# taz.de -- Teilrückzug der Soros-Stiftung aus EU: Eine Lücke für Rechtspopu… | |
> Mit dem Teilrückzug der Open Society Foundations aus Europa fürchten NGOs | |
> und Politiker mangelnde Unterstützung für Demokratie. | |
Bild: George Soros mit seinem Sohn Alexander in einem auf (noch) Twitter geteil… | |
WIEN/BRÜSSEL taz | Die Open Society Foundations (OSF) wird ihre Arbeit | |
innerhalb Europas ab 2024 „extrem limitieren“. Darüber berichtete erst | |
[1][RFE/RL Ungarn Mitte August]. Weltweit tätige Organisationen wie Human | |
Rights Watch, Transparency International, Amnesty International werden | |
derzeit von OSF unterstützt. | |
Auf taz-Anfrage gibt sich die OSF verschlossen über die Hintergründe der | |
aktuellen Entscheidung. Der Großteil der Finanzmittel werde auf | |
„spezifische Wirkungsräume ausgerichtet, die in den kommenden Jahren | |
definiert werden“, heißt es von einem Sprecher. Nur eine konkrete Zahl: | |
Mindestens 40 Prozent des weltweiten Personals soll abgebaut werden. | |
Die Soros-Stiftung lässt sich nicht in die Karten schauen. Ein anderer | |
Sprecher erklärte lediglich, man werde auch zukünftig | |
zivilgesellschaftliche Gruppen europaweit finanzieren. „Darüber hinaus | |
halten wir an unserer Unterstützung für die europäischen | |
Roma-Gemeinschaften fest“, so der Sprecher. Über nationale Stiftungen will | |
sich die OSF auch künftig für Menschenrechte, Demokratie und | |
verantwortungsvolle Regierungsführung einsetzen. Der Schwerpunkt soll den | |
Angaben zufolge aber wohl in der Ukraine, Moldau, Kirgisistan und den | |
westlichen Balkanstaaten liegen. | |
Der Teilrückzug dürfte auch damit zu tun haben, dass OSF-Gründer George | |
Soros (93) die Kontrolle über seine Stiftungen an seinen Sohn Alexander | |
(37) übergeben hat. Der will den Fokus auf die USA lenken und eine | |
Wiederwahl Donald Trumps im November 2024 verhindern. | |
## Central European University wird weiterhin unterstützt | |
Die 1991 gegründete und von Soros finanzierte Central European University | |
(CEU) wird laut jetzigen Infos nicht betroffen sein. „Unser Engagement für | |
die CEU geht weiter“, heißt es vom OSF. Bereits 2018 hat die CEU ihr | |
Hauptquartier von Budapest nach Wien verlegt, infolge zunehmenden | |
politischen Drucks und eines neuen ungarischen Hochschulgesetzes 2017. | |
Allein in Ungarn: Kaum eine NGO wird derzeit nicht von Open Society | |
Foundations (OSF) befördert – vom kleinen politischen Thinktank über die | |
Menschenrechtsorganisation Hungarian Helsinki Committee bis hin zu einigen | |
der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien. Knapp 9 Millionen Euro betrug | |
die OSF-Fördersumme 2021 allein in Ungarn. Die Entscheidung der OSF sei | |
nicht überraschend gekommen, es habe bereits solche Gerüchte gegeben, sagt | |
Jozsef Martin, Direktor von Transparency International (TI) Hungary, der | |
taz. | |
Die aktuellen Projekte seiner Organisation seien nicht in Gefahr, die | |
Kürzungen sollen aber bereits nächstes Jahr losgehen. Ihm zufolge sei es | |
noch schwer vorherzusagen, wie die Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft | |
sein werden. „Vor allem ländliche NGOs werden stark betroffen sein, die | |
sich oft hauptsächlich über die OSF finanzieren“. Die überregionalen | |
Organisationen seien meist breiter aufgestellt, so auch TI, das mit 15 | |
Prozent einen relativ kleinen Teil seines Budgets von OSF bezieht. | |
