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# taz.de -- Gedenkstein im Deutschen Technikmuseum: Eindrückliche Erinnerung
> Mit einem 100 Jahre alten Stein begann die Recherche zur Druckerei Paul
> Pittius. Heute erinnert dieser an die NS-Verfolgung der Gebrüder Gerson.
Bild: Stefan Krämer druckt in alter Technik ein Originalmotiv der Steindrucker…
Berlin taz | In bis zu 20 Durchläufen beschichtet Stefan Krämer den
Druckstein, der vor ihm liegt, mit schwarzer Farbe. Nachdem er die
Druckrolle über die fetthaltige Farbe gerieben hat, verteilt er diese in
gleichmäßigen Rollbewegungen auf der glatten Oberfläche des Steins. Ist das
geschafft, legt er die Rolle ab und entfernt mit einem nassen Schwamm die
Farbreste.
„Das Druckverfahren basiert darauf, dass sich Fett und Wasser abweisen und
die Farbe nur von den Motiven angezogen wird“, erklärt Krämer den
Besucher*innen des Deutschen Technikmuseums in Kreuzberg, die am
Donnerstag zur Einweihung eines Gedenksteins der Steindruckerei Paul
Pittius gekommen sind.
2017 hatte das Museum die Steindruckwerkstatt von Dietmar Liebsch mitsamt
Druckpresse, Arbeitsmaterial und 100 Lithografiesteinen erworben – darunter
sechs Drucksteine der Pittius-Druckerei. Kurz nach der Übergabe begann die
„Recherche zur Geschichte der Drucksteine“, berichtet Peter Prölß, der
Leiter der Provenienzforschung des Museums.
„Wir haben die Pflicht, unrechtmäßig enteignete Gegenstände den
ursprünglichen Eigentümern zurückzugeben“, ergänzt Joachim Breuninger,
Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsches Technikmuseum. Das gelte auch für
die ausgestellten Drucksteine.
## Spur der Steine
Die Steine stammen aus einer Anfang des 20. Jahrhunderts von den Brüdern
Julius und Martin Gerson erworbenen Fabrik an der Köpenicker Straße in
Mitte, in der hochwertige Grußkarten und Glanzbilder hergestellt wurden.
Nach der Machtübergabe an die Nazis entschieden sich die Brüder – als
Juden, Sozialdemokraten und Pazifisten in besonderer Gefahr –, die
„Steindruckerei und Luxuskartenfabrik Paul Pittius“ an zwei langjährige
Mitarbeiter*innen abzugeben. Beide wurden im Zweiten Weltkrieg
verhaftet, verschleppt und ermordet.
Mitte der 1960er Jahre wurde das Unternehmen in der DDR schließlich
aufgelöst und das Gebäude abgerissen. Allerdings konnte der Drucker Dietmar
Liebsch einige der Drucksteine und andere Materialien retten und damit
seine eigene Werkstatt aufbauen. Liebsch war es auch, der Stefan Krämer das
Drucken mit den Pittius-Steinen beigebracht hatte.
Dass sechs der von Liebsch erworbenen Steine zur Pittius-Fabrik gehörten,
„konnten wir durch aufgedruckte Werbeslogans erkennen“, sagt Peter Prölß.
Anfänglich hätte es jedoch keine Spur zu den rechtmäßigen Erben gegeben.
Erst nachdem das Museum den Fund der rund 100 Jahre alten Drucksteine
öffentlich gemacht hatte, meldete sich mit Norbert Nicking ein Verwandter
der Gersons, so der Forscher.
## Erinnerungsprozess endet nicht
Gemeinsam mit Nicking ist es dem Technikmuseum gelungen, weitere Teile der
Gerson-Familie ausfindig zu machen und mit der Enkelin von Julius, die
heute in New York lebt, Kontakt aufzunehmen. „Miki Marcus' Wunsch war es,
die Steine dem Museum zu hinterlassen, um an Julius und Martin zu
erinnern“, sagt Prölß. Und: „Dass wir das mit den originalen Steinen mach…
können, ist eine große Ehre“.
An die Geschichte der Gerson-Brüder und die Steindruckerei Pittius erinnert
heute ein bedruckter Stein in der Dauerausstellung Drucktechnik auf der
zweiten Etage des Museums. Da die Fläche auf dem Druckstein nicht
ausreicht, um die gesamte Historie abzubilden, hat das Museum nun
zusätzlich die virtuelle Ausstellung „[1][Drucksteine erzählen]. Die
Geschichte der Brüder Gerson und ihrer Steindruckerei Paul Pittius“ in der
Deutschen Digitalen Bibliothek gestartet.
Neben den Steinen und der Online-Ausstellung soll am ehemaligen
Fabrikstandort in der Köpenicker Straße 110 gegenüber des Clubs Tresor eine
Gedenktafel zur Erinnerung aufgestellt werden. „Der Prozess der
Aufarbeitung geht weiter“, sagt der Vorsitzende der SPD-Dahlem, Burkhard
Zimmermann, der sich bereits für die Verlegung eines Stolpersteins für
Julius Gerson engagiert hat.
1 Sep 2023
## LINKS
[1] https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/paul-pittius/#s0
## AUTOREN
Elena Kirillidis
## TAGS
Holocaust
Antisemitismus
NS-Gedenken
Anti-Atom-Bewegung
Antisemitismus
Schwerpunkt AfD
Druckerei
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