# taz.de -- Faesers Pläne für Abschiebungen: Freiheitsentzug leicht gemacht | |
> Innenministerin Nancy Faeser will Abschiebungen erleichtern. Der Union | |
> geht das nicht weit genug, Grüne und Linke befürchten | |
> Grundrechtsverstöße. | |
Bild: Nancy Faeser schlägt vor, die Befugnisse der Behörden bei Abschiebungen… | |
BERLIN taz | Gerade mal ein paar Wochen ist es her, da forderte die | |
Unionsfraktion im Bundestag die Verlängerung des Ausreisegewahrsams, um | |
Abschiebungen zu erleichtern. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh warf der | |
Union „grobe Irreführung“ vor. Nun kommt der gleiche Vorschlag von Lindhs | |
Parteikollegin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser. | |
Am Mittwochnachmittag legte Faeser [1][zwei Diskussionsentwürfe vor], in | |
denen es unter anderem um die „Verbesserung der Rückführungen“ gehen soll… | |
also [2][mehr Abschiebungen]. Man setze damit die Vereinbarungen zwischen | |
Bund und Ländern nach dem Gipfel mit der Ministerin im Februar sowie dem | |
Spitzentreffen mit dem Bundeskanzler im Mai um. | |
Demnach soll der Ausreisegewahrsam von höchstens 10 auf künftig bis zu 28 | |
Tage ausgeweitet werden, damit Behörden mehr Möglichkeiten haben, eine | |
Abschiebung vorzubereiten. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote | |
sollen ein eigenständiger Haftgrund werden. Auch sollen unter „engen | |
rechtsstaatlichen Voraussetzungen“ Behördenvertreter*innen in | |
Gemeinschaftsunterkünften nicht nur das Zimmer von Abzuschiebenden, sondern | |
auch Gemeinschaftsräume oder die Räume Dritter betreten dürfen. | |
Gleichzeitig soll der Aufenthaltstitel für Menschen mit subsidiärem Schutz | |
von einem Jahr auf drei Jahre ausgeweitet werden, um die Behörden zu | |
entlasten. Die Vorschläge sollen nun mit den Ländern und Kommunen | |
diskutiert werden. Anschließend würden die Referentenentwürfe erstellt, so | |
das Innenministerium. | |
Schon jetzt ist klar, dass es im parlamentarischen Verfahren hoch hergehen | |
dürfte. Denn nicht einmal die Ampelfraktionen stehen geschlossen hinter den | |
Vorschlägen. Die FDP befürwortet die Pläne. Noch immer scheiterten viel zu | |
viele Abschiebungen, sagte deren Parlamentarischer Geschäftsführer Stephan | |
Thomae der dpa. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk | |
Wiese erklärte, er begrüße, „dass die Ampelkoalition die Ordnung des | |
Migrationsgeschehen weiter pragmatisch, zielgerichtet und mit Augenmaß | |
anpasst“. | |
Die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat hingegen kritisierte die | |
Vorschläge scharf. „Der Ausreisegewahrsam ist aufgrund des massiven | |
Eingriffs in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht | |
grundsätzlich abzulehnen“, erklärte sie. In ihrer Rede zum Unionsantrag im | |
Mai hatte Polat erklärt, es sei „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“, | |
einem Menschen für fast einen Monat die Freiheit zu entziehen, um | |
organisatorische Abläufe zu vereinfachen. | |
Die Linke nannte die Ausweitung des Sicherheitsgewahrsams, für den nicht | |
mal Fluchtgefahr vorliegen muss, einen „neuen Tiefpunkt“ in der | |
Migrationspolitik der Ampel. „Statt die Politik von Union und AfD zu | |
betreiben, sollte die Bundesregierung lieber ihren Koalitionsvertrag | |
umsetzen“, sagte Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion. | |
Dort stünden „einige gute Vorhaben“, auf deren Umsetzung Verbände, NGOs u… | |
Betroffene seit Langem drängten – etwa Erleichterungen beim Familiennachzug | |
oder die Identitätsklärung per eidesstattlicher Versicherung. | |
Der Union kommen Faesers Vorschläge zu spät und sie gehen nicht weit genug: | |
„Dass die Ministerin in der angespannten Lage nach drei Monaten nicht | |
einmal einen fertigen Regierungsentwurf vorlegt, grenzt an | |
Arbeitsverweigerung“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende | |
Andrea Lindholz (CSU) der dpa. | |
Pro Asyl kritisierte die Pläne. Diese würden zu „einem noch härteren Umgang | |
mit Geflüchteten führen“, sagte der taz Tareq Alaows, fluchtpolitischer | |
Sprecher der NGO. Die Vorschläge beinhalteten tiefe Eingriffe in die | |
Grundrechte von Menschen. „Ich habe große Zweifel, ob das | |
verfassungskonform ist“, so Alaows. | |
Diese Zweifel hat auch der auf Abschiebehaft spezialisierte Rechtsanwalt | |
Peter Fahlbusch. Den Ausreisegewahrsam auf vier Wochen zu verlängern, halte | |
er für „nicht verfassungskonform“, sagte er der taz. „Wir reden hier von | |
Menschen, die keinerlei Versuch unternommen haben, sich zu entziehen“, so | |
Fahlbusch. | |
Schon die bestehenden Regeln würden nicht rechtskonform umgesetzt. Mehr als | |
die Hälfte der inzwischen 2.416 Menschen, die er in den vergangenen Jahren | |
in entsprechenden Fällen vertreten habe, sei zu Unrecht in Haft gewesen. | |
„Wir reden zusammengenommen über 32.362 rechtswidrige Hafttage, also gut 88 | |
Jahre rechtswidrige Haft“, so Fahlbusch. „Dieser Missstand wird sich mit | |
weiteren Verschärfungen keineswegs verbessern – ganz im Gegenteil.“ | |
Dieser Text wurde am 04.08.2023 um 9.53 Uhr aktualisiert. d.R. | |
3 Aug 2023 | |
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[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/08/diskussion… | |
[2] /Deutsche-Asylpolitik/!5938216 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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