Seit Jahren war Soros der deklarierte Staatsfeind von Ministerpräsident | |
Viktor Orbán. Im Wahlkampf 2019 plakatierte die ungarische Regierung | |
flächendeckend Soros in unvorteilhafter Pose. Soros wolle Nationalstaaten | |
auflösen und ihre Bevölkerungen durch Migranten ersetzen, so der | |
Begleittext. Bereits 2015 hatte Orbán „große Geldmänner“ wie Soros für … | |
Migrationskurse verantwortlich gemacht. Dass die Schmutzkübelkampagnen der | |
Regierung der Hauptgrund für den Teilrückzug der OSF waren, glaubt Martin | |
nicht: „Die gab es bereits viele Jahre lang, OSF war jahrelang der | |
Sündenbock Orbáns“. Über die genauen Gründe könne er aber auch nur | |
spekulieren. | |
Ironischerweise war es Soros, der Orbán in frühen Jahren bei seinem | |
Aufstieg maßgeblich unterstützt hat. Dessen Oppositionspartei Fidesz, kurz | |
vor der Wende 1988 gegründet, war damals radikal-liberal. Soros finanzierte | |
unter anderem eine Parteizeitung und die Büromieten. Viele Parteimitglieder | |
konnten dank OSF-Stipendien ins Ausland gehen, Orbán selbst ging so nach | |
Oxford. Im Zuge seines Umbaus Ungarns zur illiberalen Demokratie ab 2010 | |
machte Orbán Soros zum Feindbild. | |
## Ungünstiger Zeitpunkt für die Europäische Union | |
Für die Europäische Union (EU) kommt die Ankündigung von OSF zur Unzeit. | |
Knapp ein Jahr vor der Europawahl im Juni 2024, bei der ein weiterer | |
Vormarsch der Rechtspopulisten und EU-Gegner droht, brauchen die | |
Europafreunde jede Unterstützung. Die Soros-Stiftung zählte bisher zu den | |
besten EU-Verbündeten, denn sie unterstützte die Zivilgesellschaft für | |
Grundrechte und europäische Werte in beispielsweise Ungarn, Polen oder der | |
Ukraine. 2021 wurden nach Angaben der Stiftung 209,4 Millionen US-Dollar | |
für Projekte in Europa und Zentralasien ausgegeben. Insbesondere in Ungarn | |
und [2][Polen schreitet der Demokratieabbau] in Besorgnis erregendem Tempo | |
voran. | |
Der angekündigte Rückzug der linksliberalen Gruppe von Stiftungen OSF aus | |
Europa gefährdet viele Projekte, warnt Alberto Alemanno, ein | |
Europarechts-Experte aus Paris. Keine andere Organisation habe mehr für die | |
Zivilgesellschaft in Europa getan. Nun drohten konservative und religiöse | |
Organisationen in die Lücke zu stoßen. Sorgen macht sich auch Daniel | |
Freund, grüner deutscher Europaabgeordneter: „Es ist enttäuschend, dass | |
sich ausgerechnet jetzt einer der wichtigsten Alliierten im Kampf gegen | |
Korruption und Demokratieabbau in weiten Teilen aus Europa zurückzieht.“ | |
Allerdings ist die OSF nicht der einzige Geldgeber – auch die EU hat viele | |
zivilgesellschaftliche Projekte in Europa unterstützt, und die OSF bekam | |
selbst Geld aus Brüssel. Nach Angaben von Budgetkommissar Johannes Hahn | |
flossen im vergangenen Jahr 3,3 Millionen Euro in zwei Projekte in | |
Bulgarien und der Slowakei. | |
Wird die EU diese Projekte auch künftig fördern bzw. Soros’ Rückzug | |
finanziell ausgleichen? Die EU-Kommission hält sich bedeckt, mehrere | |
taz-Anfragen blieben unbeantwortet. [3][Im beginnenden Europawahlkampf] | |
könnte eine Zusage leicht zum Politikum werden. | |
30 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/floragaramvolgy/status/1691141249271816192 | |
[2] /Eskalation-zwischen-Polen-und-der-EU/!5804019 | |
[3] /Europa-und-AfD/!5949693 | |
## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
Eric Bonse | |
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