# taz.de -- Frauenfußball in Pakistan: Hier braucht es keine WM | |
> Die Probleme vieler WM-Teilnehmerinnen gibt es auch in Pakistan: | |
> Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und das Hinausdrängen von Frauen. | |
Bild: Das einfache Recht, Fußball zu spielen, muss noch erkämpft werden. Stud… | |
So wichtig ist das WM-Turnier, das wir gerade erleben, gar nicht. Gewiss, | |
die Spiele und Tore sind [1][von Bedeutung], aber noch mehr geht es darum, | |
die Bühne WM zu nutzen, um für die Rechte der Spielerinnen einzutreten. | |
Aller Spielerinnen. Wir wollen den Frauenfußball feiern, nicht das | |
Fifa-Turnier. Denn eine Verbesserung ist leider nicht möglich, ohne sich | |
über die Verbände und die Kultur, die sie gegenüber den Frauen pflegen, zu | |
ärgern. | |
Wenn man sich [2][genau anschaut], welchen Weg die Teams zu dieser WM | |
zurücklegen mussten, sieht man, dass Spitzenfußballerinnen vor den gleichen | |
Herausforderungen stehen wie die Frauen, die auf niedrigerem Level kicken. | |
Meistens sind es allein männliche Funktionäre, die über alles entscheiden. | |
Obwohl die erste Frauen-WM der Fifa schon 32 Jahre zurückliegt, ist der | |
Frauenfußball noch nicht so etabliert, wie er es sein müsste. | |
Ich berichte als Reporterin über den Frauenfußball in Pakistan und weiß, | |
dass die Probleme, mit denen sich spanische, amerikanische, sambische, | |
haitianische, kanadische, venezolanische, argentinische oder kolumbianische | |
Fußballerinnen herumschlagen, nicht sehr von dem unterscheiden, was wir in | |
Pakistan erleben. | |
Es gibt einen Kampf um die Gleichstellung des Frauenfußballs mit dem | |
Männerfußball, vor allem im finanziellen Bereich. Der ist wichtig. Zugleich | |
aber es gibt noch einen allgemeineren Kampf, einen um die Menschenrechte. | |
Darum, dass Frauen als menschliche Wesen betrachtet und behandelt werden. | |
Wenn es nur um gleiche Bezahlung ginge, wäre der Kampf etwas leichter zu | |
gewinnen, aber wir müssen die Fifa dazu bringen, nach einem Weg suchen, die | |
Kultur in den Verbänden zu ändern, damit Fußballerinnen in den weniger | |
entwickelten Ländern nicht einfach als Posten behandelt werden, die man hin | |
und her schieben kann. | |
## Equal Pay ist nicht alles | |
Wenn es nur den Leistungsträgerinnen auf globaler Ebene gelingen sollte, | |
das gleiche Prestige, Geld und dieselben Ressourcen zu erhalten wie ihre | |
männlichen Kollegen, wäre das eine bescheidene Hinterlassenschaft dieser | |
Frauen-WM. Misshandlung von Fußballerinnen war häufig Thema in vielen Teams | |
bei dieser WM. Hinzu kommen die alten frauenfeindlichen Muster, gegen die | |
sich etwa die spanischen [3][Spielerinnen] im vergangenen Jahr wehrten, als | |
sie die Ablösung von Trainer Jorge Vilda gefordert haben. Bei Sambia und | |
Haiti haben wir gesehen, dass die Vorwürfe, die die Frauen vorbrachten, | |
zwar Gehör fanden, dass es aber letztlich wieder Männer waren, die die | |
Entscheidungen für sie getroffen haben. Wir mussten erleben, wie die | |
Frauen, die den Mächtigen die Wahrheit ins Gesicht sagten, abgebügelt und | |
gedemütigt wurden. | |
Tatsächlich geht es immer darum, dass Fußballerinnen versuchen, in der | |
Männerwelt erfolgreich zu sein – und dass sie deswegen enorme Widerstände | |
