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# taz.de -- Hochstapler-Affäre in der AfD: Das bisschen Lüge
> Falschangaben im Lebenslauf zweier Kandidaten für das EU-Parlament haben
> keine ernsthaften Konsequenzen. Die AfD lässt sie trotzdem zur Wahl
> antreten.
Bild: In Erklärungsnot: AfD-Spitze Chrupalla und Weidel, hier bei der Europawa…
Berlin taz | Es ist noch keine zwei Wochen her: Da hat der stellvertretende
AfD-Bundessprecher Stephan Brandner dem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert
im Bundestag an den Kopf geworfen, keinen Berufsabschluss zu haben. Häufig
wettert die extrem rechte Partei populistisch gegen Vetternwirtschaft,
geschönte Lebensläufe, vermeintlichen Politik-Filz und bezeichnet sich
selbst als aufrechte Alternative dazu. Tatsächlich wird die AfD ihren
angeblichen Ansprüchen vielfach nicht gerecht, die [1][Liste der Skandale,
Spendenaffähren und Intrigen] ist trotz kurzer Parteiengeschichte
auffallend lang.
Ganz aktuell bestätigt sich das wieder: Sowohl empörte Basis-Mitglieder als
auch zerknirschtes AfD-Spitzenpersonal beschäftigen sich derzeit mit einer
parteiinternen Hochstapler-Affäre: Denn zwei Kandidaten der Europawahlliste
haben falsche Angaben zu ihrem Lebenslauf gemacht.
Das bestätigte die Partei am Dienstagmittag nach einer mehrstündigen
Bundesvorstandssitzung am späten Montagabend. Die Co-Bundessprecher Alice
Weidel und Tino Chrupalla veröffentlichten mittags eine Mitteilung mit den
Worten: „Die bereits bekannten mutmaßlichen Sachverhalte um die Kandidaten
Bausemer und Khan-Hohloch wurden bestätigt. Zur Zeit der Bewerbungsreden
lagen keine berufs- oder studienqualifizierenden Abschlüsse vor.“
Brisant dabei: Ernsthafte Konsequenzen für die Europaliste soll das keine
haben. Eine Wiederholung des Parteitages wird seitens des Parteivorstands
ausgeschlossen, wie es in der Mitteilung heißt. Im Klartext: Die Vorwürfe
stimmen zwar, aber auf ihren aussichtsreichen Listenplätzen für das
EU-Mandat dürfen die beiden Kandidat*innen trotzdem antreten – das
bisschen Hochstapelei.
Wohl zur Beschwichtigung hält sich der Vorstand Ordnungsmaßnahmen gegen die
beiden künftigen EU-Abgeordneten vor: „In den nächsten Tagen wird der
Bundesvorstand über angemessene und geeignete Maßnahmen beraten, um dem
erschütterten Vertrauen innerparteilich angemessen zu begegnen“, heißt es
im Statement von Weidel und Chrupalla.
## Bundesvorstand in Erklärungsnot
Es geht um Arno Bausemer, Listenplatz 10, Kandidat aus Sachsen-Anhalt, der
über keinen Berufsabschluss verfügt, und Mary Khan-Hohloch, Listenplatz 14,
die beim Antritt kein abgeschlossenes Studium gehabt haben soll. Beide
hatten allerdings vor ihren Bewerbungsreden angegeben, dass sie über einen
Abschluss verfügen.
Aus dem AfD-Vorstand war zu hören, dass Bausemer dem Vernehmen nach über
gar keinen Berufsabschluss verfügt. Zu Khan-Hohloch heißt es, dass sie zum
Zeitpunkt ihrer Antrittsrede immerhin kurz vorm Abschluss ihres Studiums
gewesen sei und mittlerweile wohl über ein Bachelor-Zeugnis verfüge. Beide
errangen mit ihren Falschangaben einen aussichtsreichen Listenplatz für die
EU-Wahl und wollen ein sehr gut bezahltes Mandat im Europaparlament
erringen.
## Weidel glänzt mit Abwesenheit
Auch verschiedene [2][Bundesvorstandsmitglieder sind in Erklärungsnot],
weil sie versucht haben, in der Angelegenheit Einfluss zu nehmen. Besonders
pikant: Khan-Hohloch ist die Frau des Bundesschriftführers Dennis Hohloch.
Und bei Arno Bausemer war der Bundesvorstand und EU-Spitzenkandidat
Maximilian Krah involviert. Letzterer versuchte, mit Privatnachrichten
Druck auf die Ex-Partnerin von Bausemer auszuüben, die Berichte zu dessen
Falschangaben geteilt hatte.
Krah schrieb Bausemers Ex-Partnerin, dass auch ihr und der gemeinsamen
Tochter Geld winke, falls der unterhaltspflichtige AfD-Politiker ins
Parlament einzieht: Es sei in ihrem Interesse und der Tochter, dass
Bausemer „ohne Beschädigung durchläuft“, schrieb Krah privat mit der Bitte
„jeden Rosenkrieg einzustellen“. Das Nachrichtenportal [3][t-online hatte
über die Chatnachrichten berichtet]. Die Ex-Partnerin, selbst AfD-Mitglied,
gab sich enttäuscht: „Jetzt schieben sich die hohen Parteifunktionäre die
Posten zu.“ Das sei nicht mehr die AfD, in die sie eingetreten sei, so die
Ex-Partnerin desillusioniert.
Klar ist: Auch im Bezug auf den Bundesvorstand bleiben in dieser
Angelegenheit Fragezeichen, denn auch Co-Vorsitzende Alice Weidel hat auf
dem Parteitag für Khan-Hohloch Partei ergriffen, als erstmals Fragen zu
ihrem Lebenslauf aufkamen. Nun jedoch glänzte sie durch Abwesenheit – wie
so häufig bei Stress. Als der Bundesvorstand am Montag gleich sämtliche
Lebensläufe der EU-Kandidaten prüfen wollte, weilte sie in Wien.
19 Sep 2023
## LINKS
[1] https://kriminelleafd.data.blog/
[2] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100245594/e…
[3] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100236896/a…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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Antisemitismus
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