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# taz.de -- Reichsbürger-Bewegung sucht Personal: Currywurst und Systemausstieg
> „Königreich für Deutschland“ rekrutiert mittlerweile auch Kioskverkäuf…
> und arbeitet mit verurteilten Rechtsextremen zusammen.
Bild: Politik geht durch den Magen: Das wollen auch die die Reichsbürger für …
Ein Wanderweg, ein Kiosk. [1][Am ehemaligen Kurhotel am Wiesenbeker Teich
in Bad Lauterberg] soll eine kleine Holzhütte bald größere Gewinne für das
Gemeinwohl einbringen. Als Teil des „Oberharzer Wasserregales“ gehört der
Wiesenbeker Teich zum Unesco-Weltkulturerbe im niedersächsischen Harz. Über
einen begehbaren Staudamm können die Wandernden das künstliche Gewässer
überqueren, und am Kiosk sollen sie dann bald Getränke und Snacks erwerben
können. Noch suchen die Betreibenden aber einen Kioskverkäufer für 30
Stunden die Woche – Geld gibt es für diesen Job nicht. Dieses
Stellenanzeige ist der Versuch der Reichsbürger-Bewegung „Königreich
Deutschlands“ (KRD), in Norddeutschland neue Strukturen zu etablieren.
In dem Jobangebot auf der KRD-Website wird die politische Absage an die
Bundesrepublik nicht bloß angedeutet. „Wir sind gerade dabei unseren
Standort mitten im Grünen im Harz auszubauen“, schreibt das KRD. „Da das
örtliche Umfeld noch nicht optimal ausgebaut ist, bieten wir aktuell ein
Camping-Gefühl.“ Die Bewerbenden sollten denn auch einen Camper oder
Wohnwagen besitzen. So weit, so unpolitisch.
Doch in der Anzeige wird gleich der vom KRD beworbene „Systemausstieg“
eingefordert. Das Zubereiten von „kleinen Snacks und Mahlzeiten“ sei als
Beitrag „für das Gemeinwohl“ eines „zusammenhaltenden Teams“ einzubrin…
Die „Abmeldung“ aus der Bundesrepublik – also die Rückgabe von Pass,
Führerschein und weiteren Dokumenten– soll der neue Kioskverkäufer dann
durch einen Übertritt in den „Rechtsrahmen“ des KRD vollziehen.
## „Königreich für Deutschland“ 2012 gegründet
Dieser „Rechtsrahmen“ wurde 2012 in der Lutherstadt Wittenberg in
Sachsen-Anhalt geschaffen, als [2][Peter Fitzek] vor rund 600
Anhänger:innen das „Königreich für Deutschland“ ausrief und sich gar
zum König krönen ließ. Fitzek alias „Menschensohn“ oder „Peter, der 1.…
gründete eine „Reichsbank“ und eine „Gesundheitskasse“, führte
Staatszugehörigkeitsdokumente und eine eigene Währung für die Reichsbürger
ein.
Eine direkte Entlohnung erwähnt das KRD in der Stellenanzeige nicht. Doch
das Leben in Bad Lauterberg und das Arbeiten im Kiosk unweit des Kurhotels
garantiere eine „gesunde, hochwertige Lebensweise“ und biete „vielfältige
Einblicke in das gegenwärtige Weltgeschehen hinter den Kulissen und die
Möglichkeit, an einer positiven Transformation mitzuwirken“.
## Wegen Volksverhetzung verurteilt
Diese Transformation gestaltet Niels Fortmann am ehemaligen Kurhotel
bereits mit. Auf dem 2.780 Quadratmeter großen Anwesen werkelt der
Rechtsextremist aus Nienburg an der Weser. Er war zuvor bei der
Kameradschaftsstruktur „Nationale Offensive Nienburg“ und wurde 2007 vom
Amtsgericht Nienburg wegen Volksverhetzung zu einer sechsmonatigen
Bewährungsstrafe verurteilt, da er bis 2014 als Administrator der Website
von „Stimme des Reiches“ fungierte – eine Veröffentlichung aus dem Spekt…
der Holocaust-Leugnenden Ursula Haverbeck. Ein Jahr später kandidierte der
Bäckergeselle für die NPD bei der niedersächsischen Landtagswahl.
Heinrich Müller aus dem Saterland, einer Gemeinde in Niedersachsen,
arbeitet auch am Hotel und an der „Transformation“ mit. Müller versuchte in
seiner Heimat als Lokalpolitiker aufzusteigen, scheiterte aber, als bekannt
wurde, dass er zum „Königreich für Deutschland“ gehört. Müller ist der
Partner von Ute Kowalewski, die das ehemalige Kurhotel in Bad Lauterberg
für Fitzeks Fantasiestaat erworben hat.
## Strukturen in Hamburg und Bremen stehen
In Bremen und Hamburg läuft der Aufbau neuer Strukturen schon länger.
Verbitterte Reichsbewegte mit Hass auf die Bundesrepublik Deutschland
kommen hier aber nicht zusammen, sondern hier streben „Suchende mit offenen
Herzen Gemeinschaftliches“ an, so formulieren es die Anhänger des KRD. Es
sind aber nur Wortwahl und Habitus, die sie von den Rechtsextremen
unterscheiden, die politischen Positionen sind häufig deckungsgleich.
