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# taz.de -- John-Lennon-Denkmal in Verden: Die Klötzchen-Ecke
> Verdens John-Lennon-Denkmal ist eine eher triste Sache. Es erinnert seit
> 15 Jahren daran, dass der Beatle mal bei einem Filmdreh durch die Stadt
> lief.
Bild: Vorsicht, man läuft schnell dran vorbei: In einer Nische verbirgt Verden…
Ein merkwürdiges Eckchen, das. Aber vielleicht muss es das auch sein, weil
ja die Idee dieses John-Lennon-Denkmals in Verden selbst immer schon
merkwürdig war: Wer vom [1][wuchtigen Dom] die kopfsteingepflasterte
Mühlentor-Straße runterkommt und dann rechts in den geschotterten, schmalen
Pfad Am Bollwerk einbiegt, ist fast schon dran vorbei gelaufen.
Umrahmt von einem braunlackierten Lattenzaun und einer grünglänzenden
Kirschlorbeerhecke scheinen sich die drei unterschiedlich hohen
Sichtbeton-Stelen hier verlegen in ihrer Nische herumzudrücken. Sie haben
aber auch nichts, mit dem sie auftrumpfen könnten. Die Grundfläche aller
drei Säulchen ist quadratisch, wenn auch unterschiedlich breit. Alle drei
schließen oben mit einer leichten Schräge ab, auf der wiederum je eine
quadratische Bronzeplatte montiert ist. Diese routinierte Gedenkarchitektur
stünde wohl mit jeder deutschen Friedhofsordnung im Einklang.
Zwei der Bronzeplaketten sind mit Schrift gestaltet. Die eine macht
unmissverständlich klar, dass hier außer der Stadt Verden, ihrem
Pferdemuseum und ihren Berufsbildenden Schulen die ortsansässige
Deutschlanddependance des Zuckerzeugriegelherstellers Mars, das
Akzent-Hotel Höltje und die Transportbetonfirma Matthäi gedenkt. Den
Widmungsträger verrät die andere, etwas größere: „JOHN LENNON. Ein Beatle
in Verden“, steht drauf.
Die größte aber hat, in bester Mülleimerhöhe, Werbegrafiker Uwe Blaschke
[2][vor 15 Jahren] künstlerisch wie ein Medaillon gestaltet, mit einem
stilisierten Porträt. Stark an dessen eigenen zeichnerischen Stil angelehnt
reduziert es John Lennons Gesicht auf seine Nickelbrille und einen
angedeuteten Soldatenhelm, aus dem sich links eine Taube emporzuschwingen
scheint.
## Erinnerung an eine Stippvisite
Eine sehr gute Grafik, die gerade aus ihrer Flächigkeit Tiefe bezieht.
Manko: Durch ihre Aufstellung im öffentlichen Raum gewinnt sie nichts. Was
unglücklicherweise auch umgekehrt gilt. Denn was bedeutet es fürs Leben in
dieser Stadt, wenn in Verden die Stippvisite eines bedeutenden Musikers
denkmalwürdig scheint, der hier im September 1966 an Dreharbeiten für den
Antikriegs-Film „How I Won the War“ mitgewirkt hat – in einer letztlich
eher kleinen Rolle? Warum hat Verden so ein Denkmal nötig – nicht aber
Ostenholz, wo er doch immerhin übernachtet hat?
Letztlich kann nämlich so ein Denkmal nur der Selbstvergewisserung des
Ortes dienen. Zwar hat einst der damalige Bürgermeister bei der Einweihung
der Klötzchen-Ecke gesagt, man wolle ganz im Gegenteil mit dem Denkmal „an
[3][John Lennon] erinnern und seine Hoffnung auf eine bessere Welt teilen“.
Aber das ist erkennbar eine Schutzbehauptung: Niemand kann ja ernsthaft
glauben, dass diese Jahrhundertfigur ohne das Verdener Engagement vom
Vergessen bedroht wäre. Insofern gerinnt das verräumlichte
Kurzbesuchsgedenken zu einem Versuch, sich selbst in Erinnerung zu rufen.
Dafür muss es den Aufenthalt zu einem Ereignis erklären, das diesen Ort
verändert hätte und sein Bild geprägt. Aber trifft das zu? Nur, weil
Verdens Straßenzüge und die Brücke über die Aller trotz exzessivem
Blaufiltereinsatz, anders als etwa die Drehorte in der Lüneburger Heide, im
Film einwandfrei erkennbar geblieben sind? Macht sich die Stadt durch ein
derartiges Gedenken nicht kleiner, als sie ist?
