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# taz.de -- Putsche in Afrika: Hausarrest für den Gestürzten
> Wenn nach dem Putsch Korruption und Ausbeutung wie vor dem Putsch
> herrschen, stimmt etwas nicht. Das fällt jedoch oft erst auf, wenn es zu
> spät ist.
Bild: Putsch als Fake: der neue Präsident Brice Oligui Nguema ist angeblich mi…
Afrikas Juliputsch in Niger stieß noch auf breite Unterstützung quer durch
den Kontinent. Dann folgte der Augustputsch in Gabun. Und der stinkt. In
Niger sagten die Putschisten Ende Juli alles, was Afrikanern gefällt, die
von offensichtlicher Ausbeutung durch ehemalige Kolonialmächte die Nase
voll haben. Über ein Jahr lang war das Internet voll mit Tiktok-Videos
gewesen, die Frankreichs postkoloniale Abhängigkeitsverträge geißelten.
Als die Putschisten auf die Ramschpreise für Nigers Uran hinwiesen,
sprachen sie für die Mehrheit der Afrikaner, die sich fragen, warum ihre
rohstoffreichsten Länder die ärmsten der Welt sind. In sozialen Medien
machten sich viele einfache Afrikaner über die [1][Westafrikanische
Wirtschaftsgemeinschaft] (Ecowas) lustig, die drohte, gegen Nigers Putsch
militärisch einzugreifen.
Aber Ende August gab es einen Putsch im ölreichen Gabun, und da entstanden
Zweifel über die Motivation der Soldaten, die korrupte Regierungen stürzen.
Der gestürzte Präsident Ali Bongo hatte einfach die [2][korrupte Herrschaft
seines Vaters Omar Bongo] fortgesetzt, die 1967 begann, und der neue
Präsident Brice Oligui Nguema ist angeblich mit der Bongo-Familie verwandt
– und [3][kommandierte sogar die Präsidialgarde], ein Posten, auf dem er
offensichtlich die korrupte Herrschaft der Familie schützen sollte.
Viele afrikanische Beobachter ahnen nun, dass die Welle von Putschen in
Afrika möglicherweise nicht das Volk befreien soll, sondern das Gegenteil
zum Ziel hat: die Ausbeutung bewahren. Die gestürzten Präsidenten werden
nicht umgebracht, sie werden auch nicht während eines Auslandsaufenthalts
gestürzt, wie das früher die Regel war. Sie wandern nicht einmal ins
Gefängnis. Sie sitzen in ihren Palästen „unter Hausarrest“!
## Fake-Putsch
Die Zweifel über [4][Gabuns Putsch] entzündeten sich daran, dass der
gestürzte Ali Bongo in sozialen Medien die Welt dazu aufrief, „Lärm“ wegen
seines Sturzes zu machen. Was für eine Ironie. Er selbst hatte das Internet
abschalten lassen, und nun erlaubten ihm die neuen Machthaber als Erstes,
so ein Video hochzuladen? Sehr merkwürdig. Eine mögliche Erklärung wäre das
Phänomen eines regierungsfreundlichen Putsches.
Dies ist ein eher ungewohnter Trick einer Regierungspartei, die unbeliebt
wird. Sie hegt den Verdacht, dass sie jederzeit durch einen Volksaufstand
gestürzt werden könnte, und um dem vorzubeugen, putscht sie gegen sich
selbst. Damit verhindert sie, dass die Opfer ihrer Misswirtschaft einen
echten Putsch ausführen. Sie gewährt dann dem Diktator, den sie gestürzt
hat, Schutz im Namen der Notwendigkeit, „Blutvergießen zu vermeiden“,
„Versöhnung zur Förderung der nationalen Einheit“ herbeizuführen und dam…
den „Wiederaufbau der Wirtschaft“ zu ermöglichen.
Die düpierte Bevölkerungsmehrheit kann so einen Putsch sogar erst mal
unterstützen, bis sie merkt, dass sie betrogen worden ist. Aber dann ist es
zu spät. Führende Oppositionelle können in die neue Regierung aufgenommen
worden sein. Dann heißt es business as usual. In [5][Niger] zum Beispiel
ist keine Rede mehr von Uranpreisen. Dieselben ausländischen Unternehmen,
die beschuldigt wurden, das Land auszuplündern, konnten einfach
weitermachen ohne auch nur einen Tag Pause.
Sie mussten bloß ihre Arbeitszeiten an die Ausgangssperre anpassen. Man
kann davon ausgehen, dass es noch mehr Putsche geben wird, wenn sich in
immer mehr Ländern die Wirtschaftslage verschlechtert. Und man kann davon
ausgehen, dass diese Putsche nichts mit dem Kampf gegen Diktaturen zu tun
haben werden.
Aus dem Englischen von Dominic Johnson
9 Sep 2023
## LINKS
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[3] /Nach-dem-Militaerputsch-in-Gabun/!5952904
[4] /Staatsstreich-in-Gabun/!5953296
[5] /Junta-ernennt-Premierminister/!5949294
## AUTOREN
joachim buwembo
Joachim Buwembo
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Kolumne Fernsicht
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