# taz.de -- Teamarbeit bei der Nationalhymne: Singen für den besseren Kick | |
> Nach der schlechtesten WM-Vorrunde der USA wird über die stillen | |
> Spielerinnen bei der Nationalhymne diskutiert – eine alt bekannte elende | |
> Debatte. | |
Bild: Hand aufs Herz? Beim US-Team machen es die Frauen mal so oder so | |
Zum Kanon der Sportberichterstattung gehört die Einzelkritik. Und die | |
US-Frauen hatten in ihrem letzten Gruppenspiel am Dienstag gegen Portugal | |
noch nicht lange gespielt, da wurden auf den englischsprachigen | |
Nachrichtenseiten im Internet schon erste Beobachtungen geteilt. | |
Nur vier Spielerinnen hätten beim Abspielen der US-Hymne ihre Hand an die | |
Brust gelegt und nur drei mitgesungen. Selbst das Trainerteam sei still | |
geblieben. Die Portugiesinnen dagegen hätten allesamt und leidenschaftlich | |
gesungen. Bei Weltmeisterschaften beginnt die Spielanalyse vielerorts schon | |
damit, welchen Eindruck das Team beim Erklingen der Nationalhymne macht. | |
Und im Falle der USA war deshalb abzusehen, was kommen musste. Nur mit | |
Glück rettete sich das bei der Hymne bereits geteilte Team mit einem | |
torlosen Remis ins Achtelfinale. Die WM-Vorrundenbilanz mit nur fünf | |
Punkten ist die schlechteste überhaupt. Das Gros des Teams war bereits von | |
der ersten Partie an bei der eigenen Hymne stumm geblieben. Wozu sollte man | |
da noch über Taktik oder anderes Gedöns reden. Die Hymnendiskussion wird in | |
den USA in den nächsten Tagen gewiss an Fahrt aufnehmen. | |
[1][In Deutschland kennt man die Debatte,] ob der Ball nicht besser durch | |
die eigenen Reihen gelaufen wäre, wenn alle vorab ihre Stimmbänder | |
ordentlich gedehnt hätten. Denn ums Singen geht es eigentlich nicht so | |
sehr, am besten werden Nationalhymnen gebrüllt, damit die Fans wissen, dass | |
es ihre Repräsentantinnen wirklich ernst meinen. [2][Die Kolumbianerinnen] | |
taugen da beispielsweise zum Vorbild. | |
## Immenser Konformitätsdruck | |
Während ansonsten gern Vielfalt und Toleranz gepredigt wird, gibt es bei | |
der Nationalhymne immer weniger Spielraum. Bei den deutschen Fußballerinnen | |
kann es sich anscheinend keine erlauben, die Lippen geschlossen zu halten, | |
weil sie sich lieber in Stille auf das Spiel konzentrieren möchte oder | |
einfach keine Lust zum Singen hat. Der Konformitätsdruck ist immens. Früher | |
war das auch im Kreise des deutschen Nationalteams kein Ding, wenn es einer | |
oder einem nicht behagte, vor Kamera und hingehaltenen Mikrofonen | |
mitzusingen. | |
Im Jahre 2012 musste der damalige DFB-Manager in einem [3][Interview auf | |
der Verbandsseite] klarstellen: „Das Mitsingen bei der Hymne hat keinerlei | |
Relevanz für den Ausgang des Spiels.“ Und er fügte hinzu: „Die Zeile | |
‚Einigkeit und Recht und Freiheit‘ impliziert übrigens auch das Recht, | |
nicht mitsingen zu müssen.“ | |
Dieses Recht nimmt sich bei den deutschen Frauen nur niemand heraus. Und | |
bei den Männern mit Antonio Rüdiger oder Emre Can Spieler, die sich von | |
einem immer größer werdenden rechten Rand Treulosigkeit und mangelnde | |
Identifikation vorwerfen lassen müssen. Es sei denn, sie machen mangelnden | |
Pathos mit Toren wett. | |
1 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Muenkler-ueber-Schland-WM-Kultur/!5516502 | |
[2] /Kolumbianische-Nationalmannschaft/!5946650 | |
[3] https://www.dfb.de/maenner-nationalmannschaft/news-detail/mitsingen-bei-der… | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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