Okay, man kann auch sagen: Das ist doch alles viel zu spießig gedacht.
Entkrampfen wir doch mal! Lassen wir dem anarchistischen Spaß Raum und
verhelfen wir kuriosen Zwischenfällen zu dauerhafter Gestalt, einfach aus
Lust an der Freude. Und warum auch nicht: Immerhin verfügt Verden ja über
ein Denkmal für einen diebischen Küster.
Doch ein solcher Ansatz hätte kein konfektionspathetisches Ensemble aus
Sichtbetonquadern hervorbringen dürfen. Er hätte einer weniger an- und
einpassungsfreudigen, einer dissonanteren Ästhetik bedurft – was denn auch
wiederum besser zum Anlass gepasst hätte.
Denn Richard Lesters Spielfilm mag insgesamt verunglückt sein. Ideologisch
frönt er einem simplen Pazifismus, und er bekommt durch seinen
entschiedenen Antimilitarismus eine antibritische Schlagseite: Die
Hauptperson, der komplett idiotische Lieutenant Earnest Goodbody ist ein
Mosley-Anhänger, also ein Faschist. Sein deutscher Widerpart, der
Wehrmachtsoffizier Odlebog, verzichtet, gegen Geldzahlung, auf die ihm
befohlene Sprengung der Rheinbrücke von Verden an der Aller.
Er wird dann in einer der ekelhaftesten Szenen von einem britischen Panzer
zermatscht. Auch diese Täter-Opfer-Umkehr, die Lester eher versehentlich,
denn mit Absicht inszeniert, schmälert die kulturhistorische Bedeutung des
Films nicht.
Cineastisch interessant sind sein experimenteller Humor, seine chaotische
Erzählstruktur und seine surrealen Verfremdungen – bis hin zum geschmacklos
wüsten Mix von grotesken Spielszenen und dokumentarischen
Schlachtaufnahmen, die einander optisch angeglichen werden.
In John Lennons künstlerischer Biografie wiederum markieren die
Dreharbeiten eine wichtige Etappe. Während ihrer schreibt er seinen bis
dahin komplexesten Song „Strawberry Fields“. Seine schauspielerische Arbeit
verschafft ihm zugleich die Gelegenheit, den eigenen Style neu zu
definieren: Die Pilzkopffrisur, bis zum Album „Rubber Soul“ Markenzeichen
aller vier Beatles, lässt er sich für die Rolle als Fußsoldat Gripweed
wegscheren.
## Ikonisches Brillengestell
Und wie seine Filmfigur trägt er fortan die National Health
Standard-Brille, wie sie die British Army ihren Angehörigen im Zweiten
Weltkrieg zur Verfügung gestellt hatte. Das Nickelgestell mit den
kreisrunden Gläsern wird ikonisch, sobald dieser radikal neue Look
veröffentlicht wird: [4][Ein Filmstill mit Lennon ziert das Cover der
ersten Nummer des Rolling Stone Magazine], die am 9. November 1967
erscheint.
Die Bildunterschrift kündigt einen ausführlichen Bericht vom Dreh auf der
letzten Seite des Hefts an. Lennon setzt mit dem Outfit ein Zeichen, wenn
nicht der Lösung aus dem Kollektiv der Band, so doch der stärkeren
Individualisierung.
In Verden, so scheint es, hat man weder die Möglichkeiten noch die
Dimensionen des eigenen Gedenkens erfasst, ja nicht einmal erfassen wollen.
Statt der Befragung von Vergangenheit oder der Erinnerung an eine Person zu
dienen, zehrt das Denkmal von deren Popularität. Es will etwas von ihrem
Glanz für sich haben, [5][ähnlich wie der Lutherstein vorm Dom].
Angetrieben von einem hohlen Fremdenverkehrsinteresse, wird Gedenken so zum
Marketing, zu einem Instrument der Städtewerbung. Das ist nichts Böses,
aber in jeder Hinsicht trist.
31 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.dom-verden.de/startseite
[2] /!850530/
[3] /John-Lennon/!t5009160
[4] https://journal.denkeler-foto.de/2014/12/from-the-underworld/
[5] /Ein-neuer-Feiertag-fuer-den-Norden/!5482678
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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