| # taz.de -- Jetzt doch bei Spotify: „Die Ärzte“ geben nach | |
| > Nun kann man doch Songs der Punkband bei Spotify anhören. Damit endet ein | |
| > langer, trotziger Widerstand gegen Streamingdienste. | |
| Bild: Willkommen auf Spotify, Farin Urlaub! | |
| „Wenn ich jemandem etwas schenken möchte, dann mache ich das persönlich“, | |
| hat Farin Urlaub geantwortet, auf die Frage, warum die Songs seiner Band | |
| „Die Ärzte“ nicht auf Spotify sind. Etwas mehr als drei Jahre ist es her, | |
| dass dieser Satz gefallen ist, in einem [1][Interview] mit der | |
| Westfälischen Zeitung. | |
| Es ist ein Satz, ohne den kaum ein Artikel auskommt, der nun berichtet, | |
| dass nun auch dieser Widerstand gebrochen ist: seit heute gibt es „Die | |
| Ärzte“ [2][eben doch bei Spotify]. Vom ersten Album (1984) bis zum jüngsten | |
| (2002). Und nicht nur hier: auch bei den Streaming-Diensten Deezer und | |
| Apple Music sind ihre Songs jetzt verfügbar. | |
| Weswegen auf Twitter nun fröhlich herumgekräht wird, wie wundervoll es ist, | |
| Songs wie „Zu spät“ und „Westerland“ und „Schrei nach Liebe“ | |
| wiederzuentdecken, wie garstig es ist, dass Index-Lieder wie | |
| „Geschwisterliebe“ nicht zu finden sind und natürlich: „endlich im 21. | |
| Jahrhundert angekommen“. | |
| Klassischer Fan-Schnack ist das, wenig berichtenswert. Wären die Ärzte | |
| nicht eine der letzten großen deutschen Bands gewesen, die noch Widerstand | |
| gegen das Musikstreaming-Wesen geleistet hatten. Eine Art gallisches Dorf, | |
| das herumbockte, als all die Toten Hosen und Grönemeyers schon längst klein | |
| bei gegeben hatten und sich eben doch still und leise in den Katalog von | |
| Spotify hatten einspeisen lassen. Ergo erzählt Farin Urlaub in eben jenem | |
| Interview von 2015 auch, wie Spotify sich ungefragt bei ihren Songs | |
| bediente, bis Anwälte der Ärzte sie zurückpfiffen. Und das damals 200.000 | |
| Abrufe gerade einmal 16 Cent eingebracht hätten. | |
| ## Musik als Hintergrundgeräusch | |
| Ein Statement auf der [3][offiziellen Seite der Band] betont den Hang der | |
| Band zu „Schönheit und Haptik“, weswegen es CDs, Vinyl und „heiße und s… | |
| laute Konzerte“ natürlich trotzdem weiter geben werde. | |
| Nun ist das alles richtig: Streamingdienste bieten Musik in komprimierten | |
| Formaten an – da gibt es natürlich Einbußen in der Tonqualität. Die umso | |
| gravierender werden, wenn man Songs dann auch noch frecherweise in der | |
| kreischenden U-Bahn hört, neben der Baustelle oder um Menschenlärm zu | |
| übertünchen. Nur ist das eben die Art und Weise, wie sehr viele Menschen | |
| diese Musik in ihr Leben einbauen möchten. Weil die Qualitätseinbuße den | |
| Zugewinn an Freiheit nicht aufwiegen. | |
| Was auch stimmt: Spotify macht Musiker nicht reich. Viele Musiker | |
| [4][beklagen], wie wenig bei ihnen ankommt. Manche legen sogar en detail | |
| offen, welche Summe sie für wie viele Abrufe bekommen haben. Es kursieren | |
| verschiedene Zahlen, wie viel Geld unter welchen Umständen pro | |
| Streaming-Abruf eines Songs an den Künstler fließen – meist sind es | |
| irgendwas zwischen [5][0,3] und [6][0,9 Cent]. | |
| Spotify selbst bestätigt das nicht. Verträge habe man mit den | |
| Rechteinhabern, Musiklabel also, oder mit der Gema. An sie flössen auch | |
| etwa 70 Prozent der Einnahmen, die Spotify erzielt. Wie viel davon an die | |
| Künstler ausgeschüttet wird, machen sie mit ihren Labels aus. Nicht mit | |
| Spotify. Der Sprecher erklärt weiter: wie viel an Rechteinhaber | |
| ausgeschüttet werde, variiere – abhängig davon, wie häufig die Songs einer | |
| Band im Verhältnis zum Gesamtvolumen aller Streams gehört wurden. Wie hoch | |
| die Werbeeinnahmen in einem Monat waren. Und ob die Songs von zahlenden | |
| oder nichtzahlenden Spotify-Nutzern gehört wurden. | |
| ## Kein Extra-Deal mit den Ärzten | |
| Da die Ärzte seit 1998 alle ihre Platten beim eigenen Label „Hot Action | |
| Records“ herausbringen, dürften sie demnach vergleichsweise gut wegkommen. | |
