# taz.de -- Tierquälerei in der Ukraine: Blutende Schwäne in Odessa | |
> Tierrechte werden in der Ukraine oft mit Füßen getreten, sagt Aktivist | |
> Alexander Titartschuk. Grund sei auch schlechte Ermittlungsarbeit der | |
> Polizei. | |
Bild: Sind ja nur Schwäne. Tiere werden in der Ukraine schlecht behandelt | |
ODESSA taz | In eine Decke gehüllt kauert der Schwan im Gepäckraum des | |
Kombiwagens von Alexander Titartschuk. Nur der Schnabel lugt noch hervor. | |
Kaum öffnet Alexander die Wagentür, wird der Schwan unruhig. Nervös fährt | |
er Schnabel und den langen Hals aus der Decke hervor. Alexander Titartschuk | |
nimmt ihn in die Arme, steuert auf die Tierarztpraxis auf der | |
Mala-Arnautskaja-Straße in der Nähe des Stadtzentrums zu. | |
Dort wird er schon von der Arzthelferin erwartet. Nun wird der Schwan erst | |
einmal geröntgt. „Dieses Tier wurde schwer misshandelt“ berichtet Alexander | |
der taz. „Unsere Gruppe hat Anzeige nach §299 StGB wegen Misshandlung von | |
zwei Tieren erstattet.“ Nun brauche man die Ergebnisse der tierärztlichen | |
Untersuchung, um diese Anzeige mit Beweisen zu untermauern. | |
Was war geschehen? Im Juni hatte der Zoo von [1][Odessa] dem Städtischen | |
„Park des Sieges“ zwei Schwäne für den dortigen Teich zur Verfügung | |
gestellt. Kaum angekommen, so Titartschuk, hätten Mitarbeiter des Parks auf | |
Anordnung der Direktorin den beiden Schwänen mit einer Heckenschere die | |
Flügel abgeschnitten. Man habe sichergehen wollen, dass die Schwäne im | |
Teich bleiben und nicht wegfliegen. | |
Eine Woche habe sich niemand um sie gekümmert. Als Besucher des Parks den | |
TierschützerInnen von den blutenden Schwänen berichtet hatten, habe man sie | |
abgeholt, an einen sicheren Ort gebracht. „Die beiden Schwäne werden nicht | |
nur nie wieder fliegen können“, so Alexander. „Sie verlieren als Folge der | |
abgeschnittenen Flügel das innere Gleichgewicht. Langfristig werden so ihre | |
inneren Organe geschädigt werden.“ | |
## Im Namen der Gewaltlosigkeit | |
Die TierschützerInnen hoffen, dass sie mit ihrer Anzeige auch die | |
Lebensbedingungen für die anderen Tiere verbessern können, die im Teich | |
dieses Parks leben. Es sei unglaublich, wie das Personal des Parks mit | |
Tieren umgehe, berichtet Alexandra Garbar von der | |
[2][Tierschutzorganisation „A-Himsa“]. Enten seien eingegangen, weil die | |
Direktion des Parkes versäumt hatte, das Abflussrohr zu vergittern. So | |
seien einige Enten in der Kanalisation verendet. | |
Und Gelder, mit denen das Wasser gereinigt werden sollte, seien nie | |
zweckgebunden eingesetzt worden. In der Folge seien auch Schildkröten | |
gestorben, so Garbar. Aktuell, so hörten es die AktivistInnen von | |
Freiwilligen, die dort im Park arbeiten, drohe die Direktorin damit, | |
[3][die vielen Katzen], die sich dort häuslich eingerichtet hätten, zu | |
vergiften. | |
Seit Jahren kämpfen Alexander und Alexandra für den Schutz von Tieren im | |
Gebiet Odessa. Mit drei Aktivistinnen sind sie eine kleine Organisation. | |
„A-Himsa“ heißt diese. Der Name ist für sie, die sich vegan ernähren, | |
Programm. Ahimsa bedeutet Gewaltlosigkeit – eines der wichtigsten | |
Prinzipien im Hinduismus, Jainismus und Buddhismus. Diese Verhaltensregel | |
untersagt das Töten oder Verletzen von Lebewesen oder erlaubt nur ein | |
unumgängliches Minimum. | |
Die Grausamkeit gegen Tiere sei ein großes Problem in der Ukraine, und das | |
nicht erst seit dem Krieg, sagt Alexander: „Es war immer so. Der Krieg hat | |
nur dafür gesorgt, dass viele Fälle ans Tageslicht kommen und man in Europa | |
davon gelesen hat“, glaubt er. | |