erfahren. Das Gleiche gilt für die pakistanischen Fußballerinnen und die | |
Nationalmannschaft. Nur zwei Tage vor Beginn der WM bestritt unser Team ein | |
Freundschaftsspiel in Singapur. Ein Länderspiel, ja, aber die besten | |
Fußballerinnen des Landes fehlten. Das ist so ähnlich wie bei dem | |
spanischen WM-Team, das 15 Spielerinnen aus Protest boykottiert hatten, von | |
denen nur einige zurückgekommen sind. | |
Der pakistanische Fußballverband (PFF) wird derzeit von einem | |
„Normalization Committee“ geleitet, das die Fifa im Jahr 2009 eingesetzt | |
hatte. Zwischen 2014 und 2022 hat die pakistanische Frauenauswahl kein | |
Spiel bestritten, an keinem Turnier teilgenommen. Zudem war Pakistan | |
zwischen 2017 und 2022 zweimal gesperrt worden. Die Fußballerinnen haben | |
also nicht nur mit systemischer Frauenfeindlichkeit zu kämpfen, sondern sie | |
leiden auch unter der anhaltenden Krise des Verbands. Und die haben wir den | |
machtgierigen männlichen Funktionären zu verdanken. | |
Als die Nationalmannschaft im September 2022 in den internationalen Fußball | |
zurückkehrte, rückten die besten Spielerinnen des Landes nur ganz kurz ins | |
Rampenlicht. Nachdem sie sich aber sich gegen den unqualifizierten | |
Cheftrainer ausgesprochen hatten, der lediglich über eine B-Lizenz der Uefa | |
verfügt, war wieder Schluss mit dem medialen Wohlwollen. Der Trainer | |
beschimpfte die Frauen nicht nur verbal, sondern sorgte auch dafür, dass | |
möglichst viele Spielerinnen aus dem von ihm selbst betreuten Verein in die | |
Nationalmannschaft berufen wurden. Da er zudem Spielerinnen aus England und | |
den USA rekrutierte, beschimpfte er nun auch Spielerinnen, die in der | |
Heimat kicken. | |
## Ein Aufschwung, der keiner ist | |
Auf den ersten Blick sieht die Bilanz gar nicht so schlecht aus. Erstmals | |
nahm Pakistan an der Qualifikation zu den Olympischen Spielen teil, wo die | |
Elf auch ein Spiel gewann. Und im Januar 2023 lief sie bei einem | |
Freundschaftsturnier in Saudi-Arabien auf. | |
Was aber stutzig macht, ist die Geheimniskrämerei, die um den Kader | |
veranstaltet wird. Mehrere Spielerinnen hatten im vergangenen Jahr über | |
Missbrauch gesprochen. Etliche hatten sich schriftlich an den Verbandschef | |
gewandt. Doch darauf gab es keine Antwort. Die einzige Reaktion war, dass | |
sie nicht mehr zur Nationalmannschaft eingeladen wurden – ohne Begründung. | |
Im Trainingslager sollen aber die Beschimpfungen heftig gewesen sein. Der | |
Trainer soll die Teammanagerin so sehr beleidigt haben, dass sie vor dem | |
versammelten Team in Tränen ausbrach. Zugleich bekamen die jungen Frauen, | |
die sich jahrelang in einer derart patriarchalisch geprägten Gesellschaft | |
wie der pakistanischen bemüht hatten, Fußball zu spielen, immer wieder zu | |
hören, dass das, was sie da machen, nicht ausreiche. Sie würden ja ihr | |
Spiel nicht verbessern und hätten eh keine Chance auf eine Karriere im | |
Fußball. | |
Kein Wunder, dass es in Pakistan keine Profiliga für Frauen gibt. Die | |
Meisterschaft wird einmal im Jahr, gerade mal einen Monat lang ausgetragen. | |
In der Zwischenzeit spielen die Frauen in regionalen Teams. An der ohnehin | |