| Denn, das betont der Spotify-Sprecher gegenüber der taz: einen besonderen | |
| Deal hat es mit den Ärzten nicht gegeben – sie werden nach den gleichen | |
| Prinzipien vergütet wie andere Bands auf Spotify auch. | |
| Heisst: die Ärzte werden nicht verhungern, nur weil ihre Songs bei Spotify | |
| sind. | |
| Weil sie dort immer noch besser gestellt sind als aufmerksamkeitsschwächere | |
| Musiker, die sich mit den Streaming-Einnahmen zufrieden geben müssen, die | |
| ihre Labels ihnen zugestehen. | |
| Weil sie Fans haben, die ihnen treu ergeben sind, die zu ihren Rock am Ring | |
| und Park-Konzerten kommen werden und von denen einige wahrscheinlich auch | |
| die [7][330 Euro teure] Gesamtwerkausgabe „Seitenhirsch“ kaufen werden, die | |
| zufällig zeitgleich zum Spotify-Start erscheinen wird. | |
| Streaming-Plattformen – und allen voran Spotify – haben in den vergangenen | |
| zehn Jahren umgekrempelt, wie Musik gehört wird; wo; wie sie gefunden wird; | |
| und wie die, die sie machen, vergütet werden. | |
| Einst gebar das Internet den Traum, dass das Internet alles einfacher | |
| machen werde, zwischen Künstler und Fan: keine fiesen Plattenlabel mehr | |
| dazwischen, die sich Gewinnmargen rausschneiden, statt dessen direkte | |
| Unterstützung. Heute ist klar: es sind nicht weniger, sondern mehr | |
| Mittelsmänner und -frauen geworden, die mitverdienen: Streamingplattformen, | |
| Labels, sogar Crowdfunding-Seiten, wo die Künstler sich das Geld für die | |
| nächste Platte von den Fans zusammenstoppeln lassen. | |
| Das zwingt alle zur offensiven Selbstvermarktung und manche kleine bis | |
| mittelständische Musiker unter Umständen ins Prekäre. Auf der anderen | |
| Seiten haben heute mehr Musiker denn je die Chance, sich im Netz zu | |
| präsentieren – wesentlich mehr jedenfalls, als es waren, als man es noch | |
| durch den Flaschenhals von Labels drücken musste, um auf CD gepresst zu | |
| werden. | |
| Überhaupt, CD, das gab's ja auch noch. Damals. Vor Spotify. Haben all die | |
| Menschen, die die Ärzte jetzt streamen bestimmt auch noch irgendwo | |
| rumfliegen. | |
| 16 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.wn.de/Muenster/Kultur/2015/05/1965240-Interview-mit-Farin-Urlau… | |
| [2] https://open.spotify.com/artist/0cbL6CYnRqpAxf1evwUVQD | |
| [3] http://www.bademeister.com/v11/news/news.php | |
| [4] https://t3n.de/news/verdient-musiker-spotify-514210/ | |
| [5] https://www.basicthinking.de/blog/2018/04/18/bezahlung-streaming-dienste/ | |
| [6] https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/musikstreaming-spotify-zahlt-ers… | |
| [7] https://www.musikexpress.de/die-aerzte-sind-ab-sofort-auf-spotify-deezer-un… | |
| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
| ## TAGS | |
| Die Ärzte | |
| Spotify | |
| Streaming | |
| Die Ärzte | |
| Podcast-Guide | |
| spex | |
| Musikvideo | |
| Streaming | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Ärzte mit Sozialticket: Mehr als nur guter Musikgeschmack | |
| Dass die Eintrittspreise immer nur nach oben gehen, muss nicht sein. Die | |
| Ärzte bieten für ihre Berliner Konzerte nächstes Jahr verbilligte | |
| Sozialtickets an. | |
| Spotify übernimmt Podcast-Label: Der Streamingdienst hat Hunger | |
| Haps: Der Musikstreaming-Dienst hat sich das US-Podcast-Label Gimlet | |
| einverleibt. Wird nun alles anders in der Podcast-Welt? | |
| Ende des Berliner Musikmagazins: Krach, bum! Spex kaputt | |
| Am Jahresende nach 38 Jahren wird die letzte Nummer des Berliner | |
| Musikmagazins „Spex“ erscheinen. Stimmen zum Ende einer Ära. | |
| Comeback der Musikclips: Video killed the TV-Star | |
| Musikvideos sind eine Sache der 80er und 90er? Im Gegenteil: Sie haben sich | |
| im Netz neu angesiedelt – mit ganz neuen Möglichkeiten. | |
| taz-Debattenserie Digitalisierung: Im digitalen Ramschladen | |
| Ohne Spotify, Apple Music & Co. geht nichts, aber Musiker profitieren kaum | |
| davon. Es wird Zeit für einen neuen Anlauf zu einer Kulturflatrate. |