## Korruption und Vetternwirtschaft | |
Ob ein Gericht das Verfahren im Sinne der TierschützerInnen zu Ende bringen | |
wird, ist äußerst fraglich. Die Polizei habe nicht wirklich Interesse, | |
ernsthaft zu ermitteln. „Sie suchen nicht einmal nach dem Hauptzeugen, der | |
Person, die die Flügel im Auftrag der Direktorin gestutzt hat“, sagt | |
Alexander. Immerhin sei der Mann nach der Rettung der Schwäne entlassen | |
worden. Die Chefin selbst sei aber noch im Amt. | |
Zudem sei die Korruption ein großes Problem, sagt Alexander: 2021 hätten | |
zwei Männer in Odessa einen alten Mann überfallen und seine fünf Hunde | |
getötet. „Alle wissen, wer diese Männer waren, wir kennen ihre Namen, | |
wissen, wo sie leben, aber die Polizei wollte nicht einmal Beweise | |
sichern.“ Der Grund? „Einer der Männer ist mit der Tochter eines | |
hochstehenden Armeeoffiziers verheiratet. Sie haben die Ermittlungen | |
gestoppt“, glaubt Alexander. | |
Und auch auf A-Himsa werde Druck ausgeübt. Ein zuständiger Polizist habe | |
Alexander gesagt, er und seine Gruppe sollten mit ihren Nachforschungen | |
aufhören. Auch seinen Hund hätten Unbekannte vergiftet. Glücklicherweise | |
habe er ihn rechtzeitig gefunden. Wegen ihrer vielen Feinde habe man den | |
Ort, an dem die Schwäne zwischenzeitlich untergebracht waren, nicht bekannt | |
gegeben. Würden diese verschwinden, hätte man auch keine Beweismittel mehr | |
in der Hand. | |
Vor über zwei Jahren hatte die Gruppe Anzeige gegen eine illegale | |
Schweinefarm in der Ortschaft Tatarbunar im Gebiet Odessa gestellt. Auf | |
dieser waren Tierkadaver nicht entsorgt worden. Hunde, die auf dieser Farm | |
lebten, waren verhungert, weil man sie nicht versorgt hatte. Als man die | |
Polizei gerufen hatte, hatte diese ein Verfahren eingeleitet – gegen die | |
TierschützerInnen, wegen Hausfriedensbruchs. Gleichwohl sehen sich die | |
AktivistInnen als Gewinner, musste doch die Schweinefarm unter dem | |
öffentlichen Druck ihre Tore schließen. | |
## 30 Leute auf der Straße | |
Aufgeben will die Gruppe deshalb nicht. „Was wir brauchen, ist | |
Öffentlichkeit“, sagt Alexander. Deswegen werde man weiter vor Gericht | |
ziehen. Kürzlich habe man gar 30 Menschen für eine Demonstration für | |
Tierrechte in Odessa versammeln können. Eine erstaunliche Zahl, wenn man | |
bedenkt, dass Demonstrationen laut Kriegsrecht in der Ukraine überhaupt | |
nicht erlaubt sind. | |
Inzwischen haben die TierschützerInnen die Schwäne in Meschigorje | |
untergebracht. Für Tiere ist dieses riesige Areal, die [4][ehemalige | |
Residenz] des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, ein | |
Paradies. | |
Mitarbeit: Sunny Riedel | |
30 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5944202 | |
[2] https://www.facebook.com/ahimsa.org.ua/ | |
[3] /Tiere-im-Ukrainekrieg/!5947659 | |
[4] /Wiktor-Janukowitschs-Landsitz/!5019548 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Tierschutz | |
Tierquälerei | |
IG | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Tiere im Ukrainekrieg: Die Katzen von Butscha | |
In der Ukraine helfen Tierschützer:innen zurückgelassenen Katzen, | |
Hunden, Bären. Ihre Arbeit hilft ihnen auch, mit der eigenen Ohnmacht | |
klarzukommen. | |
Tiere in der Ukraine: Tiger unter Beschuss | |
Ob der gesprengte Damm oder tägliche Raketenangriffe: Der Krieg macht | |
Tieren in der Ukraine zu schaffen. Das zeigt auch ein Besuch in Kyjiws Zoo. | |
Tierschützerin zu Hundemord in der Ukraine: „Natürlich sind weniger Hunde d… | |
Marion Dudla vom Deutschen Tierschutzbund über deutsche Werbung für | |
Straßenhunde in Kiew, die Tierliebe der Ukrainer und den Nutzen von | |
Kastrationen. |