# taz.de -- Reform des Unterhaltsrechts: Entlastung für Väter? | |
> Vorstoß von Justizminister Buschmann (FDP): Unterhaltspflichtige Eltern, | |
> die nach einer Trennung ihre Kinder betreuen, sollen weniger zahlen | |
> müssen. | |
Bild: Wer kümmert sich? War zahlt? Und wen kümmert es, wenn wer zahlt? | |
FREIBURG taz | „Mitbetreuende Elternteile“, die sich nach der Trennung der | |
Eltern „erheblich engagieren“, sollen künftig weniger Unterhalt überweisen | |
müssen. Dies plant Justizminister Marco Buschmann (FDP). Die Reform dürfte | |
vor allem Vätern zugute kommen. | |
Bisher geht das deutsche Unterhaltsrecht vom Residenzmodell aus. Danach | |
lebt das Kind nach der Trennung bei einem Elternteil, meist bei der Mutter, | |
die damit ihre Unterhaltspflicht erfüllt. Der andere Elternteil, meist der | |
Vater, muss dann Barunterhalt bezahlen. | |
An der Pflicht, vollen Barunterhalt zahlen zu müssen, ändert sich bisher | |
auch nichts, wenn Väter sich teilweise an der Betreuung der Kinder | |
beteiligen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon mehrfach | |
entschieden. So ging es 2014 um einen Vater, bei dem das Kind an 6 von 14 | |
Tagen lebte und der deshalb keinen Barunterhalt mehr zahlen wollte. Doch | |
auch dieser Betreuungsanteil von 43 Prozent reichte nicht aus; der Vater | |
musste weiter vollen Unterhalt bezahlen. Sein Betreuungsanteil wurde auch | |
nicht anteilig angerechnet. Entscheidend sei, dass die Mutter weiter die | |
„Hauptverantwortung“ trage. Man spricht in solchen Fällen von unechten oder | |
asymmetrischen Wechselmodellen. | |
Nur beim echten Wechselmodell, wenn Vater und Mutter „etwa die Hälfte der | |
Erziehungs- und Versorgungsleistungen“ wahrnehmen, hat dies Auswirkungen | |
auf den Unterhalt. Der Vater wird dann von der Barunterhaltspflicht frei – | |
wenn beide Elternteile ungefähr gleich viel verdienen. Sollte ein | |
Elternteil jedoch deutlich mehr verdienen als das andere, ergibt sich | |
daraus doch eine Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt. | |
## Frauen haben eine Art Vetorecht | |
Allerdings haben Väter keinen Anspruch auf Einführung eines echten | |
Wechselmodells nach der Trennung. Frauen haben deshalb eine Art Vetorecht, | |
das Wechselmodell so auszugestalten, dass sie den vollen Unterhaltsanspruch | |
nicht verlieren. Nur wenn es ausdrücklich dem Kindeswohl dient, kann ein | |
Gericht das echte Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils | |
anordnen. | |
Bei asymmetrischen Wechselmodellen will Justizminister Marco Buschmann nun | |
die Väter besserstellen, wie er am Wochenende in einem Interview mit den | |
Zeitungen der Funke-Gruppe ankündigte. Wenn Väter sich in erheblichem Maße | |
bei der Kinderbetreuung engagieren, dann solle dies auch bei der | |
Unterhaltspflicht angerechnet werden. Buschmann denkt an eine | |
Mindestschwelle von 30 Prozent der zeitlichen Betreuung. | |
An einem Rechenbeispiel macht er deutlich, was dies in der Praxis bedeuten | |
kann. Wenn der Vater das Kind zu 40 Prozent mitbetreut und 4.000 Euro im | |
Monat verdient, während die hauptbetreuende Mutter 2.000 Euro verdient, | |
könnte sich die Barunterhaltspflicht des Vaters nach der Neuregelung von | |
circa 500 Euro um rund 100 Euro vermindern. | |
## Zu Lasten der Frauen? | |
Da diese 100 Euro dann der ohnehin schlechter verdienenden Frau fehlen, ist | |
mit Widerständen gegen Buschmanns Plan zu rechnen. SPD-Chefin Saskia Esken | |
sagte, die Reform dürfe nicht zu Lasten der zumeist in der Hauptsache | |
erziehenden Mütter gehen. Helge Limburg, der rechtspolitische Sprecher der | |
Grünen, warnte, die Reform dürfe nicht zu Armut führen. | |
Gökay Akbulut, familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion, bezeichnete | |
die angekündigten Änderungen als besorgniserregend. „Unterhaltskürzungen | |
werden mehr Alleinerziehende und Kinder in die Armut stürzen“, kritisierte | |
sie. „Knapp jede zweite Alleinerziehende und ihre Kinder sind schon jetzt | |
von Armut betroffen.“ | |
Buschmann sieht dagegen auch Vorteile für Frauen. Je mehr sich Väter an der | |
Kinderbetreuung beteiligen, desto mehr könnten sie auch wieder berufstätig | |
sein. Zumindest wolle er dafür sorgen, „dass beim hauptbetreuenden | |
Elternteil keine Situation eintritt, die das Kindeswohl gefährdet“. | |
Buschmann plant, seinen Vorschlag in wenigen Tagen in einem Eckpunktepapier | |
ausführlicher vorzustellen. Ein Gesetzentwurf soll alsbald folgen. | |
Der letzte entsprechende Vorstoß zur Entlastung von engagierten Vätern | |
stammte 2019 von der damaligen Familienministerin Franziska Giffey (SPD). | |
Über eine Interviewäußerung kam sie jedoch nicht hinaus. | |
22 Aug 2023 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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