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# taz.de -- Talentförderung im Fußball: Hauptsache, es ändert sich nichts
> Das DFB-Nachwuchskonzept von morgen ist Schuld an heute. Es wird
> attackiert, ohne Ahnung, ohne Selbstkritik, aber laut polternd.
Bild: Macht Spaß, darf also nicht sein: neue Konzepte im Nachwuchsfußball
„Unfassbar und für mich nicht nachvollziehbar“. So hat sich Hans-Joachim
„Aki“ [1][Watzke] zur Reform des Kinderfußballs geäußert. Watzke ist Boss
von Borussia Dortmund, Vizepräsident des DFB und Aufsichtsratschef der DFL.
Unfassbar und nicht nachvollziehbar ist aber vor allem, wie viele Menschen
sich zu diesem Thema äußern, die das Konzept überhaupt nicht gelesen haben
und im [2][Nachwuchsfußball] über null Erfahrung verfügen. Unfassbar und
nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, dass Watzke sich zur Reform erst
geäußert hat, nachdem diese ausformuliert auf dem Tisch liegt. Schon das
ist ein Hinweis darauf, wie sehr den Multifunktionär Watzke dieses Thema
bislang beschäftigt hat – nämlich überhaupt nicht.
Watzkes fachliche Inkompetenz schockiert, erklärt aber auch, warum der
hiesige Fußball in Sachen Ausbildung anderen Ländern hinterherhinkt. So
fällt Kritikern wie Watzke auch nicht auf, dass einige Elemente der Reform
beim Ausland „abgekupfert“ wurden – unter anderem in England, das vor zehn
Jahren (zumindest in Deutschland) noch als rückständig galt, uns seither
aber überholt hat.
Watzke lamentiert, Kinder müssten auch einmal verlieren, „um auch mal zu
gewinnen“. Richtig, aber mit dem Inhalt der Reform, die die DFB-Experten
ausgearbeitet haben, hat dieser Satz nichts zu tun. Denn Siege und
Niederlagen wird es im Kinderfußball auch in Zukunft geben – so wie im Kick
auf der Straße.
## Für die Kinder zählt die Tabelle nicht
Und was die Tabellen anbelangt: 1995 wurde eine von mir trainierte F-Jugend
Kreismeister und Kreispokalsieger. Anschließend wurden im Kreis die
Tabellen für die Altersklassen F- und E-Jugend abgeschafft, was die
Leistungsbereitschaft und den Ehrgeiz der Kids nicht im Geringsten hemmte.
Für sie zählte ohnehin nur das Spielergebnis – die Tabelle interessierte
nur den Trainer (also mich …) und einige Eltern.
Trotz zweier Jahre ohne Tabelle: Drei von elf Spielern der „Dorftruppe“
spielten später in der U19-Bundesliga, einer von ihnen wurde mit der U17
und der U19 des BVB jeweils deutscher Vizemeister und U19-Nationalspieler,
und 5 schafften es in den DFB-Stützpunkt.
Die nun vorgelegte und von Watzke und anderen so harsch kritisierte Reform
bedeutet: mehr Ballkontakte, also bessere Technikschulung und mehr
Zweikämpfe pro Spieler. Bei 3 gegen 3 auf kleinem Spielfeld kann sich kein
Spieler verstecken, niemand kann sich auf den stärkeren Nebenmann
verlassen.
## Einer zukünftigen Reform die Schuld an heute geben
Es ist ständig Bewegung im Spiel, bei vier kleinen Toren auch viele
Richtungswechsel, kein Spieler kann sich auch nur einen Moment ausruhen.
Handlungsschnelligkeit und selbstständiges Handeln werden geschult, die
Spielformen bedeuten physisch und mental „Stress“. Es fallen weniger
„flüsternde Talente“ aus den Kadern. Und vielleicht macht das Gesamtpaket
der Reform aus Titeltrainern, die mehr scouten als ausbilden, auch wieder
echte Ausbilder.
Aki Watzke macht noch Pläne einer künftigen Reform für den Misserfolg von
heute verantwortlich. Aber für diesen Misserfolg kann nur verantwortlich
zeichnen, wer in den letzten Jahren das Sagen hatte. Watzke ist einer von
ihnen.
Wie viele Nationalspieler hat die Nachwuchsschmiede des BVB seit der [3][WM
2014] den Bundestrainern geliefert? Mir fällt nur einer ein. Borussias
größte Talente stammen aus den Akademien ausländischer Klubs und sind das
Ergebnis dortigen Scoutings – nicht einer hauseigenen Ausbildung.
Bellingham, Sancho, Dembélé wurden in England bzw. Frankreich ausgebildet.
Im aktuellen Kader kommt Duranville aus der Akademie des RSC Anderlecht,
Kamara aus der von Paris St.-Germain und Bynoe-Gittens von Manchester City.
Auch deshalb wirkt es etwas grotesk, wie sich Aki Watzke und Kollegen
glauben äußern zu müssen.
9 Sep 2023
## LINKS
[1] /Hans-Joachim-Watzke/!t5013984
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[3] /DFB-Elf-ist-Weltmeister/!5037703
## AUTOREN
Dietrich Schulze-Marmeling
## TAGS
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