| # taz.de -- Kunstinstallation in Mitte: Ein Dach für die Ruine | |
| > Leer stehende Holzhäuser aus der litauischen Provinz dienen Augustas | |
| > Serapinas als Material. Die Klosterruine zeigt „Roof from Rūdninkai“. | |
| Bild: Augustas Serapinas, „Roof from Rūdninkai“ in der Klosterruine | |
| Berlin hat viele Ruinen, die der Franziskaner Klosterkirche gehört zu den | |
| ältesten. Ihre Geschichte führt zurück bis ins Jahr 1271, als | |
| brandenburgische Markgrafen den Mönchen des Bettelordens der Franziskaner | |
| ein Grundstück schenkten, auf dem diese dann eine Kirche samt Kloster | |
| erbauten. Das Kloster selbst gibt es nicht mehr, von der Klosterkirche | |
| existiert noch das, was die Bombenangriffe 1945 überdauerte – Außenmauern, | |
| halb zerfallen, eine Ruine ohne ein Dach darüber. | |
| Beziehungsweise bis vor Kurzem war das so. Bis [1][der Künstler Augustas | |
| Serapinas] ihr ein neues gegeben hat. „Roof from Rūdninkai“ heißt die | |
| Ausstellung, die Serapinas kürzlich in der Klosterruine, die seit ein paar | |
| Jahren Teil der Kommunalen Galerien Mitte ist, eröffnete. Ein langes | |
| Giebeldach hat er mitten in das ehemalige Kirchenschiff gelegt. | |
| Das Dach stammt aus einem litauischen Dorf namens Rūdninkai, das dem 1990 | |
| in Vilnius geborenen Künstler schon seit einiger Zeit als Materialkammer | |
| dient. Der Ort, gelegen im Südosten des Landes, war einst von Bergbau und | |
| der Eisenproduktion geprägt, Holzhäuser stehen dort, die hauptsächlich im | |
| frühen 20. Jahrhundert in traditioneller Bauweise entstanden. Gebraucht | |
| werden viele von ihnen nicht mehr, in Rūdninkai schwindet die Bevölkerung. | |
| Was aber passiert mit der Geschichte, wenn ein Ort seine Zukunft verliert? | |
| Die leeren Häuser von Rūdninkai werden auf Online-Plattformen zum Preis von | |
| Brennholz angeboten. Serapinas hat schon einige von ihnen erworben, für | |
| seine Zwecke. Er transformiert die Häuser und baut sie in anderen Kontexten | |
| wieder auf. | |
| Eingeschrieben haben sich in sie die Zeit, die Witterung, die Verhältnisse, | |
| die Ereignisse, die Geschichten der Menschen, die dort einmal lebten oder | |
| sie anderweitig nutzten. Ähnlich wie es ja auch in der Klosterruine der | |
| Fall ist. | |
| Zu schmal und zu kurz | |
| Es passt also, dass Serapinas beides zusammenbringt. Dennoch wirkt das | |
| litauische Schindeldach [2][in der Klosterruine] eher wie ein Fremdkörper, | |
| zu schmal und zu kurz für die Backsteinwände der Ruine ist es ohnehin. Es | |
| erfüllt seine Funktion nicht, stellt diese vielmehr aus. Um Schutz zu | |
| bekommen, müsste man umständlich darunterkrabbeln. | |
| Wohlgemerkt handelt es sich nicht um die Eins-zu-eins-Überführung des | |
| Daches. Serapinas hat es in Quader zerlegt und neu zusammengesetzt, sodass | |
| es in seiner langgezogenen Form zur Architektur der Ruine passt. Um eine | |
| perfekte Kopie geht es dem Künstler nicht. Vielmehr adaptiert er seine | |
| Bausteine, setzt sie in Dialog mit und in Kontrast zur neuen Umgebung. | |
| Serapinas’ Kunst hat viel mit geografischen, kulturellen oder historischen | |
| Eigenheiten zu tun, mit sehr konkreten, sehr speziellen oder auch mit | |
| kleinen Details, die man vielleicht erst noch entschlüsseln muss. Bei | |
| seiner Ausstellung in der [3][Kunsthalle Wien] – darüber redeten Juliane | |
| Bischoff, künstlerische Leiterin der Klosterruine, und Serapinas beim | |
| Künstlergespräch während der Eröffnung – war es etwa eine gebastelte | |
| Schatulle mit Katzenmotiv, die er im Büro der kaufmännischen | |
| Geschäftsführung des Museums entdeckte. Er machte sie zum Ausgangspunkt | |
| seiner Arbeit, ahmte sie in großem Format nach und stellte sie auf die | |
| Museumsterrasse. | |
| So scheint Augustas Serapinas das gerne zu tun: nach der Einladung zu einer | |
| Ausstellung an einem neuen Ort einfach hinzufahren, sich umzuschauen, auf | |
| seine Spontaneität und Beobachtungsgabe zu setzen. Hintersinnige Bilder | |
| schafft der Litauer so, auch für die Kunst selbst und für das, was diese | |
| einem Künstler wie ihm abverlangt: Bei der Art Basel richtete er kürzlich | |
| ein Fitnessstudio ein, bei dem die Performer*innen stundenlang | |
| Gipsbüsten anstelle von Gewichten stemmten – er zeigte den Kunstmarkt als | |
| das, was er eben auch ist: ein Knochenjob. | |
| 31 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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