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# taz.de -- Verlängerung der M10: Party-Tram nach Moabit
> Ab Samstag fährt die Straßenbahn M10 nach Moabit. Das Projekt blieb im
> Zeit- und Kostenrahmen, trotzdem kommt der Ausbau des Tramnetzes nur zäh
> voran.
Bild: Nicht immer so dynamisch unterwegs, wie's aussieht: die M10 in der Invali…
Berlin taz | „Tief im Westen“ sind die gelben Straßenbahnen der Berliner
Verkehrsbetriebe auch weiterhin nicht anzutreffen – aber immerhin kommen
sie bald bis Moabit. Rund 60 Jahre nachdem die Tram aus der Turmstraße
verschwand, wird sie ab Samstag dort wieder rollen. Wenn die für die
Landesbetriebe und den Verkehr zuständigen Senatorinnen Franziska Giffey
(SPD) und Manja Schreiner (CDU) ihre Bändchen durchgeschnitten haben, fährt
die M10 vom U-Bahnhof Turmstraße in einem großen Bogen über Mitte,
Prenzlauer Berg und Friedrichshain bis zur Warschauer Brücke.
Im Volksmund wird die M10 auch Partylinie genannt. Nachts wird dort
gefeiert, gegrölt und gesungen, geraucht, gegessen und getrunken, manchmal
auch geknutscht, Musik gemacht, getanzt, gelacht oder geweint. Je später
der Abend, desto jünger und bunter das hippe Partyvolk. Tagsüber ist sie
jedoch eine ganz normale Tram. Die mit jeder Erweiterung unpünklicher und
unzuverlässiger wird. Das Problem: Während die Trams in östlichen Bezirken
meist im eigenen Gleisbett fahren, laufen die Tramgleise – vor allem in
Mitte auf der Invalidenstraße, aber auch auf der Bernauer Straße – über die
Autospur und damit sind in der Rushhour Verspätungen vorprogrammiert.
Das soll dieses Mal anders werden: [1][Etwas mehr als zwei Jahre haben die
Arbeiten an der 2,2 Kilometer langen Teilstrecke gedauert], die am Moabiter
Kriminalgericht vorbeiführt und auf größeren Abschnitten in einem separaten
„Rasengleis“ verläuft. Wie es seitens der BVG heißt, wurde sogar der
Kostenrahmen – 33 Millionen Euro – eingehalten. Vor mehr als zehn Jahren
hatten die Planungen begonnen für die zweite echte West-Verlängerung.
## 16.000 Fahrgäste erwartet
Einen 5-bis-10-Minuten-Takt soll es auf der neuen M10 geben, die BVG
rechnet mit „bis zu 16.000 Fahrgästen pro Tag“ auf dem neuen
Streckenabschnitt mit fünf barrierefreien Haltestellen. Das wird freilich
auch auf der bestehenden Strecke zu einem deutlich höheren
Fahrgastaufkommen führen. Solange die Verkehrsbetriebe nicht den Takt
verdichten, wird also künftig noch mehr in der Bahn gestanden als gesessen
werden.
„Ja, das könnte ganz schön eng werden“, sagt Jens Wieseke, Sprecher des
Berliner Fahrgastverbands Igeb. Noch enger werde es jedoch außerhalb der
Straßenbahn. Denn vor dem Naturkundemuseum stehen sich Tram und Autos im
Nadelöhr Invalidenstraße oft im Weg und sorgen für Stop and go.
Grundsätzlich begrüße sein Verband die Eröffnung der neuen Teilstrecke aber
ausdrücklich, sagt Wieseke. Die Tram sei eine Lösung für viele
Mobilitätsprobleme in der Stadt, werde aber leider selbst von der BVG als
Verkehrsmittel unterschätzt.
Viel besser fände man es beim IGEB auch, der Senat würde mit weniger
Enthusiamus die Verlängerung von U-Bahn-Linien – wie etwa der U7 zum
Flughafen BER – als vielmehr den zügigen Ausbau der Straßenbahn verfolgen.
„Die CDU war früher die aktivste Tram-Partei“, sagt Wieseke. Die
ChristdemokratInnen könnten sich mit einem zügigen Ausbau des
Straßenbahnnetzes als moderne Großstadtpartei profilieren.
Dem Fahrgastverband ist laut seinem Sprecher wichtig, dass in den
parlamentarischen Haushaltsverhandlungen keine Abstriche bei der
Straßenbahn gemacht werden. Das sehen die Grünen – unter deren mehrjähriger
Ägide im Verkehrsbereich es auch nur zäh voranging mit der Tram – genauso:
„Berlin braucht dringend mehr Straßenbahn-Neubau“, teilt die Fraktion mit,
die gerade im Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Antrag eingebracht hat.
Dass Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag angekündigt hat, drei bereits in der
Planung befindliche Strecken zu „überprüfen“, kritisieren die Grünen
dagegen scharf. Dabei geht es in erster Linie um die Tram vom
Alexanderplatz durch die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz und die
Verlängerung der M10 durch Kreuzberg und Neukölln bis zum Hermannplatz.
Schreiners Verwaltung solle die Planungen für den Aus- und Neubau aller
geplanten Strecken „so forcieren, dass noch vor 2026 mit den
Planfeststellungsverfahren begonnen werden kann“.
## „Faktischer Tram-Stopp“
„Für zeitnah besseren öffentlichen Nahverkehr brauchen wir mehr Tramlinien
und keinen faktischen Tram-Stopp durch zeitraubende Überprüfungen“, so die
verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Oda Hassepaß, zur taz.
Ganz konkret fordert der grüne Antrag vom Senat unter anderem die
[2][Anbindung des Ostkreuzes „noch in dieser Legislaturperiode]“.
Das könnte im Prinzip sogar gelingen, nachdem das vermeintlich
überschaubare Projekt durch Fehler bei der Bürgerbeteiligung – und nach
massivem Widerstand von AnwohnerInnen der Friedrichshainer Sonntagstraße –
immer noch nicht planfestgestellt ist. Entgegen letzten Mutmaßungen teilte
die Verkehrsverwaltung der taz am Donnerstag mit, man gehe „nicht davon
aus, dass die Unterlagen noch in diesem Quartal ausgelegt werden“ – der
weitere Terminplan sei „vom Planungsprozess bei der BVG abhängig“.
Die M10 soll irgendwann übrigens noch viel tiefer in den Westen reichen.
Die Rede war zuletzt vom Jahr 2028, in dem die Linie den Bahnhof
Jungfernheide erreichen soll. Auf die Frage, ob er daran glaubt, sagt Jens
Wieseke: „Ich bin ein gläubiger Mensch – aber ich wäre auch schon mit 2029
zufrieden.“ Er persönlich könne sich auch vorstellen, dass man sich
„abschnittsweise vorarbeitet“. Bei der Tram in den Wedding sei das ja auch
gegangen.
7 Sep 2023
## LINKS
[1] /Tram-Ausbau-nach-Moabit/!5788406
[2] /Strassenbahnstrecke-zum-Ostkreuz/!5938259
## AUTOREN
Andreas Hergeth
Claudius Prößer
## TAGS
Straßenbahn
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