Der Coach für die „Regionalstelle Nordwest“ trägt Dutt und Kinnbart.
Andreas Lütge ist Administrator der nördlichen Telegram-Gruppe. Mehrere
Treffen haben in Hamburg stattgefunden. Knapp 30 Personen kamen zum
Beispiel am 10. und 11. Juni zum Thema „Systemausstieg“ zusammen, am 24.
Juni und am 8. Juli ging es dann ebenfalls in Hamburg passend dazu um das
Thema „Systemaufbau“. Lütge war mehrmals Redner bei
Querdenken-Demonstrationen an der Elbe, trat mit offiziellem T-Shirt von
„Querdenken-40“ auf.
Er tritt aber auch aktuell bei Werbevideos der Initiative „Leuchtturm“ der
Reichsbürger:innen-Gruppierung „Königreich Deutschland“ auf. Geht man auf
die Website, steht dort: „Mit der Nutzung dieser Webseite erklärst Du Dich
damit einverstanden, eine temporäre Zugehörigkeit zum Staatsverein
Königreich Deutschland einzugehen“. Aber keine Sorge: „Es entstehen dadurch
keine weiteren Rechte, Pflichten oder Kosten.“
## „Bündnis gegen Rechts“ warnt
Nahe Hamburg ist für den 30. September ein „KRD-Info-Seminar Basis &
Aufbau“ angekündigt. Kosten: 43 Euro. Beim Mittagessen findet laut Programm
eine „Vernetzung, KaDaRi“, statt. Bereits vor Jahren war Jürgen Elsen mit
der „Initiative Lauschraum Nordheide“ aus Kakenstedt beim „KaDaRi“
eingetragen, auf dem mit der Währung des Scheinstaates Dienstleistungen
innerhalb des KRD vermarktet werden, weiß das Hamburger „Bündnis gegen
Rechts“ (HBgR).
Für die Region Nordwest tritt Elsen als Leiter des KRD auf. Er ist zudem in
den 2019 gegründeten Verein „Ich bin Mensch – Verein zur Förderung
regionaler Kulturinitiativen und sozialer Gemeinschaftsentwicklung e. V.“
involviert. 2020 wird der Verein bei Telegram schon als Kontakt für
KRD-Interessierte angegeben. Der aktuelle Vorsitzende ist Bastian Schikora
aus Hamburg, als neuer Kassenwart sitzt Marc Opitz aus Handeloh, stellte
das Bündnis fest. „Der Verein ist offensichtlich ein Tarnverein“, sagt Kim
Fedders vom Hamburger „Bündnis gegen Rechts“. Das vermeintlich Alternative
soll das eindeutig Autoritäre nicht überdecken.
## Reichsbürger bauen Regoionalstrukturen auf
In einem internen „Kurzkonzept“ vom Juni 2021 zu „Gruppenaufbau und
Finanzierung der Regionalstellen“ erklärt das „Königreich für Deutschlan…
dass „die Regionalstellen (…) wichtige Faktoren für die Vergrößerung des
KRD“ seien. Da sie die Keimzellen von freien Gemeinden in den Regionen
darstellen. Die „Kerngruppe“ stellt die Führungskräfte, welche mit dem
Regionalstellenleiter alles maßgeblich organisieren. „Ohne einen
führungsstarken und unternehmerisch denkenden und handelnden
Regionalstellenleiter kann dauerhaft keine Gruppe etabliert und organisiert
werden.“
Die Regionalstellen sollten aber nicht alle Interessierten mitgestalten
lassen. Um eine „stabile“ Regionalgruppe aufzubauen, sollten Menschen mit
„offensichtlich großen emotionalen und psychischen Baustellen“ abgewiesen,
aber im Unterstützerkreis behalten werden. Und das KRD führt weiter aus:
„Die postmoderne Vorstellung, dass „alle Menschen mitentscheiden müssen“,
sei eine romantische und weltfremde Idee.
## Bis zur Militanz
Diese antidemokratische Radikalität geht bis zu Militanz: Auf der „König
für Deutschland“-Website stellten zwei Mitglieder unlängst ihren Podcast
vor, in dem die Bewaffnung des KRD laut ihrer eigenen Verfassung skizziert
wird. Demnach sei die Fitzek unterstellte Verteidigungsarmee nur für
Deutsche und selbst im Konfliktfall freiwillig. Es sei jedoch weiter
wichtig, dass alle Mitglieder Selbstverteidigung trainierten, um den Körper
als Waffe einzusetzen und sich im Verteidigungsfall gegen Bedrohungen
wehren zu können.
„Das Konzept eines monarchistischen Fantasie-Staats mit hoheitlichen
Befugnissen, eigener Armee und geplanter Bewaffnung, dessen Anführer
glaubt, sein Reich existiere in Wirklichkeit, ist brandgefährlich“, sagte
Kim Fedders vom Hamburger „Bündnis gegen Rechts“. Am 27. August ist der
nächste Reichsbürger-Spaziergang nördlich Hamburgs geplant.
15 Aug 2023
## LINKS
[1] /Reichsbuerger-kaufen-sich-in-Kurort-ein/!5942157
[2] /Reichskoenig-Peter-Fitzek-vor-Gericht/!5425181
## AUTOREN
Andrea Röpke
Andreas Speit
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Linksextremismus
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