nicht allzu wertvollen nationalen Meisterschaft nehmen nur wenige Vereine | |
teil. Pakistans Fußballverband denkt gar nicht daran, eine eigene Liga für | |
Frauen einzurichten oder den Fußballerinnen auf eine andere Weise zu | |
ermöglichen, sich zu verbessern. Es gibt auch keine Förderprogramme für | |
Trainerinnen oder Schiedsrichterinnen. | |
Das Fußballsystem für Frauen in Pakistan ist kaputt. Dennoch träumen Frauen | |
auch hier davon, auf internationalem Level Fußball zu spielen. Dieser Traum | |
wird ihnen aber zerstört, solange der Verband einen Trainer stützt, über | |
den Missbrauchsgerüchte kursieren und der ein toxisches Arbeitsumfeld | |
aufgebaut hat – obwohl sich selbst die erfahrensten Spielerinnen gegen | |
Missbrauch und Missmanagement aussprechen. | |
Natasha Raheel Khan ist die einzige hauptberufliche Sportjournalistin, die | |
für eine pakistanische Zeitung arbeitet. Anfang August nimmt sie am | |
Symposium „(Un)seen Game“ von Discover Football e. V. in Berlin teil. | |
28 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Grosser-Durchbruch-des-Frauenfussballs/!5901615 | |
[2] /Zustand-des-Frauenfussballs-vor-WM/!5945103 | |
[3] /Spielerinnenproteste-zur-Fussball-WM/!5948391 | |
## AUTOREN | |
Natasha Raheel Khan | |
## TAGS | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
Pakistan | |
Frauensport | |
GNS | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
Pakistan | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
Pakistan | |
Pakistan | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Frauenfußball in Kenia: Medien in der Pflicht | |
In Kenia gibt es für junge Frauen keine weiblichen Vorbilder im Fußball. | |
Dafür verantwortlich ist vor allem die Art der Berichterstattung. | |
Opposition in Pakistan: Ex-Premier Khan nach Urteil verhaftet | |
Wenige Monate vor der Parlamentswahl ist der populäre Imran Khan wegen | |
Korruption verurteilt worden. Ein harter Schlag für die pakistanische | |
Opposition. | |
Infantino als Queer-Aktivist: Der Tausendsassa | |
Fifa-Präsident Infantino betreibt zum Machterhalt während der WM | |
Inselhopping in Ozeanien. Nebenbei gibt er sich als Aktivist für die | |
LGBTQ-Community. | |
Selbstmordanschlag auf Parteiversammlung: Pakistan kommt nicht zur Ruhe | |
Hinter dem jüngsten Terroranschlag könnte der lokale Ableger des | |
„Islamischen Staates“ stecken. Doch auch pakistanische Taliban kommen in | |
Betracht. | |
Pakistan kommt nicht zur Ruhe: Viele Tote bei Bombenexplosion | |
In der von Terroranschlägen geplagten Provinz Khyber Pakhtunkhwa tötet eine | |
Bombe mindestens 40 Menschen. Retter fürchten viele weitere Opfer. | |
Fußball in den USA: Frauenpower nicht nur auf dem Platz | |
Der Männerfußball ist eurozentrisch, bei den Frauen gibt es zwei | |
Machtzentren. Die US-Profiliga präsentiert sich als stärkste Spielklasse | |
der Welt. | |
Historischer WM-Triumph der Philippinen: Erfolgreiche Exilantinnen | |
Die WM-Neulinge von den Philippinen gewinnen gegen Neuseeland. Wobei | |
eigentlich nur eine Spielerin von dort ist. Die Mehrheit stammt aus den | |
USA. | |
Fußball-WM der Frauen in Sydney: Ikone unter den Füßen | |
Die Fußball-WM der Frauen ist in Sydney so präsent wie nie zuvor. Aber wie | |
nachhaltig begeistert der Sport die Menschen vor Ort? |