# taz.de -- Infantino als Queer-Aktivist: Der Tausendsassa | |
> Fifa-Präsident Infantino betreibt zum Machterhalt während der WM | |
> Inselhopping in Ozeanien. Nebenbei gibt er sich als Aktivist für die | |
> LGBTQ-Community. | |
Bild: Macht euch mal locker: Fifa-Präsident Gianni Infantino spricht | |
Wo nur ist Gianni Infantino? Der TV-Sender Sky News hatte in den | |
vergangenen Tagen gar das Privatflugzeug des größten Fußballfunktionärs in | |
Neuseeland getrackt, weil er wenige Tage nach Beginn der WM in den Stadien | |
nicht mehr zu sehen war, und berichtete von einer Flugbewegung nach Tahiti. | |
Ist Infantino, der sich bei den TV-Vertragsverhandlungen als | |
leidenschaftlicher Anwalt des Frauenfußballs profiliert hatte, etwa schon | |
gelangweilt vom Kick der Frauen? [1][Bei der Männer-WM der kurzen Wege in | |
Katar] hatte der 53-Jährige eine erstaunliche Kondition als Stadiongast | |
bewiesen. | |
Während der Frauen-WM will Infantino offenbar auf andere Weise | |
beeindrucken. Seine Abreise aus Neuseeland war schon länger geplant. Der | |
Schweizer ist auf Inselhoppingreise durch Ozeanien und verbreitete über | |
seinen Instagram-Account hübsche Fotos von sich – meist mit Blumenkränzen | |
um den Hals – aus Amerikanisch-Samoa, den Cookinseln oder Tonga. Denn die | |
WM 2023 ist, wie er schreibt, „eine Feier unseres wunderbaren Sports in | |
ganz Ozeanien“. | |
Seine WM-Abwesenheit machte er mit einem spektakulären Post aus | |
Amerikanisch-Samoa wett. Auf der Insel, die gut 45.000 Menschen bewohnen, | |
präsentierte er sich mit der dort prominenten Fußballerin Jaiyah (Johnny) | |
Saelua, die biologisch als Mann geboren wurde und als Frau lebt. In Samoa | |
spricht man von den Fa’afafine, die als eigenständiges soziales Geschlecht | |
geachtet und respektiert werden. Die 35-Jährige ist weltweit die erste | |
offen transgender lebende Person, die für ein Männernationalteam antrat, | |
und auch im Jahr 2011 beim historischen ersten Länderspielsieg Samoas dabei | |
war. Gegner war damals Tonga und die Defensivspezialistin Saelua wurde zum | |
„Man of the Match“ gewählt. | |
[2][In dem Filmchen], das Infantino am Samstag präsentierte, bedankte sich | |
Saelua beim Fifa-Präsidenten für dessen Einladung zum WM-Finale nach | |
Australien und die samoanische Delegation präsentieren zu dürfen. Infantino | |
selbst schrieb darunter: „Das ist also meine Botschaft an all diese | |
Moralisten, die den Menschen Lektionen über so viele Dinge erteilen. | |
Entspannt euch, lebt und lasst leben! Fußball verbindet die Welt und | |
vereint alle Menschen auf der ganzen Welt, ohne jede Form der | |
Diskriminierung. Fußball ist inklusiv, tolerant und universell.“ | |
## Wendig in Debattenräumen | |
[3][Vor einem Dreivierteljahr in Katar], als die Fifa die Fußballmärkte in | |
der arabischen Welt im Blick hatte, hätte sich Infantino lieber die Lippen | |
blutig gebissen, ehe er sich zu solch einer universellen Grundhaltung im | |
Rahmen des großen Turniers bekannt hätte. Doch bei der Frauen-WM in | |
Australien und Neuseeland weht der Wind aus einer gänzlich anderen | |
Richtung. Und kaum jemand ist in den Debattenräumen so beweglich und wendig | |
wie Gianni Infantino. In den Verhandlungen zu den TV-Verträgen dieser WM | |
ist er ohnehin noch einmal nachhaltig darin geschult worden, dass hier | |
andere Verkaufsargumente zählen. | |
Seine kurzweilige Abwesenheit wird ihm in Neuseeland und Australien nun | |
niemand ernsthaft verübeln wollen. Sicherheitshalber stellte die Fifa in | |
einem Bericht über Infantinos Ozeanienreise klar: „Der Fifa-Präsident hat | |
bereits Spiele in allen WM-Spielorten in Neuseeland besucht und wird im | |
Anschluss an seine erste Rundreise im Pazifikraum auch Gruppenspielen in | |
Australien beiwohnen.“ Danach werde er weiteren Verbänden der OFC Besuche | |
abstatten. | |
So klein die Fußballverbände in dieser Region auch sein mögen, ihre | |
Stimmgewalt im Weltverband ist so groß wie die der mächtigen | |
Fußballnationen. Schließlich gilt bei der Fifa das Prinzip: ein Land, eine | |
Stimme. Die kleinen Kinder, berichtete Infantino am Montag aus Tonga in | |
bekannter schwülstiger Fifa-Rhetorik, die unter bescheidenen Bedingungen | |
fern von allem aufwachsen würden, hätten auch ein Recht zu träumen. | |
Für den eigenen Machterhalt ist Infantinos Funktionärspflege in der | |
Peripherie unumgänglich. Und für die WM peppt er sie zugleich mit queerem | |
Engagement auf. Infantino ist wirklich ein Tausendsassa. | |
1 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Bizarre-Rede-von-Fifa-Chef-Infantino/!5894100 | |
[2] https://www.instagram.com/p/CvR3X4MIU0Z/ | |
[3] /Machtkampf-im-Fussball/!5894988 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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