| # taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Erinnern ist nur der erste Schritt | |
| > Diese Woche wird in Berlin an die Deutsche Kolonialgesellschaft erinnert. | |
| > Man müsste mehr über die koloniale Vergangenheit der Wirtschaft | |
| > nachdenken. | |
| Bild: Der Siegeszug der Schokolade wäre ohne den Kolonialismus anders verlaufen | |
| Berlin taz | Die [1][Aufarbeitung der Berliner Kolonialgeschichte] nimmt | |
| immer mehr Fahrt auf. Erst im letzten November wurde eine neue Stele zur | |
| Verstrickung des Völkerkundemuseums mit dem Kolonialismus vorm Gropiusbau | |
| eingeweiht, diese Woche folgt eine in der Schöneberger Straße Am Karlsbad | |
| 10, denn hier stand einst das „Afrika-Haus“, Sitz der Deutschen | |
| Kolonialgesellschaft, die sich vor allem für Propaganda zuständig fühlte. | |
| Gegründet wurde diese 1887 aus dem Deutschen Kolonialverein und der | |
| Gesellschaft für Deutsche Kolonisation in Berlin gegründet. Anfänglich gab | |
| es nur 14.838 Mitglieder, auf ihrem Höhepunkt zu Beginn des Ersten | |
| Weltkrieges hatte sie um die 43.000. Neben Industriellen, Bankiers und | |
| Angehörigen des Adels waren vor allem Leute aus dem gehobenen Mittelstand | |
| vertreten, also maßgeblich Kaufleute, die von ihren über die ganze Stadt | |
| verteilten Kolonialwarenläden – oder beispielsweise in der „Goldenen Meile… | |
| Ritterstraße in Kreuzberg – der Verarbeitung neuer kolonialer Rohstoffe wie | |
| Kautschuk und Elfenbein profitierten. | |
| Auch wenn inzwischen der deutsche Kolonialismus in den Museen und Schulen | |
| nicht mehr als eher kleines Kapitel der deutschen Geschichte behandelt wird | |
| wie noch vor 20 Jahren, ist doch eins nach wie vor unterbelichtet: Der | |
| Kolonialismus war nicht nur von Politik und Wissenschaft gewollt, sondern | |
| wurde auch von zivilgesellschaftlichen Vereinen und Gesellschaften | |
| getragen, deren Akteure sich einfach große Profite versprachen. Eines der | |
| noch bekannteren Beispiele dafür ist vielleicht die Berliner Firma Sarotti | |
| am Mehringdamm und ihre bekannte Werbefigur, die das rassistische Klischee | |
| vom dienenden Schwarzen spiegelte und erst 2004 abgeschafft wurde. | |
| Doch schon weniger bekannt ist, dass Sarotti schon in den 1990er Jahren vom | |
| internationalen Lebensmittelkonzern Stollwerck gekauft worden ist. | |
| Stollwerck wiederum ist in der Zeit des Kolonialismus zum großen | |
| Schoko-Player aufgestiegen. Die Söhne des Gründers hatten sich in einer | |
| Unterorganisation der Deutschen Kolonialgesellschaft für die Förderung der | |
| Ansiedlung von Deutschen in den „Schutzgebieten“ und der Rohstoffproduktion | |
| in den Kolonien eingesetzt. | |
| ## „Exotische Herrlichkeiten“ | |
| [2][Noch heute importiert Deutschland fast seinen ganzen Kakao aus Afrika], | |
| obwohl auch in Südamerika und Asien Kakao angebaut wird. Auch dass der Name | |
| des Unternehmensverbunds Edeka auf die „Einkaufsgenossenschaft der | |
| Colonialwaarenhändler im Halleschen Thorbezirk“ mit Sitz in der | |
| Mittenwalder Straße 12 in Kreuzberg zurückgeht – also auf Kaufleute, die | |
| mit dem Handel „exotischer Herrlichkeiten“ reich wurden, ist wenig bekannt. | |
| Viele der Handelsunternehmen von damals profitierten von der Ausbeutung in | |
| Übersee, sodass ihre Erben bis heute gut dastehen. Es würde sich lohnen, | |
| die Namen der 43.000 Mitglieder der Kolonialgesellschaft mit denen von | |
| Berliner Firmen abzugleichen, die bis heute prosperieren. Die | |
| Erinnerungskultur kann nur ein erster Schritt sein. | |
| 18 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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