# taz.de -- Wiktor Janukowitschs Landsitz: Im Haus des Piraten vom Dnjepr | |
> Selbst die Kritiker des korrupten Expräsidenten staunen: Auf Wiktor | |
> Janukowitschs ehemaligem Landsitz kann riesiger Reichtum bestaunt werden. | |
Bild: Nicht übel: die ehemaligen Präsidentenresidenz Janukowitschs in Meschig… | |
MESCHIGORJE taz | Es ist ein kalter Februarmorgen an der Bucht an einem | |
Stausee am ukrainischen Dnjepr. Man wähnt sich wie auf einer fernen Insel, | |
irgendwo in einem Ökodorf weit weg von der Welt mit ihrem Smog, dem Lärm | |
und der schmutzigen Politik. Hier kann man endlich tief durchatmen. | |
Absolute Stille. Tannen, Schwäne, Sportanlagen, mitunter Vogelgezwitscher. | |
Wie ausgestorben ragt das Piratenschiff „Galion“ am Kai aus dem Nebel. | |
Enten tummeln sich am eisfreien Streifen am Bug. Ein Blick durch das | |
Fenster lässt ahnen, wie gut die Piraten zu feiern verstanden. Und dass sie | |
das nötige Kleingeld dafür hatten. | |
Piratenkapitän Wiktor Janukowitsch ist längst über alle Berge. Dafür kann | |
jetzt hier ein Reichtum bestaunt werden, den selbst die größten Kritiker | |
des korrupten Expräsidenten nicht für möglich gehalten hatten. Janukowitsch | |
war nicht nur Besitzer der „Galion“, sondern auch des 138 Hektar großen | |
Anwesens mit eigenem Strand, Hubschrauberlande- und Tennisplatz, Zoo mit | |
Pfauen, Antilopen, Sträußen und anderen seltenen Exemplaren, Jachtclub, | |
Golfplatz, See und riesigem Fuhrpark von Oldtimern und Motorrädern. Seit | |
dem 22. Februar 2014 ist nicht nur Janukowitschs Piratenschiff für eine | |
Gebühr von einem Euro am Tag zu bestaunen. Man kann sich alles ansehen, was | |
sich der Expräsident einfallen ließ, um sich von dem anstrengenden | |
Amtsgeschäften auf seiner über Strohmänner erworbenen Residenz zu erholen. | |
Mit seinen Luxusdatschas, vergoldeten Klobrillen und handgearbeiteten | |
Mosaiken ist Meschigorje inzwischen zum Inbegriff der persönlichen Gier | |
eines Präsidenten geworden, der in gerade einmal vier Jahren 100 Milliarden | |
Dollar veruntreut haben soll. Wer nicht den ganzen Tag Zeit hat, um das | |
Gelände zu Fuß zu erkunden, sollte sich eines der preisgünstigen kleinen | |
Elektromobile mit Fahrer mieten, die Gäste in einer knappen Stunde zu allen | |
Sehenswürdigkeiten bringen. Abgesehen vom Hubschrauberlandeplatz ist die | |
gesamte Anlage zugänglich. | |
Der frühere Besitzer des Protzlandsitzes hatte ganz offensichtlich eine | |
Vorliebe für Wasser: Überall säumen Teiche mit liebevoll angelegten | |
Springbrunnen den Weg. „Forellen mögen nun mal kein verschmutztes Wasser, | |
deswegen hat man in den Teichen immer auf Reinheit geachtet“, erklärt | |
Nikolaj, der Fahrer des Elektrogefährts. | |
Der Weg führt in der verträumten Schneelandschaft vorbei an Gartenlauben, | |
einem vertieften Unterstand mit Grillvorrichtung, seltenen asiatischen | |
Pflanzen und einer Fischküche zum Ufer. Das war noch vor einem Jahr mit | |
einem Elektrozaun abgesichert. Verirrte sich ein Boot oder ein Schwimmer zu | |
sehr in Richtung des Anwesens, wurde der Eindringling sofort von einer | |
ganzen Kohorte der Wachmannschaften abgedrängt, berichtet Nikolaj. | |
## „Wir haben uns verlaufen“ | |
Jedes Gebäude auf dem Gelände dient einem eigenen Zweck. Das | |
marmorverzierte Haus neben der Halle mit Sportgeräten ist Gästen | |
vorbehalten. Zwischen zwei Hügeln befindet sich neben dem kleinen | |
Kraftwerk, das sicherstellen soll, dass das Anwesen auch im Falle eines | |
Falles energetisch autonom ist, ein Gebäude mit 70 Oldtimern und Dutzenden | |
Motorrädern. | |
Janukowitschs Herrenhäuser mit ihrem Prunk sind an diesem Wochentag leider | |
verschlossen. 80.000 Euro sollen dort allein die Vorhänge in einem einzigen | |
Gebäude gekostet haben, berichtet unser Fahrer Nikolaj. Pünktlich um 12 Uhr | |
fährt der Kleinbus zurück in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Anna und | |
Lidia, zwei Besucherinnen aus dem westukrainischen Lwiw, schaffen es gerade | |
rechtzeitig zur Abfahrt. „Wir haben uns verlaufen“, entschuldigen sich die | |
beiden außer Atem bei Wiktor, dem Fahrer des Kleinbusses. Sie hatten sich | |
im Wald der Exresidenz verirrt und nur mit Mühe den Weg zurück zum Ausgang | |
finden können. | |
30 Minuten später stehen wir wieder auf dem Maidan, mit all seinem Verkehr, | |
seinem Lärm, dem Gestank der Autos und dem Stress des Alltags. Wiktor | |
stellt sich mit seinem Mikrofon mitten auf den Platz und bietet den | |
Passanten Fahrten in die Residenz von Expräsident Wiktor Janukowitsch an. | |
Heute hat er nicht viel Glück. „Es ist kalt, und ein Wochentag“, erklärt … | |
sich das geringe Interesse. Aber es gebe auch andere Tage. In den ersten | |
Maitagen des vergangenen Jahres seien pro Tag über zehntausend Besucher in | |
der Residenz gewesen. Da habe er mit seinem Kleinbus den ganzen Tag Kunden | |
gehabt. | |
22 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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