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# taz.de -- Streumunition für die Ukraine: Tödlich und nutzlos
> Lieferung und Einsatz geächteter Streumunition bringen Kyjiw militärisch
> wenig und schaden der Solidarität. Für die Zivilbevölkerung geht der
> Schrecken weiter.
Bild: Eine entschärfte geächtete Streubombe in der Hand eines ukrainischen So…
Jetzt also doch: Nach monatelanger Debatte innerhalb der US-Regierung hat
sich US-Präsident Joe Biden jetzt offenbar dazu durchgerungen, der Ukraine
Streumunition zu liefern.
Damit gehen die USA einen Schritt, dessen militärischer Nutzen zweifelhaft,
dessen politischer Schaden jedoch immens ist. Immerhin haben über 100
Staaten weltweit, darunter auch die meisten Nato-Mitglieder, sich zur
[1][Ächtung dieser Waffenart] verpflichtet – und das nicht ohne Grund.
Streumunition tötet und verstümmelt auch Jahrzehnte, nachdem ein Krieg
vorbei ist. Denn jene der Dutzenden oder gar Hunderten Sprengkörper, die
nicht sofort explodieren, bleiben als Minen im Boden.
Die USA behaupten jetzt, sie würden nur solche Munition liefern, die eine
Blindgängerquote von unter 2,35 Prozent habe. Militärische Tests hätten das
ergeben. Die Testergebnisse bleiben jedoch unter Verschluss, und
Organisationen wie das Rote Kreuz oder Human Rights Watch bezweifeln die
Zahlen – und auch die Aussagekraft jener Tests. Denn was unter
Idealbedingungen – harter Untergrund, idealer Aufprallwinkel –
funktionieren mag, geht unter Realbedingungen – weicher, unebener Boden,
Schlamm – oft schief. In Wirklichkeit also liegen nach den Angaben dieser
Organisationen die Blindgängerquoten bei 10 bis 30 oder gar 40 Prozent.
In der Praxis hieße das: Aus einer rein militärischen Logik ist der Wunsch
der Ukraine vielleicht nachvollziehbar, solche Munition im Rahmen ihrer
Rückeroberungsoffensive einsetzen zu wollen. Denn tatsächlich ist diese Art
von Waffen ursprünglich einmal genau für solche Situationen entwickelt
worden, also zur Bekämpfung eines in einem weitläufigen System von
Schützengräben verschanzten Gegners.
## Auf dem Schlachtfeld vielleicht kurzfristige Vorteile
Und der Ukraine wie ihren Unterstützern gehen die Vorräte an
[2][lieferbarer konventioneller Artilleriemunition aus], die angesichts
fehlender Luftwaffe das wichtigste Mittel zum Angriff auf die russischen
Frontstellungen ist. Schon jetzt sind diese Gebiete heftig vermint – im
Netz kursieren unzählige Videos von der Front, die ukrainische Soldaten
zeigen, denen beim Sturm auf russische Gräben die Gliedmaßen weggesprengt
werden.
All das erklärt den ukrainischen Wunsch, mit artilleriebasierter
Streumunition die russischen Stellungen attackieren zu können. Allerdings:
Auf dem Schlachtfeld wird das vielleicht kurzfristige Vorteile bringen,
mittel- und langfristig aber nicht kriegsentscheidend sein – im Gegenteil.
Und das nicht nur, weil nachrückende Einheiten womöglich noch von den
eigenen Blindgängern zerfetzt werden.
Die Ukraine kann sich gegen den russischen Angriff nur behaupten, wenn die
[3][internationale Unterstützung stetig bleibt] und Legitimität genießt.
Bislang hat Russland in recht großem, die Ukraine in geringem Umfang
Streumunition eingesetzt, wobei Kyjiw das immer leugnete. Auch nur den
Wunsch zu äußern, eine Waffenart einzusetzen, die von vielen der
wichtigsten Unterstützerstaaten geächtet ist, schadet politisch gewaltig –
der Vorwurf des Doppelstandards erhält neue Nahrung, und die Ukraine büßt
für vielleicht kurzfristige militärische Gewinne langfristig Solidarität
ein.
US-Präsident Joe Biden ginge im übrigen mit diesem Schritt auch ein hohes
Risiko ein. Zwar haben die USA die Anti-Streubombenkonvention nie
ratifiziert – aber schon seit 2017 verbietet eine Kongressresolution den
Einsatz von Munition, die eine Blindgängerquote von 1 Prozent übersteigt.
Biden kann das unter Berufung auf Sonderbefugnisse zur Wahrung der
nationalen Sicherheit umgehen.
## Und die Republikaner wettern wieder
Aber in wenigen Monaten beginnt das Wahljahr 2024 – und schon jetzt wettern
die wichtigsten potenziellen republikanischen Herausforderer gegen weitere
militärische Unterstützung der Ukraine. Wenn Biden sich durch die Lieferung
geächteter Waffen offensichtlich ins Unrecht setzt, wird auch die
Unterstützung in der eigenen Partei schwinden.
Gleiches gilt in der Europäischen Union: Schon jetzt sind die
Waffenlieferungen an die Ukraine in allen Ländern umstritten und beziehen
ihre politische Unterstützung nicht nur aus strategischen, sondern auch aus
moralischen Erwägungen. Lieferung und Einsatz von Streumunition stärkt das
Narrativ, beide Seiten handelten gleichermaßen verbrecherisch – besser
raushalten.
Was also auf dem Schlachtfeld vielleicht militärisch logisch erscheint,
führt in ein politisches Desaster.
7 Jul 2023
## LINKS
[1] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5945827
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[3] /Gefangenenaustausch-Russland-Ukraine/!5935477
## AUTOREN
Bernd Pickert
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