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# taz.de -- Sommerlochdebatten zum Augenrollen: Tourismus und andere Krankheiten
> Hannover diskutiert, mit welchen Slogans die Stadt Touristen von sich
> überzeugen soll. Eins jedenfalls kann man dort gut: umsteigen.
Bild: Wie überzeugt man Menschen, hier aus- und nicht nur umzusteigen? Hannove…
Meiner bescheidenen Meinung nach gehört zu den großen Vorzügen Hannovers,
dass man hier super leben kann, ohne andauernd über nervige Touristen zu
stolpern und von dem ätzenden Geräusch von Rollkoffern auf
Kopfsteinpflaster aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Aber Hannovers Hoteliers sehen das ein bisschen anders. Die lebten bis kurz
vor Corona ganz gut vom Messegeschäft, das scheint sich nur leider vom
Pandemieschaden nicht wieder zu erholen. Das ist natürlich ein
Riesenproblem, denn wenn man ehrlich ist, gibt es jetzt einfach zu viele
Hotelbetten in dieser Stadt. Und wie das so ist bei notorischen
FDP-Wählern: Marktwirtschaft finden die immer nur so lange geil, wie sie
davon profitieren. Wenn das nicht mehr der Fall ist, schreien sie nach dem
Staat. Oder in diesem Fall: nach einem Tourismus-Konzept. Das natürlich
Stadt und Region in Auftrag geben und bezahlen müssten, schließlich muss
man hier bald eine Bettensteuer abführen, für irgendwas muss die doch gut
sein.
In jedem Fall haben sie es geschafft, dass man jetzt das Sommerloch mit
Diskussionen darüber füllt, was denn Hannovers „Unique Selling Point“ sein
könnte, ob die Stadt [1][nicht eigentlich viel geiler ist, als man so
denkt] und mit welchem Slogan sich das am besten verkaufen ließe. Und ich
kriege wahrscheinlich demnächst eine Entzündung in den äußeren Augenmuskeln
vor lauter Augenrollen.
Die Antworten und Vorschläge auf diese Fragen sind derart vorhersehbar und
austauschbar, irgendwas mit Gärten und Grün, kurzen Wegen, Wissenschaft
auch, Vergangenheit und Zukunft, vielleicht sogar Hochdeutsch. Wenn die
Stadtverwaltung clever wäre, würde sie das einfach mal von [2][ChatGPT,
Bard & Co]. zusammenschreiben lassen und ganz viel Geld sparen, aber das
befriedigt nicht den kindlichen Wunderglauben an Konzepte und Agenturen und
das richtige Kommunizieren, dann können wir alles sein, sogar Hamburg,
Berlin oder München.
Dabei gibt es eine Sache, die man hier tatsächlich viel besser kann als in
diesen anderen Städten: Umsteigen nämlich. Vielleicht sollte man sich bei
der Vermarktung der Stadt einfach mal auf die Tagungs- und
Kongressreisenden konzentrieren, für die gute Erreichbarkeit wichtig ist.
Wir haben ja nicht nur den Bahnhof, sondern auch einen schnuckeligen
Flughafen und ein Autobahnkreuz, für die die es nicht lassen können.
Diese Tagungsreisenden sollten dann aber besser keine Mediziner sein, habe
ich gehört. Und damit wären wir bei der zweitnervigsten
Hannover-Sommerloch-Debatte: Der Verwirrung, ob die neue [3][Medizinische
Hochschule nun einen Stadtbahnanschluss] bekommt oder nicht. Das ist
Außenstehenden kaum zu erklären, da soll für mehr als eine Milliarde Euro
ein schicker Campus, neue Bettenhäuser und alles mögliche für die führende
Medizinische Hochschule des Landes entstehen – und dann ventiliert man
ernsthaft den Gedanken, all diese Beschäftigten, Studierenden, Patienten
und Angehörigen mit Shuttlebussen von der alten Haltestelle dorthin zu
karren, plant aber mit größter Selbstverständlichkeit vier Parkhäuser ein.
In Wirklichkeit geht es bei dem Gezerre zwischen Stadt, Region und Land
wohl eher darum, wer die Trasse zahlt, aber das sagt so offen eben keiner.
Stattdessen beharkt man sich mit halbgaren Behauptungen in der Lokalpresse
und nachher soll alles nur ein Missverständnis gewesen sein – und das
obwohl an allen zuständigen Stellen Sozis sitzen. Vielleicht wäre das ja
ein Unique Selling Point für Hannover: Kommen Sie in die Stadt, die ihnen
zeigt, wie Filz nicht funktioniert! Aber werden Sie bloß nicht krank hier.
12 Aug 2023
## LINKS
[1] /Niemand-ist-stolz-auf-Hannover/!726422/
[2] /Oekologischer-Fussabdruck-von-KI/!5946576
[3] https://www.haz.de/lokales/hannover/mhh-stadtbahnkonflikt-in-hannover-kopfs…
## AUTOREN
Nadine Conti
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