# taz.de -- Fake-Lebensläufe in der AfD: „Verpiss dich, aber schnell!!!“ | |
> Der AfD-Vorstand um Weidel und Chrupalla steht heftig in der Kritik wegen | |
> des laxen Umgangs mit der Hochstapler-Affäre. Der Ton wird deutlich | |
> rauer. | |
Bild: Mary Khan-Hohloch auf der AfD- Europawahlversammlung in Magdeburg | |
BERLIN taz | Es rumort in der extrem rechten AfD. Im Zuge des milden | |
Umgangs der Parteispitze um Alice Weidel und Tino Chrupalla in der | |
Hochstapler-Affäre mehren sich die Stimmen mit heftiger Kritik. Der | |
Bundesvorstand hält trotz erwiesener Falschangaben über Berufs-, bzw. | |
Studienabschlüsse zum Lebenslauf zweier Kandidat*innen an der | |
[1][AfD-Liste für die Europawahl] fest. | |
Etwaige Ordnungsmaßnahmen stehen noch aus – und der Vorstand hofft offenbar | |
auch darauf, dass die EU-Kandidat*innen Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch | |
von sich aus nach Falschangaben zu ihrem Lebenslauf von ihren Listenplätzen | |
10 und 14 zurücktreten. | |
Doch zumindest Khan-Hohloch, die auch noch mit dem Bundesschriftführer | |
Dennis Hohloch liiert ist, sieht dazu offenbar keinen Bedarf. In einer | |
ersten Reaktion auf Facebook räumt sie nach langer Funkstille zwar | |
kleinlaut ein, „dass sie zum Zeitpunkt der Aufstellungsversammlung noch | |
keinen Nachweis über ein abgeschlossenes Studium vorlegen konnte“. | |
Es tue ihr leid, nicht schon früher für Aufklärung gesorgt zu haben, „aber | |
sie werde alles dafür tun, das verloren gegangene Vertrauen | |
zurückzugewinnen“ und wolle sich weiter „für unsere Partei und unser Land… | |
einsetzen. Vom Verzicht auf den aussichtsreichen Listenplatz keine Spur | |
also. | |
## Die Basis der AFD ist sauer | |
Khan-Hohlochs Entschuldigung ohne ernsthafte Konsequenzen kommt in der | |
Partei mäßig an: Der Bundestagsabgeordnete und Parteigründer [2][Martin | |
Renner] schrieb grob beleidigend etwa auf Facebook: „Dieser letzte Post von | |
Dir ist so ziemlich einer der abgründigsten Erklärungen und die Mitglieder | |
voll verachtende Stellungnahme, die mir je zu Gesicht gekommen sind. Ich | |
sage es mal ganz klar und unmissverständlich. Mädle, verpiss Dich, aber | |
schnell“ – gefolgt von mehreren Ausrufezeichen, die sich in vielen | |
Kommentarspalten und AfD-Chatgruppen fanden. | |
Die Basis bleibt sauer, auf den AfD-Kanälen ballt sich Hass und Empörung, | |
sogar Rücktrittsforderungen gegenüber Weidel wurden laut. Die | |
Bundessprecherin, die bei der entscheidenden Vorstandssitzung mit | |
Abwesenheit glänzte, war ehemalige Arbeitgeberin von Khan-Hohloch und hatte | |
sich auf dem Parteitag für sie stark gemacht. | |
Fragen zum Lebenslauf Khans bügelte sie schon auf dem Parteitag von | |
Magdeburg ab mit dem Machtwort: „Angela Merkel macht Wahlen rückgängig, wir | |
als AfD machen das nicht.“ Aber der Furor der Basis hielt an – und zwang | |
den Vorstand schließlich zur Aufklärung. | |
## „Der Basis ins Gesicht gespuckt!“ | |
[3][Bernhard Zimniok], Mitglied des Europaparlaments, schrieb in einer | |
internen AFD-Telegram-Chatgruppe, er sei „zutiefst erschüttert“ über die | |
Handhabung der Causa Khan und Bausemer: „Der Basis wird damit ins Gesicht | |
gespuckt!“ Der AfD sei ein unermesslicher Schaden entstanden. | |
Die extrem rechte Partei wirft insbesondere jungen Politiker*innen | |
anderer Parteien gerne „Karrierismus“ vor, hackte monatelang auf | |
Außenministerin Annalena Baerbock herum, als sie Angaben zu ihrem | |
Lebenslauf veränderte oder stichelt gerne gegen den SPD-Generalsekretär | |
Kevin Kühnert, der kein Studium abgeschlossen hat. Entsprechend fragt | |
Zimniok: „Wie unterscheiden wir uns noch von den gerne durch uns | |
kritisierten Altparteien?“ | |
Chrupalla wich bei einem schmallippigen Statement auf der Fraktionsebene | |
des Bundestags am Dienstag kritischen Nachfragen der Presse aus, ob es nun | |
okay sei, in der AfD zu lügen. Weidel ließ sich dazu gar nicht erst | |
befragen. Sie weilte währenddessen in Wien bei der FPÖ-Spitze und | |
antwortete ebenso wenig wie Chrupalla auf Anfragen dazu. | |
In ihrem gemeinsamen Statement vom Dienstag hatten sie die Vorwürfe zwar | |
bestätigt, aber keine ernsthaften Konsequenzen gezogen, sondern nur vage | |
mögliche Ordnungsmaßnahmen angekündigt, „um dem erschütterten Vertrauen | |
innerparteilich angemessen zu begegnen.“ Zugleich kursieren vage Drohungen | |
des Spitzenpersonals, öffentliche Kritik als [4][“Nestbeschmutzung“ zu | |
stigmatisieren]. | |
Ohne Antworten oder ernsthafte Konsequenzen dürfte es insbesondere für die | |
Parteibasis wie Hohn klingen, wenn Weidel und Chrupalla wie in ihrer | |
Mitteilung zur Hochstapler-Affäre schreiben: „Vertrauen, Glaubwürdigkeit | |
und Transparenz sind maßgeblich für unsere Arbeit.“ | |
20 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-Parteitag-in-Magdeburg/!5947746 | |
[2] https://twitter.com/KreuzAcht/status/1704206416909578364 | |
[3] https://twitter.com/liberal_dvh/status/1704245716594401334 | |
[4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-eu-wahlliste-100.html | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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