. Die Kosten für ein Konzert seien
auf Veranstalterseite geschätzt um durchschnittlich rund 30 Prozent
gestiegen, sagt Johannes Everke vom Bundesverband der Konzert- und
Veranstaltungswirtschaft gegenüber der taz. Auf die Krisen hat auch schon
die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth
(Grüne), reagiert. Für junge Menschen (18-Jährige), die von der Pandemie
besonders betroffen waren, hat sie [3][den Kulturpass] ins Leben gerufen –
einen 200-Euro-Gutschein, der für Kulturgüter verwendet werden kann, auch
für Konzerte.
Die Ärzte haben sich während der multiplen Krisen einmal mehr als
engagierte Band erwiesen. Um die Berliner Clubs zu unterstützen und zu
ihrem Erhalt beizutragen, haben sie zunächst während der [4][Coronazeit
Comiclesungen] veranstaltet und 2022 eine Berlin-Tour durch kleine Clubs
gemacht.
Mit ihren Texten stehen sie seit jeher für kluge und äußerst amüsante
Sozialkritik, aber auch für Empowerment. Oft geht es darum, unbeirrt seinen
eigenen Weg zu gehen: „Mach Dein Ding, steh’ dazu/ Heul nicht rum, wenn
andere lachen“, heißt es etwa in „Punk ist …“ Und Farin Urlaub singt in
seinem Solosong „Glücklich“ zum Beispiel: „Es ist egal, was du bist/
Hauptsache ist/ Es macht dich glücklich“. Beglücken dürfte die
wirtschaftlich schwächeren Pop-Fans dieser Stadt ganz sicher auch diese
nachahmenswerte Aktion der Ärzte.
29 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.bademeister.com/aktuell
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/beyonce-inflation-100.html
[3] https://www.kulturpass.de/ueber-den-kulturpass
[4] /Hilfe-fuer-Clubs-in-Corona-Zeiten/!5696484
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Die Ärzte
Punkrock
Tickets
Inflation
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